Routen durch das barocke Hermannstadt

Altstadt und Plätze, Wehranlagen, Museen, Kirchen und Parks laden zum Besichtigen ein

Blick von der Lügenbrücke auf den Ratsturm

Das Hallerhaus am Großen Ring
Fotos: Hannelore Baier

Der barocke Turm der römisch-katholischen Kirche dient beim Theaterfestival als Kulisse.
Foto: FITS

Hermannstadt/Sibiu ist immer und für jeden ein Besuch wert. Neuerdings kann, wer mag, die Stadt auch via Internet besichtigen. Anders als auf den Webseiten der meisten Ortschaften, wo wichtige Informationen für Touristen sowie Ansichten und Karten zu finden sind, bietet jene Hermannstadts neuerdings auch die Möglichkeit, per Mouseclick Besichtigungstouren zu unternehmen. Mit europäischen Mitteln wurde eine Webseite eingerichtet, die für das barocke Hermannstadt wirbt (www.baroc.sibiu.ro).

Unter anderem sind sieben Routen für Spaziergänger vorgeschlagen und mit zahlreichen historischen Daten, Karten und Fotos gespickt. Drei dieser Touren scheinen auf den ersten Blick banal: Sie führen durch das Brukenthal- und das Astra-Museum sowie den Ratsturm. Wer sich von diesem Eindruck verleiten, lässt liegt falsch.

Um die sechs Museen des Brukenthal-Komplexes in sieben unterschiedlichen Gebäuden in verschiedenen Stadtteilen zu besichtigen, benötigt es eines Laufzettels. Wer das Naturkunde- und das Jagdmuseum als wenig barock betrachtet und links liegen lässt, wird vom Barock in den Galerien des Brukenthalpalais und des Blauen Stadthauses am Großen Ring/Piaţa Mare, aber auch im Apothekenmuseum am Kleinen Ring/Piaţa Mică regelrecht überwältigt.

Ein Aufstieg auf den Ratsturm lohnt insbesondere wegen der Möglichkeit, von oben auf die barocken Gebäude der Altstadt und die zahlreichen Plätze, an klaren Tagen aber auch bis weit auf die Fogarascher Berge, zu blicken. Um das Hermannstadt aus der Zeit des Barock, sowie davor und danach, besser kennenzulernen, seien jedoch insbesondere der Gang durch die Altstadt, die Route entlang der Wehranlage und der ökumenische Weg empfohlen.

Gang durch die Altstadt

Es sind die Plätze und Plätzchen in Hermannstadt mit ihren gut erhaltenen und (meist) frisch renovierten Häuserfassaden, die Touristen aus dem In- und Ausland faszinieren. Da werden sofort Vergleiche angestellt mit Städten in anderen mitteleuropäische Staaten – und viele Westeuropäer wundern sich, dass es so weit im europäischen Osten eine so „deutsch“ aussehende Ortschaft gibt. Mancher Architekt oder Kunsthistoriker aber ist erstaunt, hier eine so gut erhaltene Bausubstanz aus mehreren vergangenen Jahrhunderten vorzufinden.

Die Fassaden und ihre Ornamente, sowie die Portale der meisten Gebäude, sind in den letzten Jahren wieder richtig in Szene gesetzt worden (nach Ansicht einiger sogar zu sehr). Verweilen sollten Besucher am Großen Ring außer vor dem Brukenthalpalais und dem Blauen Stadthaus unbedingt vor dem Haller-Haus (selbst wenn es in die Renaissance zurückgeht), am Huetplatz sollten die Gebäude des Brukenthalgymnasiums sowie des evangelischen Stadtpfarramtes gewürdigt werden, und am Kleinen Ring das Schatzkästlein oder das sogenannte Hermes-Haus (an dem die Gotik „upgedated“ wurde ...).

