Im jüngst neu eröffneten städtischen Museum, das in der frisch renovierten Casa Filipescu-Cesianu an der Calea Victoriei (Nr. 151, unweit der Piaţa Victoriei) untergebracht ist, kann man nicht nur eine Ausstellung besichtigen, die sich der Bu-karester Alltagskultur der letzten drei Jahrhunderte widmet und deren Schwerpunkt dabei auf dem Familienleben, den Kleidersitten sowie der Wohn- und Esskultur in der rumänischen Hauptstadt liegt. Vielmehr ist in einem Nebengebäude des Museums, das auf dem Weg durch einen neu angelegten Skulpturenpark zu erreichen ist, eine weitere ständige Ausstellung zu bewundern, die Fresken aus dem Bukarester Kloster Văcăreşti zeigt, mit dessen Bau der walachische Fürst Nicolae Mavrocordat im Jahre 1716 begonnen hatte, das dessen Sohn Constantin im Jahre 1736 vollendete und das Nicolae Ceauşescu dann in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts abreißen ließ.
Dazwischen liegt eine bewegte Geschichte dieses von hohen Klostermauern umgebenen ausgedehnten architektonischem Ensembles, das nach der Rumänischen Revolution von 1848 in ein Gefängnis umgewandelt wurde, in dem im Laufe der Zeiten so illustre Schriftsteller wie Liviu Rebreanu, Tudor Arghezi und Ioan Slavici, aber auch geistliche Würdenträger wie der griechisch-katholische Weihbischof Vasile Aftenie oder rumänische Politiker wie der Führer der faschistischen Bewegung „Eiserne Garde“ Corneliu Zelea Codreanu einsaßen. Während des 20. Jahrhunderts dachte man verschiedentlich darüber nach, dem Klosterkomplex vor den Toren Bukarests eine neue Bestimmung zu geben, so etwa als neue Heimstatt für die Rumänische Patriarchie und für verschiedene Institutionen der rumänisch-orthodoxen Kirche oder auch als Gebäudeensemble zur Beherbergung eines neuen Museums für religiöse Kunst in Rumänien. In den siebziger Jahren begann man dann sogar mit der Restaurierung und denkmalschützerischen Konservierung des Klosterkomplexes, bevor das Kloster Văcăreşti auf Anordnung Nicolae Ceauşescus in den späten achtziger Jahren dem Erdboden gleichgemacht wurde.
Eine Fotoausstellung, die, neben den Klosterfresken, ebenfalls im Lapidarium der Casa Filipescu-Cesianu zu sehen ist, dokumentiert diese wechselvolle Geschichte des Klosterkomplexes bis in unsere zeitgenössische Gegenwart hinein, wo sich auf dem Boden der ehemaligen religiösen Anlage heute eine Shoppingmall erhebt und wo sich die Natur über die Jahre hinweg ein Ökosystem geschaffen hat, das im Volksmund „Delta von Bukarest“ genannt wird und umweltpolitisch als besonders schützenswert gilt. Neben zahlreichen Fotos finden sich in der Ausstellung auch Stadtpläne und Gemäldereproduktionen, die die besondere Lage des Klosters Văcăreşti am damaligen Stadtrand von Bukarest in den Blickpunkt rücken. Fotografien aus der Kapelle und aus der Kirche des Klosters mit wunderbaren Bögen und Kuppeln, mit herrlich kannelierten und reich ornamentierten Säulen, mit architektonischen Kleinodien im Naos, im Narthex und in den Kreuzgängen lassen den Verlust der kulturellen und religiösen Schätze ermessen, den die Demolierung des Klosters Văcăreşti mit sich brachte.
