Sie haben Traditionen im Sinne des Banater Brauchtums fortgeführt, Gustav Mahler s Worte („Tradition ist nicht Anbetung der Asche, sondern Weitergabe des Feuers“) in Taten umgesetzt, Banater Tanz und Brauchtum in Büchern verewigt, sind in Filmen aufgetreten („Lindenfeld“, von Radu Gabrea) und dem leisen Spott „Kerweih GmbH“ konnten sie Positives abringen: Fast auf den Tag genau ist der Jugendtrachtenverein „Banater Rosmarein“ heute 25 Jahre alt. Da seit zwei Jahrzehnten Nachwuchs durch die Hänschenklein-Tanzgruppe bereit steht, vom ehemaligen Mitgleid des Vereins, Brigitte Szokob, geleitet, muss man schon angeborener Zweifler sein, um nicht – zumindest mittelfristig – an die Kontinuität des Vereins aus dem Banater Deutschen Forum zu glauben.
Begriffe wie „Banat“ und Rosmarein standen am Anfang, dazu 15 Jugendliche und einige beherzte Lehrerinnen. Reichlich Enthusiasmus und Idealismus gab es am 6. Dezember 1992, als in der Temeswarer Lenau-Schule der Grundstein für die Tanzgruppe gelegt wurde. Ein Ensemble, das innerhalb eines Vierteljahrhunderts in vielen Ländern aufgetreten ist, Feldforschung betrieben, Festivals veranstaltet und was wohl am wichtigsten ist – mehrere Generationswechsel schadlos überstanden hat. Der Bogen spannt sich vom ersten Auftritt in Bakowa Mitte Januar 1993, als die Schürzen für die Trachten eine Stunde vor Programmbeginn von der Schneiderin eintrafen, und bis heute, wo jedes Mädchen aus der Gruppe gleich fünf unterschiedliche Trachten besitzt. Die „Rosmareiner“, wie sie der Einfachheit halber genannt werden, waren Wegweiser für neue Impulse nach der großen Auswanderungswelle in den ersten 1990er Jahren. Dass man sie Kerweih-GmbH nannte, weil sie nach einem bis zu jenem Zeitpunkt unüblichem Brauch, in andere Ortschaften reisten, um den Kirchweihzug zu bilden, scheint die Leiterin des Trachtenvereins, Edith Singer, nie gestört zu haben. „Wir waren Impulsgeber für manch andere Trachtengruppe in den verschiedenen Ortschaften“ (…) Wir waren froh, als neue Gruppen gegründet wurden, die dazu beigetragen haben, unsere Identität zu bewahren“. Viele der Zuschauer kennen die Sitten der Banater Schwaben gar nicht, sagt die Tanzleiterin Andreea Lăpugean, warum der traditionelle Sinn der Aufführungen auch heute nicht verbraucht ist. Und trotzdem: „Wir wollen zwar alles, was schwäbisches Kulturgut, Lied und Tanz, anbelangt, bewahren, doch nicht unbedingt wie zu Omas Zeiten. Wir müssen uns ein wenig auch der Zeit anpassen“, so die Tanzleiterin. In die andere Richtung gehen, das möchte man jedoch auf keinen Fall. Bei den Rosmareinern ist man sich nämlich bewusst, dass heute vielerorts Show gefragt ist und dabei Tradition ins Hintertreffen gerät. „Wer Show will, ist bei unseren Auftritten nicht unbedingt am richtigen Ort“, sagt Edith Singer.
Ein Leitmotiv pur schwäbisch hat sich der Jugendtrachtenverein zugelegt: „Net tes pissl Äsch aus tem Ofe kratze un in dr Schublat ufhewe….Xundes Holz uf tie Glut schlichte, tass es Feier hell prennt. Un tann gut owacht gin, tass es jo net ausgeht“. Dies sind Verse von Nikolaus Berwanger, der damit das offizielle und hochdeutsch überall verständliche Gustav- Mahler- Zitat „Tradition ist nicht Anbetung der Asche, sondern Weitergabe des Feuers“ in Mundart den Schwaben verinnerlicht. „Rückwärts blickend, wollen wir in die Zukunft schauen“, hatte Edith Singer vor jetzigen, ehemaligen und wohl auch künftigen Rosmareinern vor Kurzem bei der Geburtstagsfeier gesagt. Dabei erwähnte sie auch, „dass das Banater Forum uns in all diesen Jahren unterstützt und gefördert hat – ohne diese Hilfe könnten wir heute nicht mit Stolz sagen: ´Ja, wir sind 25 Jahre alt´“.
