Selbst der Staatspräsident hat einmal bei Gelegenheit festgestellt, dass es landesweit zu viele Philosophen gibt, aber zu wenig Klempner und Kellner. Das Thema Berufsausbildung kommt meistens dann ins Gespräch, wenn ein Investor die verfügbaren Arbeitskräfte der Region, wo er einen Standort eröffnet hat, für ihr Fachwissen lobt. Dann folgt eine andere Nachricht auf dem Bildschirm oder in der Zeitung und das Thema ist wieder für einige Zeit vergessen und begraben. Dabei ist seit vielen Jahren schon die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften eines der schwerwiegendsten Probleme für potenzielle Investoren und etablierte Unternehmen in Rumänien. Und Berufsausbildung von Arbeitskräften ist bei Weitem nicht nur für ausländische Investoren von besonderer Bedeutung, sondern auch die strukturellen Veränderungen der rumänischen Wirtschaft machen die Qualifizierung von Arbeitskräften zu einem immer wichtigeren Thema, für dessen Lösung es zwar Ansätze gibt, jedoch noch kein globales Patentrezept.
Einschätzungen zu der Lage, aber auch Lösungsmaßnahmen erläuterte ein Unternehmer, der ausgebildetes Personal sucht und nicht immer gefunden hat: Werner Braun, Vorsitzender des Deutschen Wirtschaftsklubs Kronstadt (DWK). Fürs Erste bestand Werner Braun darauf, die Begriffe zu klären: Einerseits ist da die Fachausbildung, ein Bereich, in welchem der Anfang durch die dualen Berufsschulen gemacht wurde. Das Konzept wurde erstmals in Kronstadt angewandt und kommt jetzt, erweitert und angepasst, landesweit zum Einsatz. Das Modell ist nicht unbedingt neu, es ist eine Anpassung der Berufsschulen, so wie es diese vor 1989 gab, als sie zu je einem Großunternehmen gehörten, welches seinen Bedarf an Facharbeitern selbst deckte. Geändert haben sich grundlegend die Ausbildungsverfahren und Mittel, geblieben ist die Verbindung von Theorie und Praxis.
„Die Not war zeitweilig sehr groß“, erklärt Werner Braun, „wir waren so sehr in der Klemme, kann ich sagen, dass wir einige andere Dinge zurückstellen mussten, um uns auf die Ausbildung zu fokussieren. Doch nun folgen nach Kronstadt viele andere Städte dem Beispiel und das Projekt ist flächendeckend geworden. Der größte Bedarf war in unserer Region, oder sagen wir im Großraum Kronstadt, an Facharbeitern im Bereich Maschinenbau, wobei ich damit nicht nur direkt den Bau sondern auch die Wartung von Maschinen meine. Wenn ich es zusammenfassen soll: Der absolute Renner war und ist der Wartungsarbeiter für Mechanik und Elektro.“ Über die in Kronstadt angewandte Lösung wurde des öfteren berichtet, deshalb nur zusammenfassend: 12 Industrieunternehmen des DWK gründeten zusammen mit den Lokalbehörden die Berufsschule „Kronstadt“ für Bedienungspersonal für Maschinen mit numerischer Steuerung (CNC), Schweißer, Zuschneider/Bearbeiter für Leder, Werkzeugbauer und Elektromechaniker für Wartung. Der Abschluss ist europaweit anerkannt. Dass es nicht nur bei diesen Berufen bleiben wird, war für Werner Braun von Anfang an klar: „Je nach Bedarf kommen, auch regional bedingt, Berufe für Tourismus, zum Beispiel, oder auch andere hinzu.“
Die Industrie benötigt aber – und das dringend – auch noch eine andere Ausbildung, nämlich die des Technikers: „Dieser Bereich liegt zwischen dem Facharbeiter und dem Ingenieur und ist sehr breit gefächert. Als Beispiel kann ich den Zeichnungstechniker nennen, am Rechner, aber nicht nur, bis zum Wartungs- oder Maschinenbautechniker. Dabei kann ich einiges aus eigener Erfahrung zur Erläuterung hinzufügen: Wir machen Engeneering – für Luftfahrt, Automatisierungstechnik und Automotive, für Elektro, Programmierung und Mechanik, das ist meine Geschäftstätigkeit. Dabei waren und sind wir gezwungen, in der Teileplanung/Zeichnung höher ausgebildetes Personal einzusetzen, nämlich Ingenieure. Um wettbewerbsfähig bleiben zu können, müssen wir solches Personal nach der geleisteten Arbeit und nicht nach Ausbildung entlohnen, was Nachteile mit sich bringt, denn der Ingenieur kann nicht zufrieden sein. Überall wird technisches Zeichnen – um beim Beispiel zu bleiben – vom Techniker durchgeführt, woher ihn aber nehmen? Ergo: Der Ingenieur ist frustriert, wir sind nicht wettbewerbsfähig, eine ganze Liste von Nachteilen könnte hinzugefügt werden.“
