Veranstaltungen wie die „Junge Donaubrücken" kann man immer in Zahlen zusammenfassen: 40 Jugendliche aus sechs Donauländern haben sich fünf Tage lang unter Aufsicht von vier Werkstattleitern zu einem der großen europäischen Themen ausgetauscht – der Donauraumstrategie. Doch jenseits der Zahlen stehen die Geschichten und die Eindrücke der Teilnehmer vor Ort, die keine Statistik akkurat resümieren könnte. Darum schauten auch die meisten Teilnehmer bei der Abschlusspräsentation eher neugierig auf die vielen Umschläge an der Wand im Adam-Müller-Guttenbrunn-Saal, die mit ihren Namen versehen waren. In den Umschlägen sollten am Ende der Präsentation kurze Nachrichten stehen, geschrieben von den neuen Freunden, die die Teilnehmer während der einen Woche in Temeswar/Timişoara gemacht haben. Da spielte es keine Rolle aus welchem Land man kam, ob aus Deutschland, Ungarn, Bosnien und Herzegowina, Tschechien, der Slowakei oder Rumänien.
Mehr Sprachen, mehr Chancen
Mit einer babylonischen Sprachverwirrung begann die Vorstellung der Werkstattergebnisse. Die ausschließlich aus Jungs bestehende Minderheiten-Gruppe brachte den Teilnehmern noch einmal vor Augen, weshalb der Turmbau zu Babel misslang: Jeder sprach in seiner Sprache ohne Rücksicht auf den anderen und so kam es auch zu keinem gemeinsamen Nenner, bis schließlich einer der Jungs dazwischen fuhr und allen den Vorschlag unterbreitete, man solle doch versuchen, eine gemeinsame Sprache zu finden, in diesem Fall Deutsch. Doch hier entbrannten schon hitzige Diskussionen darüber, warum man denn nun eine fremde Sprache in seinem eigenen Land sprechen sollte und schließlich schiffte das Gespräch Richtung Minderheitenfrage, die so allgegenwärtig nicht nur in den Donauländern sondern in ganz Europa ist. Es kamen dann die gängigen Klischees auf: Als Minderheit werde man diskriminiert, sowohl positiv als auch negativ. Manche würden sich der Integration verweigern, andere nehmen Jobs weg, weil sie bereit sind, für weniger Geld zu arbeiten und statt die Sprache der Mehrheitsbevölkerung zu lernen, zieht man sich lieber in seine Konklave zurück und pflegt über Generationen nur die eigene Sprache und Kultur.
Nach viel Hin und Her fanden die vier Nationen, die an einem Tisch saßen, einen Konsens: Mehrere Sprachen bedeutet gleichzeitig mehrere Chancen, das trifft auch auf eine diversifizierte Gesellschaft zu. Darum kann und sollte man von Minderheiten viel lernen und darauf wurde dann mit einem herzhaft rumänischen „Noroc“ angestoßen.
Und damit die Jugendlichen auch Zeit hatten, die Message der ersten Gruppe richtig zu verarbeiten, folgte gleich im Anschluss die über Nacht entstandene Musikgruppe Vera und Co., bestehend aus vier jungen Studenten bzw. Praktikanten, die mit bekannten Coverliedern mehrmals für kurze Verschnaufpausen zwischen den Präsentationen sorgte.
Nicht weniger interessant waren die Ergebnisse der zweiten Gruppe, die sich mit dem Thema Umwelt auseinandersetze. Statt Rollenspiel setzten die Jugendlichen hier lieber auf eine moderne Prezi-Präsentation. Dabei führten sie anhand von konkreten Beispielen vor, woran Entwicklungsländer bei der Umweltfrage scheitern. Schöne Stadtbilder zu Temeswar brachten vor Augen, wie Bürger mit Abfall umgehen, was sie unter Umwelt- und Artenschutz verstehen und wie wichtig Nachhaltigkeit ist. Natürlich fehlten auch nicht die besonderen Schnappschüsse, die zur Auflockerung der Stimmung beitrugen. So etwa das Bild ihrer Werkstattleiterin Lavinia Adamescu, die sich bei einem Glas Cola auf einer Terrasse eine fällige Pause gönnte.
