Oben auf einem Hügel, am Ende der Welt, öffnet man den Reißverschluss des Zeltes und sieht die Sonne aus dem Meer herauskommen. Der Himmel färbt sich rot und außer den Möwen und dem Aufschlagen der Wellen hört man nichts anderes. Man sieht Fischer und Leute, die im Schlafsack auf dem Sand liegen. Es ist sechs Uhr morgens in Corbu, einem der schönsten Strände an der rumänischen Schwarzmeerküste. Nur 248 Kilometer und knapp zweieinhalb Fahrstunden von Bukarest entfernt liegt der idyllische Strand, wo außer feinem Sand, Tausenden von perlweißen Muscheln, Meer und Himmel fast nichts anderes zu sehen ist. Optimal für Ruhesuchende, die keine lauten Bars, Sonnenschirme und Liegestühle brauchen, um sich am Strand wohlzufühlen. Dasselbe Strandparadies findet man auch im zehn Kilometer weiter liegenden Vadu.
Nur 30 Kilometer von Constanţa und zehn von Năvodari, hinter den Dünen des hier beginnenden Biosphären-Reservats Donaudelta, liegen die beiden wilden Strände, die längst kein Geheimtipp mehr sind. In den letzten Jahren sind viele in-und ausländische Touristen durch Zeitungsberichte neugierig geworden. Bukarester verbringen ihre Wochenenden hier. Aber es gibt auch Touristen, die den ganzen Sommer über bleiben. Am Rande der Strände, die sich kilometerlang gegen den Norden erstrecken, entsteht jeden Sommer eine kleine Stadt aus Zelten und Wohnwägen. Gegen Ende Mai taucht sie auf und verschwindet plötzlich gegen Anfang Oktober.
Mit dem Auto durch den Sand
Der Weg zu den beiden Stränden ist relativ einfach. Man nimmt den Zug bis nach Konstanza/Constanţa und fährt von dort mit einem Bus durch Mamaia bis nach Năvodari. Die Busse fahren alle 15 Minuten vom Bahnhof ab. Obwohl die Strecke nur zehn Kilometer lang ist, dauert die Fahrt mehr als eine Stunde. Von Năvodari aus gibt es Busse, die bis ins Dorf Corbu fahren. Von hier aus kann man dann per Anhalter zum vier Kilometer entfernten Strand fahren.
Mit dem Auto ist es einfacher: man muss auf der Autostraße A2 in Ovidiu nach Năvodari abbiegen und in Richtung Tulcea fahren. Man fährt am Kombinat Midia vorbei und gleich nach dem Plakat, das das Biosphären-Reservat Donaudelta ankündigt, ist man im Dorf Corbu. Für den Weg zum Strand muss man nach rechts abbiegen. Falls man nach Vadu will, muss man von Corbu aus weiter fahren. Vom Dorf aus sind es 20 Minuten auf einem Weg, auf dem man sich leicht verfahren kann. Wer auf der Suche nach dem absoluten Traumstrand ist, muss ein paar Kilometer Fahrt auf schlechten Wegen in Kauf nehmen und hoffen, dass das Auto nicht im Sand stecken bleibt.
Übernachtungsmöglichkeiten und Essen
Wer nicht im Wohnwagen oder im Zelt wohnen will, hat etwas teurere Übernachtungsmöglichkeiten. Auf dem Strand in Corbu gibt es eine einzige Pension. Hier werden Touristen in Bungalows oder Fischerhütten untergebracht. Ein Zimmer kostet in der Hochsaison zwischen 40 und 50 Euro pro Nacht. Man kann auch in Villen oder Pensionen im Dorf übernachten. Ein Doppelzimmer kostet zwischen 80 und 180 Lei pro Nacht. Auch schön ist es neben dem See Corbu. Dort findet man Vierbettzimmer ab 270 Lei. Wenn man im Zelt wohnt, muss man im etwa 20 Minuten weit gelegenen Fischerlokal „Cherhana“ mit kaltem Wasser duschen. Auch WCs gibt es keine auf dem Strand.
Für Proviant muss man selber sorgen. Man kann entweder im Supermarkt in Năvodari für mehrere Tage einkaufen, oder im Dorf. Seit Kurzem gibt es einen Lebensmittelladen, nur fünf Gehminuten vom Strand. Hier findet man Konserven, frisches Brot, Wasser und Süßigkeiten. In der Nähe des Strandes befindet sich ein Fischerlokal wo man Fischsuppe ab 12 Lei, aber auch Spezialitäten wie mit Meeresfrüchten gefüllte Paprika oder geräucherten Fischsalat probieren kann. Auch im Dorf Corbu gibt es Möglichkeiten, eine leckere Mahlzeit zu bekommen. Ein kleines Restaurant auf der Hauptstraße bietet gute Fischsuppe für zehn Lei, Pizza und Pfannkuchen. In Vadu kann man in einem kleinen Lebensmittelladen einkaufen, sonst gibt es auch hier ein kleines Fischerlokal, allerdings mit hohen Preisen.
