Gewerkschaft: Rumänien benötigt neuen Gesellschaftsvertrag

„Sparpolitik ist politische Entscheidung, nicht Notwendigkeit“

Symbolbild: pixabay.com

Bukarest (ADZ) - Die Gewerkschaftskonföderation Cartel Alfa hat am Mittwoch in einer Mitteilung beklagt, dass es zurzeit keinen „realen und authentischen Dialog“ zwischen den Behörden des rumänischen Staates und den Bürgern gebe und ein neuer Gesellschaftsvertrag benötigt werde. Letzterer sollte auf konstanten Dialog zwischen Gewerkschaften, Arbeitgeber und Zivilgesellschaft sowie auf Transparenz in wichtigen Entscheidungen und die Bekräftigung der Rolle öffentlicher Dienste setzen. Cartel Alfa sieht als Grundlage für den angestrebten Gesellschaftsvertrag die europäische Säule sozialer Rechte sowie weiter internationale Abkommen und erachtet, dass der Präsident des Landes eine führende Unterstützungsrolle einnehmen müsste.

Die Gewerkschafter kritisieren in der Mitteilung sowohl Ex-Präsident Klaus Johannis, dem eine immer undurchsichtigere Führung sowie die systematische Ignorierung des sozialen Dialogs vorgeworfen wird, als auch Interimspräsident Ilie Bolojan, der in den vergangen Monaten zwar wiederholt Arbeitgebervertreter getroffen hat, Gewerkschaften jedoch nie eingeladen habe.

Des Weiteren weist Cartel Alfa darauf hin, dass die aktuelle Haushalts- und Wirtschaftskrise nicht über „blinde Einschnitte und Austerität“ gelöst werden könne. Sparpolitik sei „eine politische Entscheidung, nicht eine technische Notwendigkeit“. Die Gewerkschaft weist darauf hin, dass Rumäniens Staatseinnahmen zu den geringsten in der Europäischen Union gehören und Steuererhebung gerechter und nachhaltiger gestaltet werden könne, unter anderem durch progressive Vermögensbesteuerung, die Bekämpfung von Steuervermeidung- und -hinterziehung sowie die Schließung von Gesetzeslücken.

Laut dem Statistikamt Eurostat hatte Rumänien 2024 mit nur 34,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) die zweitniedrigsten Staatseinnahmen, und lag damit zwischen Irland (27,8 BIP-Prozent) und Malta (34,6 BIP-Prozent). Nachbarländer wie Bulgarien (36,7 BIP-Prozent) oder Ungarn (42 BIP-Prozent) sowie der EU-Schnitt mit 46 BIP-Prozent lagen zum Teil deutlich darüber. Bei den Ausgaben lag Rumänien im vergangen Jahr mit 43,5 BIP-Prozent EU-weit an achtletzter Stelle, ebenfalls klar unter dem EU-Schnitt von 49,2 BIP-Prozent. Das Haushaltsdefizit war mit 9,3 BIP-Prozent vor Polen (6,6 BIP-Prozent) und Frankreich (5,8 BIP-Prozent) EU-weit deutlich das höchste, während bei der gesamten Staatsverschuldung Rumäniens 54,8 BIP-Prozent unter den EU-Vorgaben von 60 BIP-Prozent sowie weit unter dem Durchschnitt der EU-Länder von 81 BIP-Prozent lagen.