Berlin, 1933. Es ist die Zeit kurz bevor Adolf Hitler an die Macht kommt. Das Volk ist gespalten. Einige bejubeln die Nazis. Andere haben Angst vor ihnen. Die meisten sagen, wenn Hitler an die Macht kommt, gibt es Krieg.
Für den 16-jährigen Hans, der aus einer eingesessenen Kommunistenfamilie stammt, die sich voller Idealismus dem Kampf für eine gerechtere Weltordnung verschrieben hat, kommt der Aufschwung der Nazis überraschend. Als Hitler über Nacht zum Reichskanzler gewählt wird, bricht für seinen Vater und seinen Bruder Helle eine Welt zusammen...
Das Berlin 1933: Auf dem heruntergekommenen Block, in dem Hans mit seiner Familie wohnt, hat jemand Hakenkreuze an die Wand geschmiert. Daneben steht: „Erst Essen dann Miete“. Hans erlebt mit, wie eine Nachbarsfamilie, die die Miete für das elende Loch nicht mehr bezahlen kann, aus der Wohnung auf die Straße geworfen wird. Was soll aus ihnen werden? Die Menschen schauen weg. Sie sind selbst arm und ohne Hoffnung. Müllsammeln, Gelegenheitsjobs, Bauchladenhändler. Ein Glück, wenn wenigstens einer in der Familie einen Arbeitsplatz hat. Hans hat dieses unglaubliche Glück, er kann nach der Schule eine Stelle als unqualifizierter Lagerarbeiter in der Maschinenfabrik antreten, dank seiner Leistungen im Turnverein. Sein Traum auf eine richtige Lehrlingsstelle ist damit endgültig zerplatzt. Doch der Kampf ums Überleben ist hart. So mancher verliert ihn vor aller Augen.
Und dennoch kann sich in dieser schwierigen Zeit niemand erlauben, unpolitisch zu sein. Schon an seinem ersten Tag am neuen Arbeitsplatz gerät Hans ins Visier zweier Nazi-Kollegen und wird im Waschraum brutal zusammengeschlagen. Weder Tapferkeit noch Nachgiebigkeit nützen ihm als Strategie gegen den blinden Hass, der sich weiter zuspitzt, egal wie sich Hans verhält. Ein Glück, dass sein Meister dieselbe politische Gesinnung hat wie Helle. Doch auf den dunklen Kellertreppen versagt auch dieser Schutz... Immer wieder kommt Hans buchstäblich mit einem blauen Auge davon.
Nach der Machtübernahme von Hitler ist der Schreibtisch des Meisters dann plötzlich leer. Hans erkennt die Gefahr, handelt in letzter Sekunde, trifft eine Entscheidung zwischen zwei Übeln, zwei schlimmen Übeln, rettet damit vielleicht sein Leben.
Immer wieder muss der Junge bitter erleben, dass Freundschaft und Feindschaft auf einmal nur noch politisch sind. Selbst die Wahl des richtigen Turnvereins ist ein solches Bekenntnis. Gehörst du zu den einen, bist du der anderen Feind. Es gibt keine Neutralität. Irgendjemandes Feind bist du immer! Denn wer sich nicht bekennen will, ist jedermanns Feind.
So muss sich jeder entscheiden: Wählst du die Starken, genießt du ihren Schutz. Wählst du die Schwachen, wirst du zur Zielscheibe und an jeder Straßenecke lauert dir jemand auf, wehe du kommst im Dunkeln nach Hause!
Der Riss, der die Gesellschaft dieses Deutschlands so brutal auseinanderreißt, erfasst auch Freunde und Familien. Hans’ Schwester Martha muss sich entscheiden: Als ihr Freund, ein ehemaliger Klassenkamerad von Helle, überraschend den Nazis beitritt, kehren Vater und Bruder ihr den Rücken. Martha gerät unter Druck, hält zu dem aufstrebenden Verlobten, will dem Leben in Elend entkommen. Eine Entscheidung ohne Umkehr. Nach der Machtübernahme der Nazis zeigt dieser dann sein wahres menschliches Gesicht...
Kraft findet Hans in dieser schwierigen Zeit in der Liebe. Zarte Bande knüpfen sich zwischen dem Lehrling und dem Mädchen mit dem langem braunen Zopf, das er erstmals lesend auf einer Parkbank bemerkt. Welch Zufall, sie arbeitet in der Nähstube seiner Fabrik! Mieze, die eigentlich Margarete heißt, gesteht ihm schon bald, dass sie Halbjüdin ist. Ist es wichtig? Als es plötzlich wichtig zu werden scheint, nach der Machtübernahme Hitlers, will Mieze sich nicht verstecken müssen: Sie eröffnet Hans, dass sie es ihren Kolleginnen sagen will. Eines Nachts wird ein Hakenkreuz an die Wand des Häuschens geschmiert, in dem sie mit Tante und Onkel wohnt...
Mieze - Jüdin. Martha - eine Nazibraut. Helle, der Kommunist, führt seinen verlorenen Kampf erbittert weiter, Seite an Seite mit seiner jungen Ehefrau, trotz enttäuschender Signale aus Moskau. Was wird aus der neugeborenen Änne, wenn den beiden etwas zustößt? Der Vater - Invalide, die Mutter arbeitslos, und dann ist da noch Murkel, der kleine Bruder. Und ein Deutschland, in dem alles Kopf steht!
Wie verhält man sich in einer solchen Welt? Was ist richtig, was ist falsch? Wer hilft einem, sich zu orientieren? Die Regierung? Die Familie? Das Gewissen? Hans entscheidet sich für sein Gewissen, doch auch dieses stellt ihn vor immer neue Herausforderungen. Als alles um ihn herum zusammenbricht, ist Mieze immer noch an seiner Seite. Doch das Unheil schwebt spürbar über ihren Köpfen. Bleiben oder weggehen? Diese Frage drängt sich jetzt auf.
Klaus Kordon rückt mit dem Buch „Mit dem Rücken zur Wand“ ein spannendes Lehrstück über einen dramatischen Abschnitt der Geschichte in den Vordergrund, dessen Ergebnis wir heute moralisch klar zuordnen können und in vieler Hinsicht aufgearbeitet haben, die Gewissensfrage stellt sich schon lange nicht mehr. An der Seite seines Protagonisten Hans lässt sich das Vorfeld dazu mitempfinden aus Sicht des einfachen Volkes. Kein Führer ohne Volk – und doch rauschten die Ereignisse wie eine Welle über viele Köpfe hinweg. So mancher ließ sich mitreißen oder ging unter, schwamm nach oben, klammerte sich an sinkende Schiffe oder verlor die Orientierung. Jede Fehlentscheidung konnte das Leben kosten – oder das Seelenheil. Wie hätte ich, wie hättest du entschieden?
Klaus Kordon wurde 1943 in Berlin geboren und wuchs in Ostberlin auf. Sein Vater war im Zweiten Weltkrieg umgekommen, nach dem Tod der Mutter 1956 lebte er in verschiedenen Kinderheimen. Nach seinem Studium der Volkswirtschaft reiste er als Exportkaufmann nach Indien, Indonesien und Nordafrika. In dieser Zeit begann er zu schreiben. 1972 unternahm er in Bulgarien einen Fluchtversuch in den Westen und verbrachte ein Jahr im Gefängnis. 1977 von der Bundesrepublik freigekauft, verarbeitete er die Hafterfahrung und sein Leben in der DDR im Roman „Krokodil im Nacken“. Kordon schreibt vor allem zeitkritische Kinder- und Jugendliteratur.