Naturliebhaber kennen Montenegro wegen seiner nahezu unberührten Wälder und Berge, wegen seines Fjords und den vielleicht tiefsten Canyon Europas, Botaniker wegen deseinzigartigen Urwalds, orthodoxe Gläubige für das Kloster Cetinje, in dem die rechte Hand Johannes des Täufers aufbewahrt ist. Hollywood-Fans erinnern sich vielleicht an die Luxus-Insel Sveti Stefan, wo einst Persönlichkeiten wie Marylin Monroe, Sophia Loren, oder Bob Dylan übernachtet haben. Ein kleines Land mit atemberaubender Schönheit und voller einmaliger Überraschungen.
Naturparadies
Obwohl der kleine ex-jugoslawische Föderationsstaat nur knapp doppelt so groß ist wie einer der Landeskreise Rumäniens, ist rund ein Fünftel des Landes mit Naturschutzgebieten bedeckt. Mit einer atemberaubenden Tiefe von 1300 Metern liegt der berühmte Tara-Canyon an erster Stelle in Europa und, nach dem nordamerikanischen Grand Canyon, an zweiter Stelle weltweit. Sowohl Fotografen als auch Extremsportfans bietet er einmalige Möglichkeiten für Rafting, Klettern, Bungee-Jumping oder Seilrutschen. Und im Nationalpark Biogradska Gora können Naturliebhaber einen der letzten drei Urwälder Europas bewundern, dessen über 500 Jahre alte Bäume insbesondere im Herbst wie aus einer Malerei der Impressionistenschule scheinen. Und im UNESCO-geschützten Durmitor-Park laufen Luchse oder Wölfe vor einem über die Straße. Am Skadar-See fühlt man sich im Schilfgestrüpp mit schwarzen Kormoranen fast wie im Do-naudelta – wären nicht die hohen Berggipfeln in der Ferne zu sehen. Dieser größte See der Balkanhalbinsel bietet fast ganzjährig Badefreuden, denn nur in den kalten Monaten fällt die Wassertemperatur unter 10 Grad Celsius. Und im Frühjahr, wenn die Schneedecke schmilzt, steigt der Wasserspiegel so hoch, dass man gemütlich über die Wiesen mit dem Kajak paddeln kann.
Badeparadies, Fjorde und - Katzen
Auch wenn die Küste Montenegros nur knappe 300 Kilometer lang ist, verspricht sie dieselben abwechslungsreichen Aussichten wie fast jeder Teil der Dalmatischen Küste. Die Küstenstraßen verlaufen entlang von Buchten, manchmal hoch über dem Wasser, manchmal gleich am steinigen Strand, grüne Inseln verfolgen einen entlang der gesamten Strecke, an der archaische Städte mit modernen Hotels abwechseln – ein Zeichen für die noch zu wünschen übrig lassende touristische Entwicklung Montenegros. Mit seinen zahlreichen neuen Hotels gilt Budva als wichtigster Badeort des Landes, wobei auf der gesamten Strecke zwischen Budva und Bar zahlreiche kleine Orschaften wie Petrovac oder Perast mit ihren Stränden Touristen anziehen. Die Strände Montenegros sind eher schmale Sandstreifen entlang der Küstenlinie.
Einer der teuersten Badeorte an der Dalmatischen Küste ist und war bereits während der jugoslawischen Zeit die Halbinsel Sveti Stefan. Unter den vornehmen Gästen, die sich an den prachtvollen Luxusanlagen erfreut haben, zählen die Rolling Stones, Brad Pitt, aber auch Königin Elisabeth II. oder Königin Nur von Jordanien.
Wer nicht bis nach Norwegen fahren möchte, um einen Fjord zu sehen, kann sich bei deutlich wärmeren Wetter einen Ausflug an die Bucht von Kotor gönnen. Die kleine Altstadt steht seit Jahren unter UNESCO-Schutz und zeugt von der Diversität dieser Region: Genau hier verläuft die Trennlinie zwischen der westlichen und der östlichen Welt, zwischen Orthodoxie und Katholizismus. Zwei knapp 900 Jahre alte Steinkirchen bezeugen dieses lange Zusammenleben. Und über die engen Gassen der Altstadt, entlang der mächtigen Wehrmauern, die von den Venezianern im 15. Jahrhundert zu ihrem derzeitigen Ausmaß erweitert wurden, steigt man über 1320 Stufen zu der bereits während des Byzantinischen Reiches errichteten Festung San Giovanni auf. Die 20 Euro Eintritt sind es absolut wert, denn von oben bietet sich ein einmaliger Ausblick auf die gesamte Bucht. Wer meint, die alte Bergstraße nach Süden, die parallel zum neuen Tunnel verläuft, würde einen ähnlichen Blick bieten, der irrt gewaltig – denn San Giovanni steht genau auf den Felsen über der Stadt – ein Ausblick, der schwer zu übertreffen ist. Und wenn man schon in Kotor ist, ist ein Souvenir mit einer Katze ein absolutes Muss – denn ähnlich wie in der bulgarischen Stadt Gabrovo sind Katzen hier ein Leitmotiv: auf Taschen, Tüchern, Jacken oder Hüten, überall sind Katzen abgebildet, es gibt sogar ein Katzenmuseum.