Ein Urlaub ohne Strandbars und Internet
Silbergrau. Das ist die Farbe des Meers in Corbu. Nachts wirft der Mond ein unwahrscheinlich schönes Licht auf das Wasser. Ganz in der Ferne sieht man die Lichter von Mamaia und manchmal verirrt sich ein schwebender Lampion bis in die Nähe des wilden Strandes. 400 Meter breit und 20 Kilometer lang ist der Strand, der von Corbu bis nach Vadu reicht.So weit das Auge reicht, sieht man keine einzige Strandbar, kein Geschäft, keine Liegestühle und Sonnenschirme und kein Hotel. Ohne Zeitungskiosk und W-Lan ist man total abgeschieden von der Welt. Wenn man in Corbu Lust hat, nach dem Schwimmen einen Kaffee zu genießen, muss man zum einzigen Kiosk in der Nähe des Strandes. Ein Plastikbecher kostet 5 Lei. Das Problem ist, dass man nicht weiß, wo man ihn nachher wegwerfen soll. Es gibt weit und breit keine Mülltonnen. Touristen sind gebeten, ihren Müll zu sammeln und mitzunehmen. Leider tun das wenige und am Rande des Strandes liegen Bierdosen, Zigarettenstummel und Verpackungen neben wunderschönen Muscheln.
Das Meer ist an vielen Tagen glatt wie ein Spiegel. Der Strand ist kinderfreundlich, ins Wasser geht es recht flach. Ein Paradies für begeisterte Wasserratten, die nach Herzenslust schwimmen und tauchen können – es herrscht kein Gedränge im Wasser wie etwa in Mamaia oder Eforie in der Hochsaison. Das Meerwasser ist rein, algenfrei und manchmal so klar, dass man Fische und Quallen sehen kann. Obwohl man lange suchen muss, bis man Schatten findet, macht es eine angenehme Brise möglich, auch an sehr heißen Tagen bis über den Mittag hinaus am Strand zu liegen. Auch in den Nachmittagsstunden ist das Wasser richtig warm und die Wellen werden höher.
Der Abend eignet sich für einen Spaziergang am kilometerlangen Strand, Muscheln sammeln und den Sonnenuntergang sehen. Danach wird es wegen der vielen Moskitos, die vom nahegelegenen See kommen, bis gegen 23 Uhr etwas unangenehm. Man müsste unbedingt Schutzcreme oder Spray dabei haben. Ansonsten sollte man für diese Zeit ins Zelt oder in den Wohnwagen flüchten. Später in der Nacht kann man den Strand bewundern, der auch bei Mondschein sehr schön ist, und vielleicht noch ein Bad nehmen. Machmal leuchten Glühwürmchen zwischen den Wellen auf. Wer längere Zeit in Corbu verweilt, kann auch andere Strände besuchen. Man kann bis Jurilovca 60 Kilometer mit dem Auto fahren und von dort mit dem Boot nach Gura Porti]ei. Den Weg kann man auch mit dem Auto oder Fahrrad durch Periboina zurücklegen. Eine andere Variante ist, das Donaudelta zu besuchen. Bis Tulcea sind es von Corbu genau 100 Kilometer. Von dort kann man die Fähre nach Sfântu Gheorghe oder Sulina nehmen, wo es auch wunderschöne wilde Sandstrände gibt.
Dem „neuen Vama Veche“ droht das Aus
Corbu und Vadu sind eine Alternative zum inzwischen überfüllten Vama Veche an der Grenze mit Bulgarien. „Hohe Preise, laut, schmutzig und nicht mehr so, wie es früher war“– das sagen die Leute über den einst beliebten Badeort. „Corbu ist das neue Vama Veche“, meinen diejenigen, die sich frei fühlen wollen, weit weg vom stressigen Büroalltag. Leider verstehen die Touristen die Freiheit auf andere Weise. Wer abends einen Spaziergang durch die staubige Zelt-und Wohnwagenstadt unternimmt, muss oft laute Manele-Musik aus Autoradios hören und stößt alle zehn Meter auf Müll. Die Zeltbewohner scheint es nicht zu stören. Sie grillen jeden Abend am Strand, bauen Sandburgen und Sonnenuhren und genießen den Sommer. Eins ist sicher: Trotz Minuspunkten wie fehlende Toiletten, Duschen oder Mülltonnen ist es besser und vor allem ruhiger als in den von Betonklötzen und Besuchern überfüllten und lauten Badeorten wie Eforie, Mamaia oder Saturn.
Den noch idyllischen Stränden droht jedoch das Aus. Politiker und Geschäftsleute haben es schon lange auf die beiden Strände abgesehen. In Zukunft soll in Corbu und Vadu ein Luxus-Ressort wie etwa im türkischen Antalya entstehen. Es gibt schon einen Plan: 10.000 Hotelzimmer, Aqua-Parks, Clubs, Strandbars, Sportplätze, Tankstellen und Banken.Obwohl der Plan nur auf dem Papier steht, dehnt sich der Kommerz langsam nach Corbu und Vadu aus. Von Jahr zu Jahr steigt die Touristenzahl. Die beiden Strände sind längst kein Geheimtipp mehr, aber trotzdem eine gute und billige Alternative.