Das menschliche Gehirn steckt hinter einer Glaswand. Es ist rosa und wellig. Auf der einen Hälfte hat es einen schwarzen Fleck: getrocknetes Blut. Mit Begeisterung betrachten es die Medizinstudenten, die sich gerade die Exponate der Ausstellung „Our Body“ in der Theresienbastei des Banater Museums in Temeswar/Timişoara anschauen. „Hirnschlag“ steht auf der kleinen Tafel nebenan. „Daran ist der Mensch gestorben, dessen Hirn hier ausgestellt ist“, sagt Heidi Pinchal, Marketingleiterin der Ausstellung „Our Body: The Universe Within“ (auf Deutsch: Unser Körper: Das innere Universum). Und damit übertreibt sie keineswegs, denn die Organe und Körper, die in der Theresienbastei zu sehen sind, sind nicht etwa aus Plastik, sondern stammen von „plastinierten“ Verstorbenen – die Technik zur Leichenkonservierung, die der deutsche Anatom Gunther von Hagens in den 1970ern erfunden hat.
Eine kontrovers diskutierte Ausstellung, die jede Menge Ethik-Fragen aufwirft, jedoch einen unumstritten hohen bildenden Wert hat. Denn Besucher der Ausstellung können in der Theresienbastei Anatomie hautnah erleben, wie es ihnen kaum woanders gestattet sein wird. Selbst Medizinstudenten kommen hier auf ihre Kosten, denn sie können sich auch erkrankte Organe angucken; Geschwüre, Gebärmutterkrebs und Hirnschlag sind nur ein paar Beispiele dafür. Die Ausstellung führt den Besucher durch die verschiedenen Systeme und Apparate des menschlichen Organismus. Er erfährt dabei, wie zum Beispiel Muskel- oder Nervensystem aufgebaut sind bzw. wie Atmungs- oder Verdauungsapparat funktionieren. Nicht nur einzelne Organe, sondern auch Ganzkörperexponate sind zu sehen. „Sie können den Diskuswerfer betrachten und dabei beobachten, wie Muskeln und Knochen eingesetzt werden, damit der Mensch eine gewisse Bewegung verrichten kann“, sagt Heidi Pinchal. Und hebt hervor: „Wir setzen nicht auf das Spektakuläre, wie bei anderen Ausstellungen dieser Art der Fall, sondern ausschließlich auf den bildenden Wert. Wir können Tausende Menschen auf diese Art ausbilden“.
Bildung vorangestellt
Dass das Spektakuläre etwas in den Hintergrund rückt, ist offensichtlich. Vor allem Leute, die sich davor Gunther von Hagens´ „Körperwelten“ angeschaut haben, könnten glatt behaupten, dass an der Expo „Our Body“ nichts Spektakuläres dabei ist, dass sich ein Ausstellungsbesuch „nicht lohnen würde“. Leichen in außergewöhnlichen und sogar skandalösen Posen, wie etwa beim Geschlechtsverkehr, können in der Theresienbastei nicht gesehen werden. Es sind lediglich aufgestellte Menschenkörper, an denen man die Knochen, Muskeln und einige Organe studieren kann. Eine Anatomie-Stunde der etwas anderen Art. „Außen sind wir schwarz, weiß, gelb – doch innen sind wir alle gleich, nämlich rosa“, sagt Heidi Pinchal. Eine Bemerkung, die schon ein bisschen zum Nachdenken anregt.
Mag sein, dass ein Raucher, der sich in der Ausstellung die dunkelgraue, kranke Lunge angeschaut hat, seine nächste Zigarette mit einer gewissen Zurückhaltung anzünden wird. Denn: Es kann empfindlichen Menschen schon etwas mulmig zumute sein, wenn sie daran denken, dass die Organe und Körper tatsächlich von echten Menschen stammen. Und gerade das ist es, was die Expo so kontrovers macht. Wie normal ist es, dass man Menschen nach ihrem Tod öffentlich ausstellt? Verletzt das nicht etwa den Respekt vor den Toten, der das rumänische Volk prägen sollte?
Der Tod: Angst und Anziehung
Die Timişoara-Gesellschaft setzte diesbezüglich ein Alarmsignal. „Jenseits des erzieherischen Vorwandes, den die Veranstalter benutzen, wird durch die Ausstellung der Körper von Verstorbenen Geld gewonnen“, heißt es seitens der Timişoara-Gesellschaft. Umso kontroverser ist es, dass die Leichen aus China stammen - von dortigen Medizinfakultäten, Forschungszentren und Laboratorien, die diese der Stiftung für Anatomische Wissenschaften und Technologien (Anatomical Sciences and Technology) in Hong Kong zur Verfügung stellten. Die Stiftung lieh sie an die Veranstalter der Universal Exhibition Group Inc. aus, die sie nun in der ganzen Welt zeigt. Einige Menschenrechtsorganisationen und die Vertreter der wichtigsten Kirchen hatten die Ausstellung in den Vorjahren kritisiert – wobei nicht nur der „würdelose Umgang mit Leichen“ angeführt, sondern auch die Frage nach der Herkunft der Körper diskutiert wurde.
„Die Körper stammen aus China, einem totalitären Land, das unter kommunistischer Herrschaft steht – ein Regime, das die Menschenrechte verletzt, sodass auf internationaler Ebene bereits die Frage aufkam, ob denn die ausgestellten Körper nicht von Dissidenten stammen, die in den chinesischen Gefängnissen hingerichtet worden sind“, so die Vertreter der Timi{oara-Gesellschaft. Die Veranstalter betonten öffentlich, dass sie von den Menschen, deren Körper die Ausstellung bilden, das schriftliche Einverständnis eingeholt hatten. Auch soll der Art und Weise, wie diese Menschen gestorben sind, nachgegangen worden sein. Die Papiere dürfen jedoch - aus Datenschutzgründen - nicht an die Öffentlichkeit gelangen, so Heidi Pinchal. Die Ausstellung wurde 2009 per Gerichtsbeschluss in Frankreich verboten.
Der Mensch hat furchtbare Angst vor dem Tod. Dass er sich aber gleichzeitig davon angezogen fühlt, das zeigten nun die Besucherzahlen am Tag der Ausstellungseröffnung. Rund 400 Leute betraten die Räumlichkeiten der Theresienbastei, um sich „Our Body“ anzuschauen. Die Feedback-Zettelchen zum Schluss des Rundgangs beweisen, dass es den meisten Besuchern gefallen hat. Viele empfinden auch eine gewisse Erleichterung nach dem Rundgang – eine Art persönlicher Tabubruch im Umgang mit dem Tod.
Die Ausstellung „Our Body“ bleibt zum 28. April täglich zwischen 10 und 22 Uhr geöffnet. Während der Woche zahlen Erwachsene 45 Lei für den Eintritt und 54 Lei am Wochenende. Für Kinder, Rentner und Studenten gibt es eine Ermäßigung.