Die gegenseitige Anerkennung im Bereich der gerichtlichen Zusammenarbeit in Zivilsachen ist eines der Grundprinzipien, auf denen die EU aufgebaut ist. Auf Unionsebene wurde mittels der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 (nachfolgend „VO“) für bestimmte Rechtsgebiete ein europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen (nachfolgend „EU-Vollstreckungstitel“) eingeführt.
Der EU-Vollstreckungstitel ermöglicht die internationale Vollstreckung innerhalb der Europäischen Union. Der wesentliche praktische Vorteil, der sich hieraus ergibt, ist der Wegfall von vorherigen Zwischenanerkennungsverfahren in den Mitgliedstaaten, in denen die Vollstreckung stattfindet.
Bedeutung und Anwendungsbereich der VO
Der EU-Vollstreckungstitel stellt eine gerichtliche Bescheinigung dar, wodurch ein Gerichtsurteil, ein gerichtlicher Vergleich oder eine öffentliche Urkunde (rum: act autentic) über unbestrittene Forderungen unter Einhaltung bestimmter Mindeststandards als EU-Vollstreckungstitel bestätigt wird und die Vollstreckung innerhalb der EU ermöglicht. Hierfür verfügen Gerichte über einheitliche Formblätter.
Gemäß Art. 2 der VO ist diese in Zivil- und Handelssachen anwendbar. Allerdings werden einige Bereiche, wie z. B. steuer-, zoll- oder verwaltungsrechtliche Angelegenheiten, sowie Rechtsgebiete wie Personenstand, Handlungsfähigkeit natürlicher Personen, Testamente, Erbfälle oder Konkursverfahren von der VO nicht erfasst.
Grundvoraussetzung – unbestrittene Forderung
Das als EU-Vollstreckungstitel zu bescheinigende Dokument muss sich auf eine unbestrittene Geldforderung in Zivil- oder Handelssachen beziehen. Laut VO gilt die Forderung als unbestritten, wenn der Schuldner:
- ihr nachweislich durch Anerkenntnis oder gerichtlichen Vergleich zugestimmt hat;
- ihr gemäß der Verfahrensordnung des Ursprungsmitgliedstaats im Rahmen des Gerichtsverfahrens nicht widersprochen hat;
- ihr im gerichtlichen Verfahren widersprochen hatte, zu einer Gerichtsverhandlung über die Forderung aber nicht erschienen oder dabei nicht vertreten worden ist, sofern ein solches Verhalten nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats als stillschweigendes Zugeständnis der Forderung oder des vom Gläubiger behaupteten Sachverhalts anzusehen ist;
- diese ausdrücklich in einer öffentlichen Urkunde anerkannt hat.
Alternative
Das oben beschriebene Verfahren zur Bestätigung von Gerichtsurteilen, gerichtlichen Vergleichen oder Urkunden als EU-Vollstreckungstitel kann keine Anwendung finden, wenn die Forderung, die durchgesetzt werden soll, nicht unbestritten ist.
In diesem Fall kann ein Gläubiger zur Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat ein Verfahren aufgrund der Verordnung 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen durchführen. Auch in diesem Fall bedarf die Vollstreckung in dem anderen Mitgliedstaat keines Anerkennungsverfahrens.
Zwangsvollstreckung in Rumänien
Grundsätzlich unterliegt das Vollstreckungsverfahren an sich dem Recht des Staates, in dem vollstreckt wird. Laut Art. 623 der rumänischen Zivilprozessordnung erfolgt in Rumänien die Durchsetzung von Vollstreckungstiteln, einschließlich EU-Vollstreckungstiteln, lediglich durch Gerichtsvollzieher (rum: executor judecătoresc), der die Vollstreckung bei Gericht beantragt und anschließend durchführt.
Zur Vollstreckung eines als EU-Vollstreckungstitel bescheinigten Titels müssen dem rumänischen Gerichtsvollzieher folgende Unterlagen vorgelegt werden:
- Ausfertigungen des Vollstreckungstitels sowie der Bescheinigung zur Bestätigung als EU-Vollstreckungstitel, unter Beachtung der notwendigen Voraussetzungen für ihre Beweiskraft (ggf. apostilliert);
- beglaubigte Übersetzung ins Rumänische.
Fazit
Die oben dargestellten Regelungen sowie verfahrensrechtliche Beschleunigungsmaßnahmen haben auf EU-Ebene erhebliche praktische Vorteile mit sich gebracht. Erwähnenswert ist, dass der EU-Vollstreckungstitel in der Fachliteratur als „Europäischer Justizpass“ bezeichnet wurde.
In Rumänien ist die Zwangsvollstreckung auch aus EU-Vollstreckungstiteln rechtlich und in der Praxis anerkannt und grundsätzlich problemlos durchführbar, wenn die Voraussetzungen erfüllt werden. Das Verfahren führt der Gerichtsvollzieher durch, bei Fällen mit Auslandsbezug ist die Begleitung der Vollstreckung durch eine Anwaltskanzlei mit Erfahrung im Rechtsverkehr mit dem Ursprungsmitgliedstaat empfehlenswert.
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