Blumig eingeschnittene Wassermelonenhälften zieren die weißgekalkte Mauer. Dahinter schunkeln Motorboote, Ausflugsschaluppen und rostige, am Steg festgezurrte Kähne. Fast finden wir keinen Anlegeplatz. So viel Zulauf ist man in dem kleinen Donaudeltadorf am 47. Kilometer des Sulina Arms gar nicht gewöhnt. Mehr zufällig verschlug es uns zum Fischsuppen-Festival nach Crişan, das die Rural- und Kulturtourismusorganisation ANTREC hier erstmals vom 7. bis 9. September organisierte und jährlich wiederholen will. Multiethnisch authentisch, mitreißend fröhlich – vor allem aber köstlich! Wenn man auch das Geschmackserlebnis hier nicht vermitteln kann, so doch wenigstens einen Eindruck in Worten und Bildern...
Stimmungsvolle griechische Musik dringt aus viel zu großen Lautsprechern vor der improvisierten Bühne – natürlich darf da ein „Sorbas“ auch nicht fehlen! Davor unter weißen Zeltplanen Biertische und Bänke, buntes Treiben, Kommen und Gehen. Ein uriger bärtiger Typ schlendert vorbei, auf seiner beeindruckenden Wampe prangt die Aufschrift „Shut up and fish“ (halt’s Maul und fische). Während die griechische Folkloregruppe Artemis aus Sulina mit ihren außergewöhnlich schmucken Kostümen noch das Tanzbein schwingt und die Burschen mit den lustigen Bommeln an den Schuhen tollkühne Sprünge aufs Parkett legen, drängen sich erste Menschentrauben um die der Reihe nach am Kanalufer aufgebauten Stände: Sulina, Caraorman, Crişan 2, Mila 23, Crişan 1, Mahmudia und Jurilovca. Da und dort wird noch schnell eine Zwiebel geschnitten und in den brodelnden Sud geworfen.
Während Sulina schon verheißungsvoll den Topfdeckel von dem im Krautbett geschmorten Karpfen lupft, füllt ein kleines Lipowanermädchen am anderen Ende der Reihe noch seelenruhig Teigtaschen für den Jurilovca-Stand. Mit mehligen Händen rückt die Kleine ihr himmelblaues Diadem zurecht, passend zum fließend langen, traditionellen Seidenkleid.
Am Mila 23 Stand vorbeischlendernd bewundern wir eine besondere Köstlichkeit: }uica aus Akazienblüten! Das wollen wir kosten. Gläschen? - Wie? Ach, einfach einen Zug aus der Flasche... Samtweich wie Nektar gleitet der liebliche Schnaps die Kehle hinunter. Verführerische Düfte wabern über den Platz, vermischen sich mit dem Geruch von Algen, Sommer und Urlaub. Nein, hier riecht es nicht einfach nur nach FISCH...
Wir reihen uns in eine Schlange ein, schnuppern an „Borş“ aus Donaukarpfen oder Ciorba mit leckeren Hechtklößchen, lassen uns „Plachie“ mit Kartoffelbrei, Welsschnitzel, fischgefüllte Paprika, Kaviarbrötchen oder Fischfrikadellen mit Knoblauchsoße auftischen. Am besten nimmt jeder von einem anderen Stand, sodass man gegenseitig probieren kann. Einer nach dem anderen zieht mit üppig gefüllter Deckel-Styroporbox für zehn Lei von dannen. Daran kann man sich sogar zu zweit satt essen. Tatsächlich aber verführen die russischen, ukrainischen, balkanischen, griechischen, türkischen und tatarischen kulinarischen Variationen in diesem multiethnischen „Freiluftrestaurant“ leicht zu einer zweiten, dritten Portion...
Während die russische Tanzgruppe aus Sulina ihre Mädchen zu „Kalinka“ in die Luft wirbelt und dazu Florentina Dunaevs ausdrucksstarke Stimme erbebt, statten wir dem Wein-Stand aus der M²cin-Region einen Besuch ab, um das Fischmenü flüssig abzurunden. Für zwei Lei das Achtel-Gläschen wird auch dieses gerne freudig nachgefüllt. Fisch muss schwimmen, am besten tut er dies in trocken-fruchtigem Weißwein...
Auch wenn man zeitweilig den Eindruck hatte, mehr Kameramännern als auswärtigen Touristen zu begegnen - einige amüsierten mit ulkigen Verrenkungen, vom Dach eines Kahns herunterfilmend, wobei ihnen das Festbanner vor der Nase herumflatterte - vermittelt das Fest mit folkloristischen Darbietungen und lokaltypischer Musik den Charkter eines großen Dorffestes. Statt des sonst häufig anzutreffenden Zier- und Andenken-Kitschs wurden schmucke, handgefertigte Binsenkörbchen aus Mahmudia feilgeboten. Zwischen hängenden Schlangenkürbissen baumelte ein mumifizierter Kugelfisch.
Das kulinarische Fest, das sich über zwei ganze Tage erstreckte, demonstrierte mit Erfolg, dass sich die Artenvielfalt im Donaudelta nicht auf Fauna und Flora beschränkt, sondern auch durch die Art der Küche in Fülle, Vielfalt und Geschmacksreichtum zu überzeugen vermag.
Wer den Kochwettbewerb letzlich gewonnen hat, haben wir nicht mehr mitbekommen. Ganz sicher aber nicht die stets unentbehrlichen Mici, die auf einem Grill in einer Ecke – ausnahmsweise mal völlig unbeachtet – verschmorten...