Bukarest - Ungefähr 14 Jahre lang haben die wichtigsten Lastwagenhersteller in Europa Kunden durch Preisabsprachen geprellt. Nicht nur die überhöhten Preise, die auf dem Lkw-Markt von 1997 bis 2011 verfälscht wurden – die Auslieferungen liefen teilweise bis 2016 weiter –, zählen zu den erlittenen Schäden der europäischen Spediteure, sondern auch die Mehrkosten bezüglich der Einhaltung strengerer Emissionsvorschriften, welche auf die Käufer, wie unter den Kartell-Mitgliedern vereinbart, abgewälzt wurden.
Juli 2016 ist das Jahre zuvor aufgeflogene Lkw-Kartell – gebildet aus den Unternehmen Daimler, Volvo/Renault, MAN, DAF, Iveco, und, wie 2017 nachgewiesen, auch Scania, obwohl es seine Verwicklung in der Affäre leugnete – von der Europäischen Kommission des Verstoßes gegen die Wettbewerbsgesetze beschuldigt und mit Geldbußen in einer Gesamthöhe von fast vier Milliarden Euro geahndet worden. Außer der Volkswagen-Tochter MAN, die in dem Wettbewerbsverfahren als Kronzeugin von einer Geldbuße verschont blieb, wurden gegen die erwähnten Lkw-Bauer Milliardenstrafen verhängt. Zwar musste Daimler die höchste Einzelstrafe von rund einer Milliarde Euro bezahlen, da der Konzern die durchschnittlich zu etwa 10.000 Euro pro Fahrzeug geschätzten Schäden bestritt. Laut der deutschen Wirtschafts- und Finanzzeitung „Handelsblatt“ betonte damals EU-Wettbewerbskommissarin Margarethe Vestager, die Brüsseler Behörde habe mit der Rekordstrafe ein Ausrufezeichen gesetzt. Doch die restlichen betroffenen Betriebe erhielten prozentuale Strafsenkungen für die Kollaboration mit der Wettbewerbskommission.
Im Anschluss an die Resolution der Europäischen Kommission wurde etappenweise in den folgenden Jahren die gemeinsame Schadenersatzklage den deutschen Land- und Bezirksgerichten in Berlin, Dortmund, Frankfurt am Main, Hannover, Stuttgart, Düsseldorf und München eingereicht. Zum Gastgeberland für das Massenverfahren wurde Deutschland, dank ihrer langjährigen Fallgeschichte und Erfahrung im Bereich Kartellschadenersatz sowie der Kläger-freundlichen Neigung der Gerichte, erwählt.
Mit dem sorgfältigen Zusammenstellen aller Nachweise wurde der internationale Dienstleister financialright claims GmbH beauftragt, der das ganze Verfahren auch finanziell fördert, beauftragt.Die rechtliche Vertretung wurde der internationalen Anwaltskanzlei Hausfeld anvertraut. Beiden deutschen, für die Sammelaktion bemächtigten Praxen ist sowohl weitreichende Erfahrung im Bereich Schadenersatzklagen in Kartellprozessen, als auch ein hohes Erfolgsniveau zuzuschreiben. Auftragsgeber dabei sind deutschlandweit die im Bundesverband der Güterverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) organisierten Spediteure und die angemeldeten europäischen Gütertransportfirmen unter der Leitung der örtlichen entsprechenden Spediteursverbände.
Vergangene Woche haben Radu Dinescu, Generalsekretär des rumänischen Spediteursverbandes UNTTR, Dr. Alex Petrasincu, Partner der Anwaltskanzlei Hausfeld und Dr. Sven Bode, Geschäftsführer von financialright claims, auf einer Pressekonferenz in Bukarest über den aktuellen Stand der massiven Gerichtsaktion gegen die wichtigsten Lkw-Hersteller informiert. Hauptpunkte zur Ursache der Klagen und auch zum Entschädigungsverfahren wurden von den Rednern in Erinnerung gerufen und andere Fragen zur gerichtlichen Vorgehensweise wurden erläutert.
Den ersten zwei Gerichtsverfahren, und zwar der Dezember 2017 eingereichten Feststellungsklage, die April 2019 zur Leistungsklage geändert wurde, bzw. der Dezember 2018 erhobenen Leistungsklage, haben sich über 7000 geschädigte Transportunternehmen aus über 20 EU-Mitgliedstaaten angeschlossen. Einzelne Dokumentationen von mehr als 150.000 für über sechs Tonnen zulässigen Lastwagen wurden gesammelt und dem Gericht als Beleg zur Verfügung gestellt.
