Nach dem Gipfel der EU-Staatsoberhäupter in Brüssel Ende Januar ist wahrscheinlich vielen „der Himmel auf den Kopf gefallen“, wenn man wohl die Ängste der Gallier auf die heutige Realität übertragen kann: „Von allen nicht unbedingt notwendigen Reisen sollte dringend abgeraten werden, sowohl innerhalb eines Landes als auch grenzüberschreitend“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Welche Möglichkeiten aber gibt es, auch vom gemütlichen Sofa von Zuhause aus andere Länder und Kulturen zu entdecken?
Erinnerungsreisen
Eine der einfachsten Möglichkeiten, sich virtuell anderswohin zu begeben, sind die eigenen Erinnerungen: Ältere Reisefotos oder Filme bieten oftmals die Möglichkeit, Erlebnisse mit anderen zu teilen, Informationen auszutauschen oder ein neues Fotoalbum zu basteln. Gleichzeitig sind sie auch ein guter Grund für zusätzliche Recherche im Internet.
YouTube, Google und Facebook
Als erstes greift man natürlich zu YouTube. Dessen weitläufige Dokumentarpalette und insbesondere private Erlebnisberichte sind zwar nicht immer akademisch, fügen aber jeder Situation und jedem Ort eine persönliche Note hinzu. Es gibt natürlich auch zahlreiche professionelle Beiträge, etwa die touristischen Fußwanderungen auf ProWalkTours. Die einfachste Möglichkeit, persönlich eine Strecke nachzuverfolgen, ist natürlich Google Street View. Interessant auch das darauf basierende Projekt „The Secret Door“: Jedes Öffnen der am Bildschirm dargestellten Holztür führt willkürlich an einen anderen Ort der Welt – sei es ein Einkaufszentrum, ein Meeresstrand oder man landet mitten in einem Affenkäfig, wo man sich per Mausklick auch bewegen kann. Etwas persönlicher geht es mit den zahlreichen Terminen auf Facebook für virtuelle Städtereisen und Besichtigungen von Sehenswürdigkeiten zu.
Dokumentarfilme
Für wissenschaftliche Betrachtungen führt eine kurze Internetsuche zu Links auf unterschiedliche Dokumentarfilmseiten wie curiositystream.com (the Netflix of Nonfiction) oder deren kostenfreie Pendants wie videoneat.com und documentaryaddict.com, die eine Vielzahl Dokumentarfilme zu den unterschiedlichsten Bereichen bieten, von der Umweltverschmutzung der Ozeane und den Schönheiten Tasmaniens über Napoleons Siege und den Börsensturz der 1920er Jahre, bis hin zur Entzifferung der Saturnringe; Zeit- und Informationsreisen sozusagen.
Virtuelle Museen und Burgen
Ob man nun die Sammlungen des Louvre in Paris betrachten möchte, die Werke Van Goghs im Amsterdamer Museum oder die von Picasso in Barcelona, einer der 14 virtuellen Touren durch das Rijksmuseum in Amsterdam folgen oder in die Naturhistorischen Funde des Smithsonian Museums in Washington D.C., die Vatikanmuseen oder die Kunst der Renaissance in den Uffizi Galerien in Florenz, die Nationale Kunstgalerie in Melborne, die über 225.000 Werke im Wiener Albertina Kunstmuseum oder aber das Museum der zerbrochenen Beziehungen in Zagreb hineinschnuppern – alle sind per Internetsuche und Mausklick rund um die Uhr geöffnet.
Ebenfalls online können zahlreiche historische Denkmäler erforscht werden. Die Webseite 3dmekanlar.com bietet von der Türkei über Ägypten bis nach Deutschland 3D-Einsichten zahlreicher Burgen.
Empfehlenswert ist auch die Google-Plattform artsandculture sowie die Rumänienbezogene cimec.ro mit ihren vielseitigen Sammlungen an Links zu unterschiedlichen Sehenswürdigkeiten und Führungen.
Natur
Artsandculture.withgoogle.com oder invirovr.com sind die richtigen Orte für Naturliebhaber, die in hoher Auflösung die wunderschönen Nationalparks Nordamerikas erforschen wollen. Hinzu kommen mittlerweile neue Regionen wie der Grand Canyon in den USA, die Nordlichter des Projekts Lights over Lapland, die Sanddünen Namibias oder Chinas Große Mauer. AirPiano ist diesbezüglich einer der weitläufigsten Anbieter im Netz.