Von den rund zweitausendfünfhundert Quadratmetern an Originalfresken aus dem in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts vollendeten Kloster Văcăreşti konnten insgesamt nur einhundertundzwanzig Quadratmeter in achtzig Fragmenten gerettet werden, von denen zweiundzwanzig derzeit im Lapidarium des Museums Filipescu-Cesianu zu sehen sind, wobei geplant ist, weitere konservierte und restaurierte Fresken des Klosters Văcăreşti dieser sehenswerten ständigen Ausstellung einzugliedern. Die kleine Ausstellung ist museografisch mustergültig aufbereitet. So erfährt man – in rumänischer und in englischer Sprache – beispielsweise von dem Heiligen und Märtyrer Samonas nicht nur, dass er aus Edessa, der heutigen türkischen Stadt Urfa, stammte, dass er zur Zeit der römischen Kaiser Diokletian, Maximian und Galerius lebte und dass er zusammen mit seinem Freund und Mitheiligen Gurias von Edessa enthauptet wurde, weil er den heidnischen Götzenbildern keine Opfer darbringen wollte. Man erfährt außerdem, dass Samonas im orthodoxen Heiligenkalender am 15. November geehrt wird und dass er als der Patron der guten Heirat, der Ehe und der Familie gilt. Sein Medaillon, dem man in der Ausstellung aus nächster Nähe gegenübertritt, stammt aus dem Naos der Kirche der Heiligen Dreifaltigkeit des Klosters Văcăreşti.
Es ist überhaupt ein Vorzug dieser Ausstellung, dass man den Fresken, die man in situ nur aus großer Entfernung hätte betrachten können, nun unmittelbar und auf Augenhöhe begegnen kann. So hat man beispielsweise das wunderbar farbenreiche Fresko einer „Flucht nach Ägypten“ direkt vor sich und dicht vor Augen, das ursprünglich im Pronaos der Klosterkirche weit oben an einem Bogen als eine der Szenen aus dem Akatisthos-Hymnus angebracht war, so wie die Verkündigungsszene vom selben Pronaosbogen, von der allerdings nur das Detail eines Engels, vielleicht Gabriels selbst, der der Jungfrau Maria die frohe Nachricht überbringt, gleichfalls sehr gut erhalten ist. Der Erzengel Michael mit einem Schwert in der Rechten und mit einem plastisch reliefierten Nimbus, der sein Haupt umwölbt, gemahnt an Verse aus Rainer Maria Rilkes „Buch vom mönchischen Leben“ wie etwa „So viele Engel suchen dich im Lichte / und stoßen mit den Stirnen nach den Sternen“ oder „Die Engel sind das letzte Wehn / an seines Wipfels Saum“, und verbreitet dabei eine heilige, auratische Stimmung, die aus sämtlichen Fresken dieser Ausstellung deutlich herauszuspüren ist und aus ihnen zu sprechen scheint.
Zahlreiche Heilige unterschiedlichster Herkunft passieren in dieser ständigen Ausstellung Revue, eine Himmelfahrtsdarstellung hängt neben dem Ausschnitt eines Freskos mit Jesu Einzug in Jerusalem, die Mutter Gottes – als Teil einer nicht mehr erhaltenen Deesis-Darstellung mit Jesus Christus und Johannes dem Täufer – ist als kunstvolles Fragment ebenso zu bewundern wie die Szene der Darstellung Jesu im Tempel oder die Szene mit Jesus und Nikodemus aus dem Johannesevangelium, wo der junge Jesus dem ehrwürdigen Pharisäer Nikodemus, der seine Hände eindrucksvoll vor der Brust kreuzt, die Heilige Schrift mit seinem auf die aufgeschlagene rechte Buchseite deutenden Zeigefinger wirkmächtig auslegt. Freilich muss man sich keinesfalls von der Fülle des in der Ausstellung ausgebreiteten kunstgeschichtlichen und theologischen Wissens beeindrucken oder gar einschüchtern lassen. Vielmehr kann man sich auch einfach an den wunderschönen Farben und Formen der professionell restaurierten Fresken erfreuen und die Galerie der Engel und der Heiligen bewundern, die unweit der viel befahrenen Calea Victoriei ihr stilles und kunstreiches Dasein a fresco fristen.