Arbeit wird bezahlt – Almosen gibt es keine

Zwischenbilanz im Armutsbekämpfungsprojekt in Probstdorf in optimistischen Tönen

Traditionsgemäß spielte die kleine Probstdorfer Kapelle nach dem Gottesdienst vor der Kirche.

Vor renoviertem Turm bezog die Snaco Dixie Jazz Band aus Hermannstadt Stellung und spielte während dem Mittagessen im Hof der Kirchenburg.

Barbara Schöfnagel (r.) und Ing. Wolfgang Hosiner (stehend) erläutern vor Manuela Gerlach, der Gattin des deutschen Generalkonsuls, Astrid Fodor, Carmen Nicula vom Hermannstädter Rathaus und dem österreichischen Konsul Andreas Huber (v.l.) die Projektumsetzung.

Im Pfarrgarten wurden verschiedene Kräuter und Blumen gepflanzt, im Gebäude hinten befindet sich die Fruchtverarbeitungsanlage.

Im renovierten Pfarrhaus befinden sich Büros und werden Gäste empfangen, im Garten befinden sich Blumen- und Kräuterbeete. Fotos: Hannelore Baier

Hermannstadt - Alicia Florea (34) kennen manche vom Oster- oder Adventsmarkt in Hermannstadt/Sibiu, wo sie am Stand der Stiftung „Austria pro Romania“ steht. Verkauft werden u.a. Produkte aus der Obst- und Gemüseverarbeitung sowie der Blumenbinderei in Probstdorf/Stejărişu. Alicia hat in der Werkstätte begonnen, in der Trockenblumen zu Gestecken verarbeitet wurden, jetzt ist sie eine „kleine Chefin“: sie steht der Obst- und Gemüseverarbeitungslinie vor. Zu Marmeladen oder Schnaps verarbeitet werden Früchte, die in der Umgebung vom Frühjahr – die Holunderblüten – bis zum Herbst – der Schleedorn – gesammelt, aber auch aus der Gegend aus Neumarkt/Tg. Mureş geliefert werden. Weil man einen fairen Preis bezahlt. Zu Zakuska oder pikantem Aufstrich aber auch Beilagen wird Gemüse zubereitet. Alicia Florea gab Barbara Schöfnagel, Sozialattachée der Botschaft Österreichs in Bukarest und Initiatorin des Armutsbekämpfungsprojektes in dem kleinen Dorf im Oberen Harbachtal/Valea Hârtibaciului am Sonntag als Beispiel dafür an, dass Roma entwicklungsfähig sind und Verantwortung übernehmen können.

Vor fünf Jahren hat das Projekt in dem Ort begonnen, von dem Astrid Fodor, Vizebürgermeisterin in Hermannstadt/Sibiu und Vorsitzende des Kreisforums sagte, sie war vor Jahren mal da, habe damals aber keinen Grund fürs Wiederkommen gefunden. In wenigen Jahren hat er sich zu einem von zahlreichen Touristen besuchten Dorf verwandelt, mit Besuchern, die meist länger bleiben als geplant. Im Rahmen eines Burgfestes wurde am Wochenende Zwischenbilanz gezogen.
Seit Donnerstag fand ein Dorffest statt, zu dem am Sonntag auch Gäste dazukamen. Sie wohnten dem ökumenischen Gottesdienst in der sanierten Kirchenburg bei, gestaltet vom evangelischen Pfarrer Reinhold Boltres und seinem orthodoxen Amtsbruder Aurel Dolea, mit Orgelbegleitung der deutschen Lieder und Gesang des orthodoxen Kirchenchors aus Agnetheln/Agnita. Nach dem traditionellen Platzkonzert der Probstdorfer Adjuvanten vor dem Kircheingang, wurden die Gäste ins Gotteshaus und danach in das renovierte Pfarrhaus geladen, um über das Projekt zu sprechen.

Europa in Probstdorf


Das Armutsbekämpfungsprojekt vorgestellt hat Barbara Schöfnagel. Auf Grund ihrer 43-jährigen Erfahrung in Rumänien wollte sie beweisen, dass die Roma-Bevölkerung nicht nur hier, sondern europaweit lernen, arbeiten und Verantwortung übernehmen kann. Einbezogen wurde sie – zusammen mit der Gesamtbevölkerung – in ein allumfassendes Projekt und dieses Konzept hat zum Gelingen des Vorhabens maßgeblich beigetragen.

