Wie definiert man jung und alt? Ganz einfach: Alt ist jeder, der mehr Jahre auf dem Buckel trägt, als man selbst. Alle anderen sind noch grün hinter den Ohren und sollen erst mal erwachsen werden!
Ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass das eigene Alter einen mitwachsenden Referenzrahmen für den Blick in die Welt bildet? Als Kind möchte man bloß nicht erwachsen werden, denn dann gibt’s keine Spielsachen mehr zu Weihnachten, sondern nur noch langweiliges Zeugs: Klamotten oder Bratpfannen, wenn man ein Weiblein ist, Krawatten oder Aftershave für ein Mannsbild. Der mitwachsende Referenzrahmen bewirkt auch, dass die über 80-jährige Schwiegermama bis heute meinem Mann hinterherkeift, wenn er ohne Mütze aus dem Haus geht. Für sie ist er halt immer noch der Bub! Oder die 90-Jährige, die über ihre 70-jährige Tochter schimpft: „Diese Jugend ist unmöglich!“ Obwohl Alter, wie man daraus erkennen kann, ziemlich relativ ist, ist es in unserer Gesellschaft seit historischen Zeiten dennoch von enormer Bedeutung. Manchmal entscheiden Sekunden an Altersunterschied über ganze Menschenschicksale. Der kaiserliche, königliche oder pharaonische Zwilling etwa, der seinen blutverschmierten Schädel ein paar Sekunden früher aus dem Geburtskanal streckte, erbte ein Imperium, während sein dusseliger Bruder, der eine Fruchtblase weiter hinten noch vor sich hinschnarchte, leer ausging. Ähnlich dumm in der Erbfolge stand meist auch der Zwilling da, der zwar zuerst rausdrängte, aber leider nichts zwischen den Beinen hatte. Doch hoppla, das ist schon wieder ein anderes Thema...
Nichts ist so zwiespältig wie das Alter, nichts bereitet so viel Ehre wie Verdruss. Der Komiker Loriot schlägt vor, im schwerelosen Weltraum die Richtung als „unten“ zu definieren, wo die Füße der ältesten Dame hinzeigen. Doch gerade in der Damenwelt verzichtet man gerne auf solche Vortrittsrechte. Damen wollen immer jünger sein als sie sind und älter als sie höflicherweise geschätzt werden. Die Kluft zwischen biologischem und gefühltem Alter wächst außerdem exponentiell mit der Lebenszeit. So lässt sich wohl erklären, warum sich alte Damen manchmal wieder in Babyrosa kleiden. Je älter, desto junggebliebener. Dies lässt sich leicht mit Einsteins Relativitätstheorie erklären, die besagt: Wer mit Überlichtgeschwindigkeit altert, wird immer jünger.
Im Berufsleben hingegen ist jedes beliebige Alter von Nachteil. Als Jungspund muss man sich erst mal gedulden, bis man auch altersmäßig einer Führungsposition würdig erachtet wird. Doch wehe, man verschwitzt den infinitesimal winzigen, endlich passenden Zeitpunkt! Dann schlägt das Urteil von „zu unerfahren“ spontan in „zu eingefahren“ um und katapultiert den eben noch ehrgeizigen Emporkömmling ein für alle Male aufs Karriere-Abstellgleis. Stellenanzeigen verraten: Wirklich gefragt sind nur studierte Fachkräfte um die 25 mit mindestens dreißigjähriger Praxiserfahrung!
Weil Altersunterschiede oft zu inneren Konflikten führen, suchen im Privatleben viele Menschen den Schutz der eigenen Generation. Obwohl das Interessenprofil Erwachsener zwischen 30 und 60 gar nicht so weit auseinanderklafft – Fernsehen und Biertrinken kann schließlich jeder – will man sich weder mit Greisen umgeben, noch in der eigenen Clique als solcher gelten. So lebt die Gesellschaft in hauchdünne Altersscheibchen geschnitten in parallelen Realitäten nebeneinander her – über einem die alten Säcke, unter einem die jungen Hupfer. Dazwischen tummeln sich die „ewig Junggebliebenen“, die „Alterslosen“ oder die „in den besten Jahren“... Nur im Herzen sind wir alle (fast) gleich jung!