War man einige Jahre nicht mehr in Warschau, der Hauptstadt Polens, wird man gleich positiv von dem neuen Aspekt der über 1,7 Millionen Einwohner zählenden Stadt überrascht. Auch wird Warschau seit 1989, nach der politischen Wende, die Ost- und Mitteleuropa erfahren haben, als die größte Baustelle Europas bezeichnet. In der Innenstadt entstanden zahlreiche Hochhäuser, sodass die polnische Hauptstadt neben anderen Großstädten auf dem alten Kontinent, wie Frankfurt, Rotterdam, London oder Paris, auch zu einer der „höchsten“ Städte Europas geworden ist.
Seit 1596 ist Warschau die Hauptstadt Polens. Gelegen am Strom der Weichsel gehört sie heute zu den wichtigsten Wirtschafts-, Handels und Verkehrszentren Mitteleuropas. Sie beherbergt zahlreiche Theater, Museen, Baudenkmäler, ist ein wichtiges Universitätszentrum und zählt rund 800 Hotels, die den Tausenden Touristen zur Verfügung stehen. In unmittelbarer Nähe der Hauptstadt liegt auch eine der schönsten Sehenswürdigkeiten, nicht nur der Stadt, sondern auch Europas, das ehemalige Königsschloss Wilanow mit dem Schlossgarten, als polnisches Versailles bezeichnet, dem wir dieses Mal unseren Besuch widmen und den Spuren Chopins nachgehen.
Palast und Garten
Rund drei Jahrhunderte waren Palast und Garten in Wilanow die bekannte Königsresidenz nahe Warschau. Heute zählen diese zu den bedeutendsten Denkmälern der polnischen Kultur. In Angriff genommen wurde der Bau unter Jan III. Sobieski, der 1674 zum König gewählt worden war. Erworben hat er das Landstück am 23. April 1677. Er fand Grundmauern vor und wollte so schnell wie möglich in das neue Schloss einziehen. Zudem wollte er einen großen Garten anlegen und weitere Gebäude errichten, um auch Bedienstete anzusiedeln. Die erste Bauetappe des Schlosses wurde nach zwei Jahren abgeschlossen. Die zweite Bauetappe folgte in den Jahren 1681 bis 1682. Schließlich fand die dritte und letzte Etappe des Ausbaus in den Jahren 1684 bis 1696 statt, noch zu Lebzeiten von König Jan III. Sobieski. Der Fassade des Palastes wurde eine monumentale Gestaltung zuteil. Der aus Danzig stammende Ingenieur Adolf Boy arbeitete den Entwurf des gesamten dazugehörenden Gartens aus.
Die Innenräume des Palastes sind kennzeichnend für das 17. bis 19. Jahrhundert und beeindrucken durch ihre künstlerische Gestaltung. Die Räumlichkeiten sind bestens erhalten und Gegenstand vielfältiger Bewunderung. Hinzu kommen Möbel, zahlreiche Gemälde, Keramik- und Goldschmiedekunstwerke. Diese Sammlungen gehören zu den reichsten diesbezüglichen Beständen Polens.
Besonderes ansprechend ist die Galerie polnischer Porträts aus dem 16. bis 18. Jahrhundert. Zu sehen sind Stefan Bathory, Sigismund III., Wladislaw IV., zahlreiche Fürsten und Adlige. Die Zimmer, die vom Baumeister des Palastes Augustin Locci und zugleich Hofsekretär des Königs Jan III. gestaltet wurden, können besichtigt werden. Die Einrichtung dieser Räume besteht vor allem aus italienischen Renaissance- und Barockmöbeln.
Das Repräsentationsvorzimmer der Königin wird an der Decke durch eine Allegorie des Herbstes geschmückt. Ebenfalls sehenswert ist das bemalte Kabinett der Königin. Beeindruckend sind die Ausstattungen des Schlafzimmers des Königs, seiner Bibliothek, der Palastkapelle, des großen Tafelsaals, wie auch die riesige Gartenanlage mit den unterschiedlichsten Baumsorten, den Blumenbeeten und Seen.
Das Geburtshaus Chopins in Zelazowa Wola
Nur 54 Kilometer von der Hauptstadt Warschau entfernt befindet sich das Geburtshaus Chopins und der dazugehörige Park. Besucht werden können diese täglich. Fremdenführer und Audio-Kassetten stehen zur Verfügung. Konzerte finden in den Monaten Mai bis Oktober an Sonntagen statt. Die Planung der Konzerte kann man auf der Internetseite der Chopin-Gesellschaft mit Sitz in Warschau einsehen. Von Warschau aus kann man mit Bussen des öffentlichen Personentransports zum Gedenkhaus gelangen. Mit dem eigenen Wagen fährt man aus der Hauptstadt in Richtung Poznan. Zur gleichen Zeit finden auch in Warschau am Denkmal Chopins im Lazienki-Park Konzerte statt.