Zwei Stunden vom Strand zum Gipfel
Gleich hinter der Adriatischen Küste ragen 2500 Meter hohe Berggipfel auf, was Montenegro zu einem besonders abwandlunsreichen Reiseziel macht. Serpentinen führen zu Bergdörfern wie Njegusi oder Gornji Stoliv, deren Steinhäuser, Olivenplantagen und ein atemberaubender Meerblick zu Entspannung und Genuß regelrecht verpflichten. Und überall vermischt sich die orthodoxe Tradition mit den Überresten der muslimischen Belagerung und der venezianischen Herrschaft in einem dennoch harmonischen Bild.
Ein absolutes Muss ist die in den Fels gemeißelte Straße entlang des Moraca-Canyons. Sie ist auch eine gute Option, die neue Autobahnbrücke zu bewundern, welche in den letzten Jahren von einem chinesischen Konsortium quer durch die Berglandschaft gebaut wurde.
Überall begegnen einem Klöster und Kirchen, die auf die alte Tradition der Orthodoxie Montenegros verweisen – denn Serbien und Montenegro bestreiten noch immer die christliche Vorherrschaft in der Region, zumal sie erst seit kurzer Zeit unabhängig sind, jedoch jahrhundertelang unter einer einzigen Führung standen. Einer der wichtigsten Pilgerorte ist das Kloster Cetinje, in dem – nur aufgrund einer sehr höflichen Bitte und der Versicherung, dass man orthodox ist – die rechte Hand Johannes des Täufers sehen kann. Und wenn man sowieso den Weg nach Cetinje einschlägt, ist Montenegros Nationalmuseum (oder das Museum des Königs Nikolas) ein absolutes Muss, denn trotz bescheidener Größe schafft es das Museum, die politische, kulturelle, religiöse und künstlerische Geschichte eines Landes zwischen Ost und West, zwischen Osmanischem Reich und Venedig, zwischen traditionellem Christentum und der sich entwickelnden Moderne zu vermitteln. Und Geschichtefans werden sich über die reichste Sammlung an Kriegsfahnen aus der Zeit des Unabhängigkeitskrieges gegen das Osmanische Reich im 19. Jahrhundert freuen.
Anfahrt, Tourismus, Allgemeines
Montenegro ist per Flugzeug schwer und nur teuer zu erreichen – aber jede Verbindungsstraße zwischen Ost- und Westbalkan kann über Montenegro führen. Damit liegt das Land perfekt für einen Zwischenstopp auf einer längeren Balkanreise. Die Hauptstadt Podgorica bezaubert mit mittelalterlichem moslemischen Flair, zumal sowohl die Stadt als auch das Land selbst die am wenigsten entwickelte Region Ex-Jugoslaviens darstellt. Die Altstadt bietet dennoch zahlreiche moderne Bars und ein Hilton-Hotel. Mehr als einen Nachmittag muss man für die Stadt nicht einplanen, denn alle Sehenswürdigkeiten liegen entlang derselben Straße am Fluss Moraca. Immerhin bleibt Podgorica das Zentrum des Geschäftslebens Montenegros, rund ein
Drittel der Einwohner Montenegros leben hier.
Kuriositäten
Der Name des Landes stammt aus venezianischen Zeiten und läßt sich mit „Schwarzer Berg“ übersetzen, vermutlich verweist er auf die dunklen Wälder.
Was die Montenegriner so außergewöhnlich macht, sind ihre zehn Gebote: „Der Mensch wurde geboren, um sich auszuruhen“, besagt das erste. Wieso die Bevölkerung sich Faulheit als nationales Symbol gewählt hat, bleibt ein Rätsel.
Montenegro hatte nie eine eigene Währung. Gleich nach der Unabhängigkeitserklärung vor rund 30 Jahren hat das Land eigenmächtig die Deutsche Mark als Währung übenommen und ist dann mit Deutschlands Umstieg auf den Euro, trotz EU-Proteste, einfach mitgegangen.
Wer etwas mehr Zeit in Podgorica verbringt, kann kurz hinaus aus der Stadt zu den Cijevna-Wasserfällen und ins Plantaje-Weinbaugebiet fahren, das über die ehemalige Landebahn der jugoslawischen Flugstreitkräfte zu erreichen ist. Der Weinkeller befindet sich im Bunker, wo früher die Kampfflugzeuge standen. Auch toll ist ein Abstecher zum U-Boot-Bunker bei Rose, einem kleinen Dorf auf der Luštica-Halbinsel in der Bucht von Kotor – einfach nur, um das Gefühl des Kalten Krieges zu spüren.