Was das Honorar der Anwälte für die Gerichtsaktion anbelangt, müssen die Ankläger anfangs nichts zahlen. Auch während des Gerichtsverfahrens kommen keine Kosten auf sie zu. Doch für das Ende des Massenprozesses und ausschließlich im Falle eines gerichtlichen Erfolgs wird, wie verträglich vereinbart, mit einem Anteil von 30 Prozent der Sammelentschädigung gerechnet. Diese Zahlung würde dann auf ein separates Konto eingehen und zuerst in 30-prozentiger Höhe für die Begleichung der von Hausfeld und financialright claims geforderten Erfolgsquote überwiesen und die restlichen 70 Prozent, je nach Schadenexpertise, auf die einzelnen Spediteuren verteilt.
Wegen der strengen Aufnahmebedingungen und der Klarheit halber wurden bisher nur 80 Prozent der gesamten eingereichten Klagen angenommen. Die restlichen wurden aufgrund unklarer oder sogar fehlender Lkw-Erwerbsbescheinigungen und/oder Unternehmensdokumente abgelehnt.
In Rumänien verzeichnete der Nationale Spediteursverband (UNTTR) 2017 ungefähr 1350 Firmen, die im Bereich Güterverkehr, Logistik und Entsorgung tätig waren. Daraus verfügten damals die meisten über einen Fuhrpark von zehn bis 49 Schwertransportfahrzeugen mit einer Nutzlast von Minimum sechs Tonnen, während etwa 150 Beförderungsfirmen bis 99 Lastwagen besaßen und nur 100 Unternehmen mit einer Anzahl von über 100 Lkws arbeiteten. Trotz erwähnter Zahlen wurden hierzulande Entschädigungsansprüche nur für 10.000 Kraftwagen erhoben und daraus wurden 8000 von den deutschen Anwälten akzeptiert.
Laut Angaben des UNTTR hätten rumänische Spediteure Anrecht auf insgesamt fast 520 Millionen Euro Schadenersatz für etwa 52.000 Lastautos, jedoch haben sich letztes Jahr wegen nicht ausreichender Firmen- oder Fahrzeugdokumente nur wenige Kläger der zweiten Gerichtsaktion in diesem Fall angeschlossen. Radu Dinescu stellte bei der Pressemitteilung klar, dass UNTTR alle Ankündigungsmöglichkeiten genutzt habe, um so viele Spediteure wie möglich über ihre Rechte aufzuklären. Somit kann die geringe Beteiligung am Prozess nach der ersten letztjährigen Pressekonferenz, mit der Anteilnahme des UNTTR, des Präsidenten der Wettbewerbsbehörde Bogdan Chiri]oiu und der Vertreter von Hausfeld und financialright claims, nach weiteren fast 20 örtlichen Treffen mit den Spediteuren, einzelnen Besuchen bei den wichtigsten Logistikfirmen und Online-Mitteilungen durch spezialisierte Internetseiten, Tagesblätter, Social Media und Youtube nicht auf Informationsmangel zurückgeführt werden. Zur Erleichterung der Einschreibung wurde sogar eine Webseite für Klagen, nämlich www.cartelcamion.ro, eingerichtet. Und trotzdem verzichten wichtige Unternehmen auf ihr Ersatzrecht, wie die Rumänische Post, welche Schadengeld in Höhe von 800.000 Euro fordern könnte und behauptet, wegen schwierigen Verfahren für die Gerichtsaktion ihr Recht aufgeben zu müssen.
Interessenten haben noch die Chance bis zum 31. Juli 2019 das Klage-Formular bei cartelcamion.ro auszufüllen und abzuschicken, um sich an dem dritten Massenverfahren zu beteiligen. Die nötigen Bescheinigungen sollen dem Dienstleister financialright claims im August zum Überprüfen und Sammeln zur Verfügung gestellt werden, sodass die dritte gemeinsame Gerichtsaktion der europäischen Spediteure gegen das genannte Lkw-Kartell den deutschen Gerichten im Dezember 2019 eingereicht werden kann. 40.000 Lkws wurden in diesem Sinne schon registriert.
Gültig sind Entschädigungsansprüche nur für neue, für über sechs Tonnen zulässige Lastkraftwagen, die zwischen dem 1. April 2004 und 31. Dezember 2016 direkt oder mittels Ratenkauf von den Herstellern Daimler, Volvo/Renault, MAN, DAF, Iveco oder Scania erworben wurden. Es werden keine Klagen für Mietautos und alte Fahrzeuge akzeptiert. Angenommen werden Klagen nur aus Rumänien, Deutschland, Österreich, Polen, Lettland, Litauen, Estland, Ungarn, Italien, der Tschechischen Republik und der Slowakei.
Die Prozesse gegen das europäische Lkw-Kartell sind im Moment anhängig und die Urteile der deutschen Gerichte lassen noch auf sich warten. Außerdem sei bei manchen Gerichten über den Wert des Schadenersatzes in einem gesonderten Verfahren zu verhandeln. Andere bestimmen auch die Höhe der Entschädigung in einer zweiteiligen Gerichtsaktion.