Frederic Chopin wurde in Zelazowa Wola am 22. Februar oder 1. März 1810 geboren. Sein Vater war französischer Abstammung und war 1802 in diese Ortschaft als Hauslehrer und Erzieher der Kinder der Adelsfamilie Skarbek gekommen. Sie bezogen das Hinterhaus. Frederic sollte nur wenige Monate seines Lebens dort verbringen, da die Familie im Herbst seines Geburtsjahres nach Warschau übersiedelte. Doch kamen sie immer wieder zu Besuch zurück. Zum letzten Mal weilte Chopin dort im August 1830, nur wenige Monate bevor er das Land für immer verlassen sollte. Am 17. Oktober 1849 verstarb er in Paris.
Am 14. Oktober 1894 wurde vor dem Geburtshaus Frederic Chopins, das sich in schlechtem baulichen Zustand befand, ein Obelisk eingeweiht. 1926 wurde die Gesellschaft der Freunde des Chopin-Hauses, die sich später als Chopin-Komitee gestaltete, gegründet. Diese kaufte das Hinterhaus und einige Hektar Land, renovierte das Gebäude und richtete einen weitläufigen Park ein. Das Geburtshaus Chopins wurde in ein Museum verwandelt. Im Hausflur sind Bilder des ehemaligen Guts ausgestellt. Die Decke des Kaminzimmers zieren ornamentale Malereien. Der Musiksalon ist mit vergoldeten Möbeln ausgestattet. An einer Wand hängt eine Kopie des Chopin-Porträts, von dem französischen Maler Eugene Delacroix gemalt. Dieser Raum dient den sommerlichen Konzerten, die von polnischen oder ausländischen Pianisten geboten werden. Desgleichen stehen den Besuchern das Speisezimmer, das Kinderzimmer wie das des Vaters und der Mutter offen.
Sein Herz blieb in Warschau
Das erste öffentliche Konzert des talentierten, nur achtjährigen Chopin fand am 24. Februar 1818 im Radziwill-Palais neben der Karmelitenkirche in Warschau statt. Der junge Frederic erhielt Hausunterricht von seinem Vater. Er wurde dann in die vierte Klasse am Warschauer Lyzeum eingeschrieben, das er bis 1826 besuchte. Im gleichen Jahr wurde er an der Musikhauptschule eingeschrieben. Als er diese nach drei Jahren beendete, hatte der Rektor Josef Eisner folgende Einschätzung im Diplom vermerkt: „Chopin Friderik. Aussergewöhnliche Begabung, ein musikalisches Genie“. Ein Jahr davor hatte der fünfzehnjährige Chopin in der evangelischen Kirche ein Klavierkonzert gegeben, an dem sich auch Zar Alexander I. beteiligte und seine Begeisterung ausdrückte. Vor seiner Abreise aus Polen nach Frankreich spielte Chopin einige seiner Werke im Nationaltheater, das 1779 entstanden war. Hier wurden auch seine beiden berühmten Klavierkonzerte in f-Moll und e-Moll am 17. und 22. März bzw. am 12. Oktober 1830 aufgeführt.
Hundert Jahre nachdem Chopin Polen verlassen hatte, wurde 1930 an seinem ehemaligen Wohnhaus in Warschau eine Gedenktafel mit folgenden Text enthüllt: „In diesem Haus wohnte und schuf Fryderyk Chopin, bevor er Warschau 1830 für immer verließ.“ Die Chopin-Gesellschaft nahm sich nach dem Zweiten Weltkrieg auch der Renovierung dieses Wohnsitzes an.
Laut seinem letzten Wunsch, den ihm seine Schwester Ludwika erfüllte, wurde ihm nach seinem Tod das Herz entnommen, um es in Warschau zu bestatten. Nachdem sie die kirchlichen Einwilligungen erhalten hatte, wurde dieses in den Katakomben der Heiligen Kreuz-Kirche beigesetzt. 30 Jahre später wurde die Urne, die das Herz des weltberühmten Komponisten und Pianisten beherbergt, hierher überführt und in den ersten Pfeiler des Hauptschiffs der Kirche eingemauert. Auf der Gedenktafel wurde eingraviert „Wo Dein Schatz, dort auch mein Herz. Für Fryderyk Chopin seine Landsleute. geb. am 22. Februar 1810 in Zelazowa Wola, gest. am 17. Oktober 1849 in Paris“. Das Herz befindet sich bis heute dort.
Schließlich sollte man auch bei dem Denkmal Chopins im Lazienki-Park ein wenig verweilen, das 1926 enthüllt, am 31. Mai 1940 von den Nazis gestürzt, und nach 18 Jahren, am 11. Mai 1958, wieder an seinem ursprünglichen Standort aufgestellt und enthüllt wurde. In den Sommermonaten finden dort Konzerte mit Werken des Komponisten statt.