Stattgefunden hat Schulförderung (u.a. in Nachmittags- und Sommerschule), Berufsausbildung – so dass Probstdorfer zwischenzeitlich in Agnetheln, aber auch Mediasch Jobs gefunden haben, insbesondere aber die Frauen im Dorf verschiedenen Lohn einbringenden Beschäftigungen nachgehen – und die Arbeitslosigkeit von rund 90 auf unter 50 Prozent gesenkt worden ist. Für die Reparatur der Häuser oder den Kauf einer Kuh vergibt Schöfnagel zinsfreie „Kredite“ an die Leute. Initiative wird belohnt. Kein Einziger hat das Darlehen nicht zurückgezahlt. Mit Prämien quittiert wird gutes Wirtschaften. Da merken sie, dass umsichtiges Haushalten lohnt.

Ein weiteres Erfolgsgeheimnis: Kleine und einfache Schritte, um die Leute mitzunehmen. Die Ateliers sind aus Spenden ausgestattet und nicht ultramodern. Ein Ziel lautet: guter Standard mit einfachsten Mitteln, so Schöfnagel. Und aufgebracht werden muss viel Verständnis. Wenn es im Nebendorf ein Begräbnis gibt und kein öffentliches Verkehrsmittel hin fährt, werden sie eben mit den Stiftungsfahrzeugen gefahren.

Die Anfangsbemühen verglich Ing. Wolfgang Hosiner, Schöfnagels Mitstreiter und Geschäftsführer der Agroplus GmbH, über welche die Wirtschaftstätigkeit in Probstdorf läuft, mit einem Kampf gegen Windmühlen. Es haben sich jedoch immer wieder beherzte Menschen gefunden, die das Unmögliche möglich machten. Ihr Ziel war, das Dorf in die EU-Wirklichkeit zu bringen und Zukunft zu bieten. Trotz manchem Rückschlag und negativer Erfahrung habe das Positive jedoch überwogen und das Ziel wurde erreicht.

Den Erfolg bestätigten die Gäste in ihren Statements: Martin Bottesch, der Vorsitzende des Siebenbürgenforums, und Andreas Huber, österreichischer Konsul und evangelischer Bezirkskirchenkurator, sprachen die Hoffnung aus, dass das Beispiel in anderen Ortschaften Schule macht, der deutsche Generalkonsul Thomas Gerlach erwähnte, dass die zahlreichen Freiwilligen und Experten, die bei der Umsetzung mitgeholfen haben, auch aus Deutschland kamen und äußerte Respekt und Bewunderung, Astrid Fodor wies auf die Nutzung des siebenbürgisch-sächsischen Kulturerbes durch die gesamte Bevölkerung des Dorfes hin, wodurch dessen Zukunft gesichert werden konnte.

Nachhaltigkeit


Probstdorf kann sich heute sehen lassen. Die Sanierung der Kirchenburg im Rahmen des aus EU-Mitteln geförderten 18-Kirchenburgen-Projektes wurde 2012 abgeschlossen. Die Renovierungen begonnen hatten allerdings in der rumänischen Schule. Das war der Grundstein gewesen für die gute Zusammenarbeit mit dem Bürgermeister. Der stellte danach das Gebäude der deutschen Schule bereit, in der die Werkstätten zunächst waren und wo sich heute modern eingerichtete Touristenunterkünfte befinden. Die Ateliers säumen nun den Pfarrhof, in dessen Garten Blumen aber auch zahlreiche Kräuter gezogen werden. Fest eingestellte Mitarbeiter hat Agroplus sieben – darunter eine Frau, die sich um die Gästezimmer kümmert, eine Büglerin, einen Schmied, der sämtliche Metallarbeiten sichert, einen Tischler für die Holzarbeiten – und zirka 40 Tagelöhner.

Unterstützen und zum Arbeiten anleiten will man die Ärmsten – und das sind Früchtesammler und Leute, die zunächst Handlangerdienste tun. Für jede Arbeit wird bezahlt – Almosen gibt es keine. „Geld und Güter gibt es nur für Arbeit“, sagt Schöfnagel. Im Dorf gibt es keine Bettler mehr. Manche Handlanger haben sich zu angesehenen Facharbeitern gemausert.

Angeboten werden Touristen Kutschfahrten, ausleihen kann man Mountainbikes. Geboten wird den Besuchern ein Rundum-Service. Das Ziel ist sanfter Tourismus und Bewahrung der Natur. Das Regenwasser wird vom Pfarrhausdach zum Beispiel in vier Riesenbehältern gesammelt und zum Wäschewaschen genutzt. Geholfen wird den Bewohnern, die Häuser und deren Fassaden zu richten. Das Dorf inmitten der Natur sieht sauber und freundlich aus.

Gehalten wurde am Sonntag Zwischenbilanz. Was der Erfolg nun fordert, ist Nachhaltigkeit. Noch etwa fünf weitere Jahre müsse das Projekt betreut werden, um diese zu sichern, so Schöfnagel. Gesucht wird jemand, der die Leitungsposition übernimmt. Und sollte es in anderen Orten ähnliche Initiativen geben, sei man gern bereit beim Aufbau zu helfen.