Einsteins Tanz mit der Zeit
Wer besonders überraschte, war die dritte Werkstattgruppe, die das Thema Kultur behandelte. Der Schauspieler und Theaterpädagoge Jörg Zencker inszenierte zusammen mit seiner vorwiegend aus Mädchen und einem Jungen bestehenden Gruppe ein kleines Theaterstück. Der Protagonist war kein geringerer als der deutsche Physiker Albert Einstein, der in seinem Bestreben Zeit und Raum zu verstehen, von Ersterer besucht wird. Fast schon wie bei Goethes Faust bildet sich eine spannende Beziehung zwischen Einstein und der Zeit. Das Genie möchte das größte Rätsel des Universums entschlüsseln und lässt sich darum von der personifizierten Zeit durch die Menschheitsgeschichte führen. Am Ende findet er zwar nicht die erhofften Fragen zur Vollendung seiner Relativitätstheorie, dafür aber darf Einstein in Dr. Who-Manier, durch die rumänische Geschichte geistern und sie live miterleben: Er stattet dem Woiwoden Vlad Ţepeş einen Besuch ab, während dieser fleißig Diebe und Verbrecher enthauptet, ist Zeuge bei der Vereinigung der Donaufürstentümer Moldau und Walachei und treibt sich im Haus des Schriftstellers Ion Creangă herum, gerade als dieser dabei ist, die rumänische Pflichtlektüre schlichtweg, „Erinnerungen aus der Kindheit“, zu schreiben. Am Ende reist Einstein sogar in die Zukunft und zwar in das Jahr 2013. Den Ort der Reise durften die Zuschauer bestimmten, weshalb die Wahl auf Deutschland fiel. Musikalisch begleitet wurde das Stück von der Reschitzaerin Georgiana Baga, die mit ihrer Stimme alle verzauberte.
Zum Abschluss wurde das Hauptthema „Donauraumstrategie“ von der letzten Werkstattgruppe vorgestellt. Sie wählten für ihre Präsentation den Klassiker unter den Präsentationen: das Plakat. Nichtsdestotrotz strotzte auch ihre Vorstellung des schwierigen Themas voller Charme. Drei Plakate wurden vorgestellt, die sich mit dem Thema Korruption und Bildung auseinandersetzen sowie über Möglichkeiten engerer Zusammenarbeit. Es wurde ein jährliches Donaufestival für Jugendliche vorgeschlagen. Daran sollen Künstler und Musiker aus den Donauländern teilnehmen, sowie die Länder mit repräsentativen Ständen. Leiter der Werkstatt war der Student David Pflomm.
Eine Veranstaltung für die Zukunft
Swantje Volkmann atmete nach der fast zweistündigen Präsentation der Ergebnisse erleichtert auf. Die erste Jugendveranstaltung zum Thema Donauraumstrategie in Rumänien, die von der Kulturreferentin für Südosteuropa am Donauschwäbischen Zentralmuseum Ulm initiiert wurde, war erfolgreich. Für sie steht fest: Im nächsten Jahr muss unbedingt eine zweite Auflage folgen.
Nichts war Aussagekräftiger als die euphorische Stimmung der 40 Teilnehmer nach der Veranstaltung, als Vera und Co. noch eine Zugabe sangen. Aber auch die verschiedenen Ergebnisse und die Vielfalt der Präsentationen standen als Beweis dafür, dass derartige Events bei Jugendlichen einschlägt und dass das Thema „Donauraumstrategie“ nicht nur von Politiker aufgegriffen werden muss. Denn Jenseits plumper Rhetorik ist Tatendrang gefragt und wer könnte mehr bewegen, als die europäische Jugend, die nicht in Grenzen denkt und nicht an Schranken glaubt.