Viele Autoren befassten sich mit der baulichen Geschichte von Kronstadt/Braşov und es gibt kaum einen Mauerabschnitt, Turm oder eine Bastei in oder nahe der Inneren Stadt, deren Geschichte nicht ausgeleuchtet wurde. Auch die Altstadt ist gut dokumentiert, wenn auch nicht so ausführlich. Sehr wenig wurde aber eine wichtige Anlage der Stadt, die Blumenau, untersucht, das Viertel, das zwischen Zinne und ihren Ausläufern dem Galgenberg, dem Schlossberg und dem Mühlenberg liegt. Und fast gar nichts ist über den gegen Osten hin angelegten einstigen Kurutzenwall zu finden.
Die Kurutzen
Mit diesem Namen (in verschiedenen Schreibweisen: Kurutzen, Kuruzen oder auch Kurrutzen) wurden verschiedene Truppen-Verbände, die zwischen 1470 und 1711 in Erscheinung traten, bezeichnet. Abgeleitet vom ungarischen kurucok, was „aufrührerisch“ oder „rebellisch“ bedeutet, tauchte dieser Name zunächst im Bauernaufstand des György Dózsa von 1514 auf. Kuruzen wurden aber auch spätere ungarische Aufständische genannt, die bis zu dem Friedensvertrag von Sathmar/Satu Mare, vom 29. April 1711, einen gegen die Herrschaft der Habsburger gerichteten Aufstand im Königreich Ungarn führten. Die Bezeichnung „Schanze gegen die Kurutzen“ für die Verteidigungsanlage der Blumenau findet sich allerdings noch 1796 und in einer Karte der Josephinischen Landesaufnahme von 1769/1773 ist ihr Verlauf auch eingezeichnet. Gegen wen genau, wann und ob von der Stadt, oder nur von den Bewohnern der Blumenau der Wall gebaut worden ist, wurde allerdings nicht überliefert.
Der Wall begann gleich neben dem Schneckenberg, an der Stelle, wo der Tömöschkanal eine starke Rechtsbiegung macht, und folgte diesem bis an das Ende des Mühlenberges, wo die Altstadt begann. Er war dem Kanal vorgelagert, bestand aus einer Erhebung aus Erde und einer Palisade. Stellenweise sind vorstehende Basteien eingezeichnet, welche es ermöglichten die Angreifer seitlich unter Beschuss zu nehmen. Der Tömöschkanal bildete ein zweites Hindernis gegen Angreifer und wurde laut Paul Niedermaier (Städtebau im Spätmittelalter: Siebenbürgen, Banat und Kreischgebiet 1348/1541, Böhlau Verlag, 2004) schon im 13. Jahrhundert angelegt. Er beträgt auch heute noch fast 17 Kilometer wie bei seiner Anlegung, hat einen Höhenunterschied von 125 m zwischen Entnahme aus dem Tömöschbach und der Einspeisung in den Weidenbach, und befördert durchschnittlich etwa 7-8 Kubikmeter Wasser pro Sekunde. Heute ist die beförderte Wassermenge durch mehrere Regelwerke gesteuert. Über den Kanal führte am Ende der „Brückgasse“ (1796) und späteren Bahnstraße eine Steinbrücke. Auf der anderen Seite des Walls, nach außen hin, ist in neuerer Zeit ein Weg oder eine Straße eingezeichnet: die spätere Fabrikstraße, wo sich einige der ersten Großwerkstätten und Fabriken Kronstadts ansiedelten.