Zu empfehlen sind eine ganze Reihe weiterer Bauten auch in den Gassen, die zu den Plätzen führen. Nicht verfehlt ist, durch die Tore in die Höfe reinzugucken. Ebenso faszinierend sind die Fingerlings- und Pempflinger-Stiegen in die Unterstadt und zum Muss gehört natürlich die Lügenbrücke.  
Die Wehranlagen

Am deutlichsten sind die Wehranlagen von Hermannstadt auf alten Fotos zu sehen. Die Stadt hatte  drei Verteidigungsringe und 39 (so Emil Sigerus) oder 41 (so die Webseite) Türme. Die Stadtmauern passierte man durch Tore.
Wer die Stiegen vom Stadtpfarramt zur Unterstadt hinuntergeht, schreitet unter dem einstigen Sagturm durch und kann linker Hand an der Pempflingerstiege Reste der einstigen ersten Ringmauer sehen.

Ebenso deutlich sind Überbleibsel der Verteidigungsanlage in der Harteneckgasse/Str. Cetăţii bzw. an der Promenade/Bulevardul Coposu zu sehen. In erstgenannter stehen Zimmermanns-, Armbruster- und Töpferturm wohlerhalten und restauriert recht eng beeinander. An der Promenade sind außer den Resten der äußeren Stadtmauer die Haller-Bastei und der dicke Turm unverkennbar. Der dicke Turm wurde 1788 – da als Verteidungsanlage nicht mehr genutzt – zum Theater umgebaut, in ihm befindet sich heute der Konzertssaal der Philharmonie. Mittelalter-Freaks sollten die Mauerreste an der Reitschulgasse/Strada Manejului nicht verpassen, die von der Haller-Bastei Richtung Ursulinenkloster führt.

Der ökumenische Weg

In Hermannstadt sind die Zeichen des jahrhundertelangen Beisammenlebens der unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften deutlich zu sehen. In der Ursulinenkirche hält heute die griechisch-katholische Gemeinschaft ihre Gottesdienste. Das Ursulinenkloster wurde von Dominikanern errichtet, sein barockes Antlitz erhielt das Gebäude der Kirche zu Zeiten von Kaiserin Maria Theresia. Weniger bekannt ist die unweit gelegene Fransziskanerkirche, die, wie es der Namen vermuten lässt, einst dem Franziskaner-Orden gehört hat. Einige hundert Meter entfernt von diesen katholischen Kirchen liegt die Synagoge in der Salzgasse/Str. Constituţiei. 1899 erbaut, ist sie das zweitjüngste der 12 Gotteshäuser, deren Besuch am ökumenischen Weg empfohlen wird.

Nach der Wende zum vorigen Jahrhundert, 1902, begannen die Arbeiten an der orthodoxen Kathedrale in der Fleischergasse/Str. Mitropoliei, dem „jüngsten“ der „alten“ Gotteshäuser. Besucht werden können aber auch zwei wesentlich ältere orthodoxe Kirchen, und zwar die zwischen 1778 und 1788 gebaute Peter- und Paulskirche („Dintre brazi“) oder die „Biserica din groap²“ in der Kirchengasse/Str. Justiţiei.

Die laut Urkunden seit 1292 existierende Spitalskirche/Biserica azilului wird heute ebenfalls von der orthodoxen Kirche genutzt. Der größte Bau ist jener der evangelischen Stadtpfarrkirche, sehr bescheiden wirkt die ebenfalls hauptsächlich von der evangelischen Gemeinde genutzte Johanniskirche. Zwischen den beiden liegt in der Fleischergasse noch die Kirche der reformierten Gemeinschaft.

Mehr Informationen zu den verschiedenen Rundgängen und den empfohlenen Besichtigungsobjekten können Interessenten demnächst auch durch Herunterladen der Broschüren erfahren, die für jede Route vorgesehen sind und ebenfalls auf die Webseite gestellt werden. Dass die Webseite als auch die Broschüren nur in rumänischer Sprache angeboten werden, hat einen triftigen Grund: Laut Genehmigung darf die Werbung aus diesen Projektmitteln nur in dieser Sprache erfolgen. Wer sich in spezielle Bereiche von Geschichte und Kultur in Hermannstadt vertiefen möchte, muss zur klassischen Informationsweise, den Büchern, greifen. Aufgrund ihrer lassen sich zum Beispiel ein Maria-Theresia-Weg oder eine Andrei-Şaguna-Route, ein Hans-Otto-Roth-, ein Emil-Cioran- oder ein Oskar-Pastior-Weg finden und beschreiten.