Dass die Industrie, aus Mangel an ausgebildetem Personal, manchmal ganz unkonventionelle Wege einschlagen muss, erläutert Werner Braun mit dem Beispiel aus seiner eigenen Firmengruppe, wo ursprünglich eine interne Ausbildung der eigenen Mitarbeiter eingeführt wurde. Diese entwickelte sich jedoch aufgrund der Nachfrage und bildet jetzt auch Mitarbeiter anderer Unternehmen/Firmen aus, ist also zu einer „Ausbildungsdienstleistung“ geworden: „Wir übernehmen junge Ingenieure, Absolventen, bilden diese vier Monate lang praxisgebunden und -orientiert aus, damit sie lernen, Projekte selbst umsetzen zu können.“
Dass andererseits manche Vorhaben und Projekte flexibel den sich verändernden Gegebenheiten angepasst werden müssen, ist eine Tatsache, mit welcher Werner Braun zu kämpfen hat. Denn die Nachfrage nach Personal, selbstverständlich ausgebildetem, ist konstant steigend: „Wir haben da potenzielle Investoren, welche kommen, um sich ein Bild vor Ort zu machen und mit uns im Wirtschaftsklub Gespräche zu führen. Denen kann ich nur sagen: Also wenn die Entscheidung gefallen ist, so kann man sein Jungpersonal in Schulung geben. Nach einem Jahr, wenn die Hallen stehen und die Maschinen aufgestellt sind, dann hat man 20 oder mehr junge Mitarbeiter und stellt nochmals so viele mit Erfahrung zusätzlich ein und kann anfangen.“
An dieser Stelle unseres Gespräches angekommen, ging Werner Braun auf ein ganz besonderes und heikles Thema der Personalnachfrage ein: „Personal brauchen wir alle, wir, die wir in der Industrie tätig sind und – sage ich – zum DWK gehören. Personal muss da sein, damit wir uns nicht gegenseitig auf die Füße treten und zu dem kommen, was hässlich und unfair ist: Man nennt es auch Headhunting oder, einfacher gesagt, das Abwerben von guten Mitarbeitern. Dazu sage ich nur: Mache so etwas nicht, denn morgen kann es dir passieren! Das Rad kann sich drehen, es können Feindseligkeiten entstehen.“
Als sehr gutes Beispiel für einen Bereich, in dem akuter Personalmangel herrscht, gibt uns Werner Braun die Werkzeugmacher: „Es genügt, sich die Unternehmen und Firmen, die solche Facharbeiter benötigen anzusehen, sie arbeiten alle, ausnahmslos, mit veraltetem oder schon in Rente befindlichem Personal und nur sehr, sehr wenigen jungen Mitarbeitern, eben weil es 20 Jahre keine Ausbildung in diesem Beruf gegeben hat. In der Berufsschule ‘Kronstadt’ haben wir ja diese Fach auch sofort aufgenommen.“
Das ehemalige Ausbildungssystem durch Berufsschulen wird wohl auch seine Schwachstellen gehabt haben, doch es sicherte, nach einheitlicher Meinung der Industrievertreter, einen konstanten Nachwuchs. Die Lösung durch das in Kronstadt angewandte Modell versucht, die Vorteile eines von Industriewerken getragenen Ausbildungssystems von den Nachteilen eines ausschließlich staatlich finanzierten Systems fernzuhalten: „Bei den schon in Funktion oder in Aufbau befindlichen Berufsschulen, die durch Mitwirkung der Deutschen Wirtschaftsklubs entstanden sind, achten wir darauf, dass möglichst alle Bedürfnisse der Trägerunternehmen – damit meine ich die Berufe – beachtet werden und dass auch die Aufteilung der Lasten solcher Ausbildungen gerecht geschieht. Duale Ausbildung kann nicht alleine vom Staat getragen werden, da muss einfach die Industrie, der eigentliche Endnutzer des Verfahrens, eingreifen, ebenso die Lokalbehörden. Wir haben also unser Dreieck, bestehend aus Schulinspektorat, Bürgermeisteramt und DWK hier in Kronstadt gebildet. Und es funktioniert.“