Vom Hirtendorf zum Touristenmagnet

Colibița, das Meer in den Bergen

Fotos: die Verfasserin

Von oben gesehen schauen alle Häuser wie winzige bunte Kartonschachteln aus, die auf grünen Hügeln verstreut sind. In der Mitte der Hügel liegt ein türkisfarbener See, umringt von hohen Tannen. An dieser Aussicht kann man sich nicht satt sehen. „Das Meer in den Bergen“ – so wurde Colibița in den Medien genannt. Und tatsächlich ist die Ortschaft mit der reinsten Luft Rumäniens, die auf 830 Meter Höhe liegt, seit ein Paar Jahren ein beliebtes Urlaubsziel und eine gute Alternative zu einem Schwarzmeerküstenaufenthalt. Die besten Pensionen sind schon Monate früher komplett ausgebucht. Und trotzdem scheint der ehemalige Kurort nie mit Touristen überfüllt zu sein. Das liegt vielleicht daran, dass die Pensionen weit entfernt voneinander liegen. Nicht nur der hohe Ozongehalt der Luft und die märchenhafte Schönheit des Sees ziehen die Touristen wie ein Magnet an. Es sind auch die vielen Möglichkeiten der Freizeitgestaltung, die sich hier bieten: ein Picknick neben dem See, eine Wanderung in den Bergen, ein paar Stunden im Abenteuerpark, Bootfahren, Mountainbiken, Segeln, Fischen – man langweilt sich auf keinen Fall. 

Legenden von Kirchtürmern unter Wasser und riesengroßen Fischen  

Die Inhaber der Pensionen und Hütten am Rande des Sees oder auf den vielen Hügeln, die diese umringen, sind besonders gastfreundlich und offen. Touristen werden immer mit einem Glas scharfer Palinka begrüßt, sie werden bezüglich ihrer Freizeitgestaltung beraten und mit dem Geländewagen abgeholt, falls sie der Regen auf einer Wanderung überrascht hat. Sie sind stolz auf ihr kleines Paradies mitten in den Bergen und wünschen sich, dass alle, die jemals hier waren, auf jeden Fall zurückkehren wollen. 

Der Ortsname Colibița ist ein Diminutiv von „colibă“ (deutsch: Hütte). In diesen temporären Wohnungen lebten Hirten, die das wunderschöne Tal am Fuße des Călimani-Gebirges in ein Dorf verwandelt haben. 1850 hatte das Dorf 14 Einwohner. 

Schon im 19. Jahrhundert wurden die heilenden Effekte der Luft entdeckt und langsam verwandelte sich die kleine Ortschaft in einen bekannten Kurort. „Ein wunderbarer Ort, um die Lungenprobleme zu kurieren. Hier hat die Luft einen hohen Ozon-Gehalt und riecht nach Tannen“, schrieben die begeisterten Journalisten der Publikation  „Frăția Românească” im Jahr 1927. 

Ende der 70er Jahre wurde der Beschluss gefasst, das Dorf zu fluten, um Platz für den Stausee mit fünf Kilometern Länge zu schaffen. Das neue Dorf wurde auf die Hügel versetzt, die die Gegend umringen. Nach der Flutung nahm die Touristenzahl sehr stark ab. Ende der 80er Jahre geriet das Dorf in Vergessenheit. Drei Jahrzehte später blüht hier wieder der Tourismus. Leute aus nah und fern reisen an, um sich von der Schönheit des türkisfarbenen Sees verzaubern zu lassen. 

Obwohl bei der Flutung des Dorfes alle Gebäude zerstört wurden, schwören manche Dorfbewohner, dass sich auf dem Grund des Sees noch Häuser befinden. Eine bekannte Legende kreist um die Dorfkirche. Man sagt dass an den Tagen, an denen der Wasserspiegel sinkt, das Kreuz vom Kirchturm aus dem See herausragt. Manche Dorfbewohner meinen, dass sie abends die Kirchenglocken aus dem See läuten hören. Andere Legenden besagen, dass  der See jedes Jahr Menschenopfer fordert. Oder dass es im Wasser riesengroße Fische gibt. 

Aktivurlaub und Bio-Produkte

Wenn man in Colibița eine Übernachtung sucht, hat man die Wahl zwischen Pensionen am Rand des Sees, die alle einen Ponton haben, oder einer Unterkunft auf dem Hügel an der Straße. Beide Varianten lohnen sich. Falls man direkt am See wohnt, hat man den Vorteil, dass man an warmen Sommervormittagen nach dem Frühstück direkt ins Wasser springen kann. Wer auf dem Hügel wohnt genießt mehr Ruhe und braucht wenigstens 20 Minuten bis zum See. Dafür kann man vom Balkon der Pension eine wunderschöne Aussicht auf die Gegend bewundern. 

Diejenigen, die nicht direkt am See wohnen, gehen gerne zu „Fishermans“. Das ist der größte Freizeitkomplex am See, wo auch Touristen willkommen sind, die nicht dort wohnen. Hier findet man künstliche Strände mit Sonnen- und Liegestühlen. Man kann Tretboote für 50 Lei pro Stunde mieten, und eine Stunde Kayak-Fahren kostet nur 25 Lei. Auch mit einem kleinen Schiff kann man auf dem See fahren (30 Lei pro Person). Am schönsten ist es, wenn man sich für eine Bootsfahrt zwei Stunden nimmt. Dann hat man Zeit, bis zum Staudamm und zurück zu fahren und anschließend den östlichen Teil des Sees zu erkunden sowie das Dorf am Fuße der Berge zu bewundern. 

Essen gibt es im Restaurant des Komplexes zu etwas hohen Preisen. Die Fischspezialitäten schmecken gut, ansonsten sind auch die Grillprodukte zu empfehlen, die neben dem Bootsverleih angeboten werden. 

Da es in der Gegend eher eine kleine Auswahl an Restaurants gibt, ziehen die meisten Touristen es vor, in der Pension zu essen, wo sie auch übernachten. Viele Gaststätten bieten die Möglichkeit der Halb- oder Vollpension an. Überall gibt es frische Produkte, nichts stammt aus dem Großhandel – von den Eiern oder der Milch am Frühstücksbuffet bis zu den Tomaten im Salat beimAbendessen. In manchen Pensionen ist sogar das Brot selbstgemacht und man kann Tee aus Pflanzen trinken, die in der Gegend gepflückt wurden. Besonders saftig schmeckt das Schwein oder Huhn vom Grill, der gebackene Fisch mit Gemüse oder die Polenta mit Käse und geräuchertem Schinken. Das Frühstück ist meistens im Übernachtungspreis inbegriffen. 

Vom Colibița-See starten mehrere Wanderwege ins Călimani-Gebirge. Besonders schön ist der Weg bis zum „Tăul Zanelor“, einem kleinen smaragdgrünen See mitten in einem Tannenwald. Ein anderer Wanderweg führt zum Bistriciorul-Gipfel (1990 m). Wer die Gegend auf dem Fahrradsattel erkunden will, kann sich ein Mountainbike leihen. Der 7 Kilometer lange Weg bis ins Nachbardorf Bistrița Bârgăului ist perfekt fürs Fahrradfahren geeignet. Mutige Touristen, die einen Kick Adrenalin brauchen, können sich bei den Pensionen über die Möglichkeit erkunden, Rafting auf dem Bistrița-Fluss zu machen.