In alle Ecken Deutschlands und der Welt sind die aus Siebenbürgen ausgewanderten Sachsen heute verstreut. Doch die Liebe zur alten Heimat verbindet immer noch. Freilich ist es schwer, über große Distanzen und im Alltag die für sie so charakterisierende Gemeinschaft und Heimatliebe auszuleben. Geschweige denn, anderen davon zu erzählen: Wer sind eigentlich die Siebenbürger Sachsen? Diesem Bedürfnis kommt von nun an das Siebenbürgen-Kultur- und Begegnungszentrum auf Schloss Horneck in Gundelsheim entgegen, das nach zweijährigem Umbau am 10. Juli eröffnet wurde – pandemiebedingt in sehr kleinem Kreis, bedauert der Vorsitzende des Vereins „Siebenbürgisches Kulturzentrum Schloss Horneck e.V.“, Hon. Prof. Dr. Konrad Gündisch. Unter dem ökumenischen Segen des Hochmeisters des Deutschen Ordens, S. E. Frank Bayard, und des Superintendanten der Evangelischen Kirche A.B. in der Steiermark, Mag. Wolfgang Rehner, wurde das blaurote Band zu den festlichen Klängen der Siebenbürgischen Schlossbläser durchschnitten und das Schloss feierlich seiner neuen Bestimmung übergeben. Prof. Heinz Acker hatte dafür extra Beethovens „Musik zu einem Ritterballett“ als Kammerfassung umgeschrieben. Zahlreiche Grußworte und Glückwünsche wurden über Videobotschaft übermittelt.
Zwei Jahre hatte der Umbau des fast ein halbes Jahrtausend alten Gemäuers gedauert, das 1254 dem Deutschen Orden gestiftet wurde und im 15. und 16. Jahrhundert als Deutschmeisterresidenz diente. Entsprechend bewegt ist seine Geschichte: Wer hineinschnuppern möchte, findet auf der Webseite www.schloss-horneck.de (Klick auf das YouTube-Symbol) einen spannenden, 24-minütigen Film von Lucian Binder-Cătana (Drehbuch: Heidrun Negura, Konrad Gündisch), der im Jugendstilsaal des Schlosses Premiere feierte. Im Laufe der Zeit wurden im Schloss eine Bierbrauerei, eine Lungenheilanstalt, ein Sanatorium und zuletzt das „Heimathaus Siebenbürgen“ betrieben. Nun vereint es als Kultur- und Begegnungszentrum der Siebenbürger Sachsen alles, was diesen lieb und teuer ist: das Siebenbürgen-Institut, als wissenschaftliche Einrichtung an das Seminar für Osteuropäische Geschichte an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg angeschlossen. Die Siebenbürgische Bibliothek mit über 87.000 Medieneinheiten. Das Archiv mit rund 1500 Regalmetern Archivalien und vielen Sondersammlungen wie Kirchenmatrikeln, Familienbücher, Nachlässe, Landkarten, Vereins- und Verbandsarchivalien, Fotografien, Postkarten, Plakate, Filme und Tonaufnahmen. Und das Siebenbürgische Museum. Festsäle, moderne Konferenzräume und ein Schlosshotel mit 32 Zimmern stehen für Veranstaltungen, Begegnungen und Tourismus zur Verfügung. „Dieses Haus soll aber ebenso das immaterielle Kulturgut pflegen, indem es zu einer Stätte der gelebten Tradition und des Dialoges wird“, betont der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Prof. Dr. Dr. h.c. Bernd Fabritius. Aber auch jene, die mit dem Thema Siebenbürgen noch nicht vertraut sind, sind auf Schloss Horneck willkommen. Sie finden Orientierung im modernen Besucherzentrum mit Medienwand und Touchscreen-Mediathek.