Sanctuaries Live bietet interessante Aussichten der Unterwasserwelt, wobei Sanparks.org wunderschöne Live-Bilder der Südafrikanischen Wildnis darstellt. Und auf DiscoveryEducation.com können die Kleinen virtuelle Ausflüge in die Wildnis mit Elefanten und Zebras erleben.
Technik und Weltall
Auch für Technikfans bietet eine Internetsuche zahlreiche virtuelle Reisemöglichkeiten: vom Computermuseum in Boston, dem Technoseum in Mannheim über das breite wissenschaftliche Angebot der Oxford Universität bis hin zu einer virtuellen Tour des Mercedes Benz Museums in einer G-Klasse oder einem Einblick in die M&M-Schokodrops Produktion in New Jersey, USA.
Das Weltall und die Raumfahrt kann man am besten bei der NASA virtuell erfahren, inklusive einer Rekonstruktion der Marsoberfläche. Dort gibt es auch einen Kidsclub, wo die Kleinen erfahren, wie es auf der Internationalen Raumstation derzeit zugeht und was Raumfahrt bedeutet.
Wer Astronauten bei der Arbeit sehen oder die Milchstraße erforschen möchte, ist bei den Online-Touren des National Air and Space Museums genau richtig. Sogar Star Wars Fans können dort ihre Idole wiederfinden.
Das Planetarium-Projekt Stellarium bietet die Möglichkeit, Sterne und Himmelskörper am Bildschirm zu erforschen.
Und im Münchner Deutschen Museum kann man über einen interaktiven Audio-Rundgang spannende Details über Schiff-, Luft- und Raumfahrt, über die Theorien von Kopernikus, Galilei oder Kepler sowie über viele andere Bereiche erfahren.
Vergnügungsparks
Obwohl am Bildschirm natürlich der Adrenalinkick fehlt, sind mittlerweile themenorientierte Achterbahnfahrten zu Harry Potter oder „Pirates of the Carribean“, aber auch ein Spaziergang durch Legoland oder eine Disneyland-Tour ganz leicht online zugänglich.
Selbst die Abfahrt des Weihnachtsmanns aus dem Norwegischen Lapland ließ sich online mit Countdown auf santaslapland.com miterleben.
Wer wissen möchte, wie es bei Dreharbeiten zugeht, kann bei den Universal Studios sämtliche Details erfahren. Sogar ein virtueller Hogwards Escape Room steht bereit.
Konzerte, Theater, Sport
Für Liebhaber des Balletts oder des Theaters ist es längst normal, ein Online-Ticket zu kaufen, sei es bei einem lokalen Konzert, im Moskauer Bolschoi, in der Oper in Sydney oder im Bukarester Nationaltheater. Wie beim Wiener Neujahrskonzert bieten zahlreiche Organisatoren auch bei Sportveranstaltungen die Möglichkeit, online mit Applaus dabei zu sein. Sogar die Olympiade in Tokio könnte dieses Jahr so ähnlich laufen.
Personalisierte Erlebnisse
Oftmals wünscht man sich aber mehr als nur passive Darstellung und ist bereit, einen kleinen Betrag für ein personalisiertes Erlebnis zu bezahlen. Hier kommen Internetportale wie GetYourGuide.com zu Hilfe, bei denen Reiseleiter mit Webcams ihre Dienste für eine Onlineführung in der Sixtinischen Kapelle oder zum Erforschen der Geister in den Londoner Katakomben anbieten. Oder man lernt, echte italienische Pasta während einer Online-Kochstunde mit einem Küchenchef in Südamerika zuzubereiten. Ähnliche Angebote einer direkten Involvierung bieten auch AirBnb oder Amazon Explore, letztere Plattform leider nur für den nord-amerikanischen Kontinent.
Virtuelle und erweiterte Realität
Einen immer stärker werdenden Trend kann man im Bereich der virtuellen und erweiterten Realität (VR) bemerken. Sei es mit einer 5-Euro-Kartonbrille für das eigene Handy oder einer vollen VR-Ausstattung von Oculus mit Brille und Lautsprechern, bieten diese Systeme die Illusion des Dabeiseins, ähnlich wie in einem Videospiel. Mit National Geographic kann man beispielsweise per VR die Gletscher betrachten. Ecosphere hat sich auf VR-Naturreisen spezialisiert und der renommierte Fotograf Ron Edwards bietet den VR-Nutzern in seinem Redneck Road Trip eine echte Reise durch die USA, ganz so als ob man dabei wäre.