Laura Miculescus Stimmung schlägt schnell um. Ihr kindlicher Überreifer lässt schnell nach. Die Puppenspielerin setzt schnell eine ernste Miene auf und wird geradezu diktatorisch. „Im Theater ist es wie in der Armee“, meint Miculescu bissig zu drei- bis dreizehnjährigen Kindern, die sich verspielt ihren selbst gemachten Puppen zuwenden. Ein Mädchen hat aus Kartoffeln und Zahnstochern eine Prinzessin gebastelt, die sich aus einer dänischen Adelsfamilie zieht. Stolz zeigt sie die Aristokratin in die Gruppe. Auf ihrem Kartoffelkopf ragt eine Papierkrone mit gebogenen Spitzen. Der Junge neben ihr war weniger kreativ. Seine Handpuppe wurde nicht selbst gebastelt, dafür aber selbst gekauft. Das fast jeder der fünfzehn Teilnehmer eine Puppe mitgebracht hat, überrascht Miculescu. Genauso überrascht war die Puppenspielerin über die Anzahl an Kindern, die sich für die Merlin Puppenschule eingeschrieben haben. Mit so vielen Kindern gleichzeitig hat sie noch nicht gearbeitet. Überfordert sieht sich Miculescu allerdings nicht. „Man muss sich halt ihren Bedürfnissen anpassen“, findet sie.
Über einen Zeitraum von fünf Wochen hält die Puppenspielerin zehn Kurse. Darin möchte sie den Kindern die Grundlagen des Puppenspiels näherbringen. Dafür hätte sie schon Puppen aus dem Theater vorbereitet. Noch zögert sie, den Kindern die Marionetten zu zeigen. „Kinder glauben immer, dass die Puppen echt sind“, erklärt Miculescu. „Ich will ihnen nicht die Illusion rauben, indem ich sozusagen das Geheimnis entschlüssle.“ Da versucht sie rücksichtsvoll zu sein. Miculescu zeigt weniger Einsicht, wenn die Kinder aus der Rolle fallen. „Ich dulde es nicht, wenn sie zu spät kommen oder wenn sie mehrere Kurse aussetzen“, meint sie.
Den Kindern erklärt sie schnell, dass das Theater kein Kinderspiel ist. Verstehen tun es die meisten nur bedingt. Besonders dem dreijährigen Luca fällt es schwer, hinter den Spielen auch die Arbeit zu erkennen. Dass Miculescu manchmal schroff wird und mit den Kleinen die Geduld verliert, stört die Eltern nicht. „ Mein kleiner Junge ist Mittelpunkt meiner Welt“, schwärmt Lucas Mutter von ihrem Sohn. Für sie steht fest, dass er trotz seiner drei Jahre großes Potenzial zeigt. „ Er ist ein vielversprechender Junge. Wir können gemeinsam etwas aufbauen, weil er dieses gewisse Etwas besitzt, was man fördern kann.“
Konkret wurden während des eineinhalbstündigen Kurses Papierpuppen gebastelt. Zuerst sollten die Kinder anhand von Kartonschablonen die Kleider aufs Blatt malen, dann folgten Arme und Beine. Besonders bei den Gliedern durften sie ihrer Kreativität freien Lauf lassen. „Weil der Altersunterschied zwischen ihnen so groß ist, möchte ich die Kinder langsam an das Puppenspiel heranführen“, erklärt Miculescu ihre Vorgehensweise. Die Kinder würde sie am liebsten Vernaschen, meint die Puppenspielerin leicht übertrieben. Seit einem Jahr ist sie am Merlin Kindertheater tätig. Davor arbeitete sie an verschiedenen Bühnen als Schauspielerin. „Ich finde es besonders wichtig, dass die Kinder auch mehr über Theaterarbeit allgemein lernen“, meint sie. „Zuerst muss man sich als Schauspieler eine Rolle verinnerlichen können, dann muss man in der Lage sein, diese Rolle auf die Puppe zu projizieren. Das bedeutet gleich doppelt so viel Arbeit.“
Zweimal in der Woche arbeitet Miculescu mit den Kleinen, mittwochs und freitags. Doch auch dienstags und donnerstags werden die Kinder im Puppentheater erwartet. Eva Labadi, Intendantin des Puppentheaters „Merlin“, leitet einen kreativen Workshop. Bewegung und Rhythmus werden gefördert. Die Kinder sollen dabei ein Gespür für Musik entwickeln. Labadi lässt eine sanfte Musik im Raum erklingen, jedes Kind soll, der Reihe nach, eine Bewegung improvisieren. Diese soll dann im Einklang mit der Musik sein. Die 10-jährige Oana macht ein langes Gesicht: „Nun ja, aber diese Musik ist viel zu traurig“, sagt sie. Manche Eltern, die ihre Kleinen aufgeregt und stolz von der Seite beobachten, bringt sie damit zum Schmunzeln, nicht Eva Labadi. Sie guckt das Mädchen ernst an und sagt: „Eine andere Musik habe ich nicht, du musst damit klar kommen“. Dann fordert sie die Gruppe auf: Jedes Kind soll nun eine Bewegung machen. Die Reaktionen sind vorhersehbar: Bei den Mädchen geht es fast ausschließlich um graziöse Ballett-Bewegungen, währenddessen geht es bei den Jungen eher scherzhaft ab: sie versuchen breite und große Bewegungen zu machen. Anschließend wählt Eva Labadi etwa zehn Kinder aus. Sie dreht sich zur Gruppe hin und erläutert ihre Entscheidung: „Ich werde es euch sagen, warum diese zehn Kinder besonders sind. Nicht dass der Rest von euch was falsches gemacht hat. Nein. Diese zehn haben aber besser verstanden was sie machen müssen. “, so Labadi. Die Erklärung: Die ausgewählten Kinder haben breitere und größere Bewegungen gemacht und eben jene typischen Ballett-Bewegungen vermieden. „Ihr müsst einen Zustand wiedergeben“, so Labadi. Ob den Kindern aber tatsächlich klar wurde, was sie falsch gemacht haben, ist noch fraglich. Für viele ist schon der Begriff „Zustand“ noch unklar. (rt,as)