Ein herzlicher Dank den Spendern
Rainer Lehni, Bundesvorsitzender des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, erinnerte in seinem Grußwort an den heißen Sommer 2015, in dem eine großangelegte Spendenaktion den Kauf von Schloss Horneck erst ermöglichte. Rund 4,6 Millionen Euro kostete dann noch der Umbau des historischen Gemäuers – ein knappes Budget für 4600 Quadratmeter auf fünf Stockwerken, erklärt der leitende Architekt Peter Schell. Fast die Hälfte stammt aus Spenden von rund 2000 Siebenbürger Sachsen und ihren Freunden, erinnert Gündisch: „Egal ob es die kleine Spende einer fast mittellosen Rentnerin ist oder jene eines etwas Betuchteren – ohne deren Beiträge hätte unser Projekt nie realisiert werden können!“ Und verdeutlicht: „Von den rund 200.000 in Deutschland, Österreich und den USA lebenden Siebenbürger Sachsen wurden nicht weniger als 2 Millionen Euro für ihr Kulturzentrum gespendet. Für die Deutsche Stiftung Denkmalschutz beispielsweise wäre, bei gleichem Engagement, von rund 80 Millionen Bewohnern Deutschlands die gigantische Summe von 800 Millionen zusammengekommen!“
Als kreativ erwies sich auch die Strategie von Heidrun Negura, Spenden für die Möblierung der 32 Zimmer zu gewinnen. Der Spender erhielt die Möglichkeit, dem Zimmer einen siebenbürgischen Ortsnamen zu geben und sein Name wird auf dem Zimmerschild genannt. In jedem Zimmer liegt eine Broschüre mit Information über Siebenbürgen, über den gewählten Ort und ein Spendertext aus. „Damit wird im Schlosshotel den Siebenbürger Sachsen ein Heimatgefühl vermittelt, aber auch Touristen lernen Siebenbürgen besser kennen“, erklärt Gündisch. Die Zimmer beeindrucken durch farblich abgestimmte Ausstattung, hohe Decken und Stuckverzierungen, einen traumhaften Ausblick auf den Neckar und die umliegenden Weinberge.
Dickes Lob für Freiwillige
Drei Volontäre, die von Anfang an dabei waren und das Schicksal von Schloss Horneck besonders beeinflussten, hebt Gündisch beispielgebend für alle anderen hervor: „Heidrun Negura, sozusagen das Herz und die Seele des Kulturzentrums, der es gelungen ist, zahlreiche Spendende und Helfende zu motivieren, die Medien regelmäßig mit Informationen zu bedienen, das geplante große Eröffnungsfest organisatorisch vorzubereiten und die heutige kleine, aber – Covid-19-bedingt – keineswegs unkomplizierte Feier sowie die anschließende digitale Übertragung zusammen mit ihrem Team bis ins kleinste Detail zu planen.
Dr. Axel Froese, der Manager und Koordinator der Um- und Ausbauarbeiten, bei dem die Fäden im baulichen, finanziellen und juristischen Bereich zusammengelaufen sind und der, obwohl noch voll berufstätig, unzählige Tage und Stunden für dieses Projekt geopfert hat. Kleines Detail am Rande: Er ist ein Westpreuße, aus Marienburg an der Nogat stammend, für uns sozusagen ein „Beute-Siebenbürger“ – und was für eine kostbare Beute! Lucian Binder-C˛tana, herkunftsmäßig ein Rumäne aus Nordsiebenbürgen, unser Mediendesigner, dessen Kunst Sie bei der Eröffnung des Besucherzentrums auf sich wirken lassen konnten, und der auch viele ehrenamtliche Stunden für das Gelingen des Gesamtprojektes eingebracht hat.“
Zum Anlass wurde auch der Bildband des Historikers Konrad Gündisch über Schloss Horneck vorgestellt („Schloss Horneck in Wort und Bild“). Es führt von der Zeit des Deutschen Ordens über die Zerstörungen während des Bauernkrieges 1525, an denen Götz von Berlichingen beteiligt war, den Wiederaufbau als Renaissanceschloss (1525-1533) und dessen Barockisierung (1724-1728), über das Schicksal als Kaserne, Lazarett, Bierbrauerei und Heilanstalt bis hin zur aktuellen Nutzung.