Die Industrialisierung
Wenn als „Industrialisierung“ auch die gewerbliche Nutzung von Wasserkraft zur Erzeugung von Gütern verstanden wird, so begann diese am Tömöschkanal im Jahre 1539 mit dem Bau der Papiermühle durch Johannes Fuchs und Johannes Benker. Rohstoff waren alte Textilreste, so genannte „Hader“. Die Papiermühle ging in die Geschichte wegen einer in der Nähe ausgefochtenen Schlacht ein, welche am 19. Juli 1611 stattgefunden hat. Der walachische Woiwode Radu Şerban stand damals Fürst Gabriel Báthory gegenüber und besiegte diesen. Zu der Beute gehörten Kanonen, zahlreiche Gefangene und 32 Fahnen. Entlang des Kanals siedelten sich auch zahlreiche Getreidemühlen an, für welche entlang des Mühlenberges ein Wasserarm abgezweigt wurde, dessen Becken erst jetzt vollständig beseitigt wird. Als der Kurutzenwall keine militärische Bedeutung mehr hatte, wurde die Straße, die sich um ihn und die Basteien wand, wichtig: sie lag außerhalb der Stadt, nahe an dem Kanal, welcher um 1800 noch der wichtigste Energieträger war, und es gab freie Grundstücke. Mit den hier entstandenen Fabriken kennt sich Architekt Gruia Hilohi sehr gut aus. Einerseits, weil er sein Leben lang an der Stadtplanung beteiligt war, andererseits, weil er, seit er in Rente ist, Zeit hat, sich mehr der Stadtgeschichte zu widmen.
„Ursprünglich begann die Fabrikstraße dort, wo auch der Wall begann, heute ein verbautes Gelände, und nannte sich Fabrikstraße von dort ab, wo einst der seitliche Eingang in die Tuchfabrik Scherg lag. Sie reichte von dort bis in die Altstadt hinein. In dem Abschnitt, wo sie neben dem Wall lag, folgte sie den Basteien und war voller Krümmungen bis sogar nach 1970, als sie durch Neubauten ergänzt, ihren heutigen Verlauf erhielt.“ Hier gab es von dem Schneckenberg aus Richtung Altstadt, eine Petroleumfabrik, mehrere Getreidemühlen, eine Makkaronifabrik, eine Metallgießerei, die bis nach 1970 Aluminiumgehäuse für „Electroprecizia“ Sacele gegossen hat. Außerdem gab es ein Warenlager und an Stelle der ehemaligen Papiermühle ein Schlachthaus, welches bis 1916 stand, als es im Verlauf der Kämpfe um den sehr nahe gelegenen Bahnhof angezündet wurde. Auf den alten Grundmauern wurde 1932 ein Neubau für die Feuerwehrkaserne errichtet, die bis dahin vor dem Gerichtsgebäude stand, genau dort, wo heute das Star-Kaufhaus steht.
Als 1873 neben der Fabrikstraße auch die Eisenbahnlinie gebaut wurde, waren schon beide Straßenseiten bebaut und das alte Stadtviertel erstreckte sich auf Stadtplänen weiter gegen Osten bis an die Petersberger Straße. Hier wurde das neue Städtische Gaswerk und später das ebenfalls Städtische Elektrizitätswerk gebaut, welches bis in die 70er Jahre noch Strom lieferte. Über die Eisenbahnlinie wurde dieses mit Kesselwagen mit Rohöl versorgt, welche auf einem Fabrikgleis abgestellt waren. Ein anderes Gleis führte bis auf den Hof der Seewaldt Mühle, quer über die Fabrikstraße. Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb bis gegen 1980 noch ein Unternehmen für Fahrzeugsessel in Betrieb, als im Zug des vorangetriebenen Wohnungsbaus nach und nach auch die letzten Unternehmen an den Stadtrand verlagert wurden. Übrig blieb ein betoniertes Auffangbecken des Tömöschkanals, welches verfüllt wurde und wo heute die Aula der Transilvania Hochschule und ein kaum benutzter Parkplatz stehen. Die Entstehung dieses Beckens, glaubt Architekt Gruia Hilohi, könnte aus der Zeit stammen, als mehr Erdreich für den Wall benötigt wurde, der sich in unmittelbarer Nähe befand. Von einem Punkt entnommen, ergab sich ein zusätzlicher Schutzgraben von erheblichem Ausmaß, der zum Baden, später als Schwimmschule (daher der Name der parallel verlaufenden Schwimmschulgasse) und zuletzt als Auffangbecken des Tömöschbaches genutzt wurde.
Schriftliche Quellen hierüber gibt es allerdings nicht.