Die Auswanderungswelle Anfang der 1990er Jahre hatte viele gepackt. Jene, die nicht auf gepackten Koffern saßen, sahen die Notwendigkeit, etwas zu tun, um Brauchtum, Tradition und Ahnentracht zu erhalten und zu pflegen. Diese Aufbruchsstimmung bei der Identitätsbewahrung – gerade durch Jugendliche, die zukunftsträchtige Chancen versprachen – erhielt auch gehörige Dämpfer: „Praktisch mussten wir damals bei Null beginnen“, sagt Edith Singer heute. Es gab nur wenige Trachten, keine Informationen in Bezug Volkstänze und Trachten und Geld stand ebenfalls keines zur Verfügung“.
In mühsamer Kleinarbeit haben die Rosmareiner sich fort- und ausgebildet. Seminare zur Geschichte und Tradition der Banater Schwaben, Ausbildungen für Tanzgruppenleiter, Anfertigung und Pflege von Trachten oder Management von Kulturprojekten haben dazu beigetragen, ihr Repertoire zu verbessern und zu vervielfältigen. Der Jugendaustausch mit den Deutschen Banater Jugend- und Tanzgruppen der Landsmannschaft der Banater Schwaben, mit Jugendgruppen aus anderen Ländern, die Teilnahme an interethnischen Projekten forderten und förderten die Tanzgruppen, die heute insgesamt etwa 80 Mitglieder zählen. Mit Nostalgie blicken die ehemaligen Ensemblemitglieder auf den Verein zurück, der für viele „eine zweite Familie“, „Teil meiner Jugend“ oder „Jugend, Leidenschaft und Hobby zugleich“ war. Zeltlager, Unterhaltungsabende und Teambuilding haben das Team gefestigt und reibungslos die Stafette übergeben lassen. „Es war ein Geben und Nehmen, ein ständiger Austausch“, sagt rückblickend Edith Singer. Nicht zuletzt hat der Jugendtrachtenverein über dieses ehrenamtliche Engagement Feldforschung im Bereich der Trachten und Tänze betrieben. Das Resultat waren zwei Bücher als Leitfaden für Tanzlehrer: „Unsere Wurzeln“ und „Unsere kleinen Wurzeln“. Autoren: Ludwig Berghold, Karla und Felix Sinitean-Singer, Brigitte Szokob und Caroline Horak.
Für 2018 ist die Herausgabe eines Buches mit Anleitungen zur Trachtenfertigung vorgesehen. „Nicht alle Trachten, die heute genäht werden, kommen dem Original nahe“ weiß Edith Singer. Zum einen wird die Zahl der ehemaligen Schneiderinnen für schwäbische Trachten immer geringer, zum anderen geht ständig Wissen verloren. Besonders stolz ist Edith Singer auf die elf Guttenbrunner Kirchweihtrachten, das Highlight ist jedoch eine schwarze Brauttracht von 1895.
Auf vielen Bühnen war der Verein zu Hause. Beruf und Familie hat ganze Generationen eingeholt, doch auch nach dem Abschied vom aktiven Tanzen haben die meisten was mitgenommen. Die einen Nostalgie und Erinnerungen, oder den Anreiz, selbst Tanzgruppen zu gründen, oder über Jahre hinweg Freundschaften zu pflegen. Und was den Fortbestand der „Banater Rosmarein“ schlechthin bedeutet: Das Schönste ist, dass wir auch nach 25 Jahren existieren und auch gebraucht werden“, sagt Edith Singer.