Tracht oder Mode? In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Wanderausstellung des Brukenthalmuseums in Hermannstadt, die zurzeit in den Gewölben des ehemaligen Refektoriums des Klosters von Cotroceni, im Nationalen Museum Cotroceni, gezeigt wird. Porträts, Trachten, Schmuck und Accessoires entführen uns in die Blütezeit Hermannstadts (17.-19. Jahrhundert) und lassen die Welt des gehobenen Bürgertums lebendig werden.
Seit der Schlacht von Mohacs 1526 waren die Handels- und Kultureinflüsse aus dem westlichen Europa unterbrochen und die aufkommende Reformation versuchte, die Prunksucht der städtischen Eliten mit rigorosen Kleidervorschriften einzudämmen. Gold und Silber und bestimmte Pelzsorten blieben nur den obersten Klassen vorbehalten. Daher weist das hier älteste, eigentümlich düstere Porträt der Patrizierin Eva Germana Armbruster, geborene von Rammelln, von Jeremias Stranovius d. Ä. vermutlich um 1680 (laut Katalog 1702) gemalt, eine Reihe recht altertümlicher Stilmerkmale der Renaissance auf.
Eigentümlich, weil es sich hier um ein posthum angefertigtes Porträt handelt, was den starren Gesichtsausdruck erklärt. Der deutsche Sinnspruch „ Pilgerin auf Erden, Bürgerin im Himmel“ gibt somit gleich eine weitere Deutung, denn die Porträtierte zeigt sich hier in ihrem bürgerlichen Festtagskleid. In der deutschen Renaissance glich sich die Kleidung selbst hochgestellter Persönlichkeiten der bürgerlichen Kleidung insofern an, als z. B. die beim burgundischen Hochadel so beliebten langen Schleppen zugunsten des kürzeren, gefältelten Rocks, wie sie die Patrizierinnen der aufstrebenden süddeutschen Reichsstädte trugen, aufgegeben wurden. Ein Fugger konnte laut Kaiser Karl V. die Schätze selbst des französischen Königs praktisch aus der Portokasse bezahlen.
Dementsprechend prachtvoll fällt die Kleidung dieser ersten Dame der Hermannstädter aus, die gleichzeitig bereits alle Elemente der typisch siebenbürgischen Patriziertracht zeigt. Als ältestes Element gilt das „Gereihsel“, ein gefälteltes Hemd mit Stickerei, der hier vorne offene und mit verzierten Spangen geschlossene „Seggel“ (Miederrock), dessen Saum mit Samtborten und Goldlitzen verziert wurde. Über den Rock fällt eine hauchfeine, weiße Schürze. Als Schmuckelemente treten ein die Taille betonender goldener Spangengürtel hinzu sowie ein aufwendig verziertes, auf der Brust zu tragendes „Heftel“, ursprünglich von einer Rundfibel abgeleitet, später meist als Pendant getragen.
Der Kopfputz besteht aus einer goldfarbenen Haube, an die mit „Bockelnadeln“ (Schmucknadeln) ein Schleier befestigt wurde, der an entsprechende Hauben, wie sie auf den Kölner Porträts eines Barthel Bruyn d. Ä zu finden sind, erinnert. In den umgebenden Vitrinen lassen sich all diese Trachtenelemente, nebst der Präsentation einer ganzen Tracht wiederfinden. Ferner können goldene oder vergoldete Gewandspangen, Heftel, und Bockelnadeln, die reich mit Rubinen, Saphiren oder Perlen besetzt sind, bewundert werden. Statt der vorne offenen Miederröcke finden sich auch seidene, mit Pelz gefütterte und vorne geschlossene Mieder. Hier liegt es nahe, dass Rock und Mieder bisweilen auch getrennt getragen wurden. Manchmal wird das Mieder auch durch einen mit Golddraht verzierten Spiegel oder kostbaren Brustlatz geschlossen.
Einzelne Elemente lassen sich als Rudiment selbst noch auf den Porträts des 19. Jahrhunderts entdecken, so der Schleier mit Bockelnadeln, auf den Anna Maria Hinzmann, sonst zeitgenössisch im napoleonischen Empire-Kostüm gewandet, offensichtlich nicht verzichten mag.
Überraschend scheinen die Damen modisch durchaus konservativ eingestellt zu sein. Trotz des ein oder anderen Porträts, das, ganz offensichtlich dem Zeitgeist verpflichtet, nur noch im Hintergrund an Siebenbürgen gemahnt, wie beispielsweise das um 1800 entstandene Porträt von Anna Maria von Huttern, bewahren sich in der weiblichen Mode wesentlich länger und intensiver sächsische Elemente. Recht amüsant wird dies auf einem Bild von Nicolaus Müller (18. Jahrhundert) deutlich: die sächsisch gewandeten Damen tanzen mit Kavalieren, deren Kostüme eher der damaligen Mode bei Hofe entsprechen. Gleiches lässt sich generell sowohl bei den Porträts als auch bei den ausgestellten Bekleidungen und Accessoires bemerken. Stiefel, Rock und Mantel erliegen je nach der politischen Großwetterlage eher orientalischen, ungarischen oder später auch habsburgischen Einflüssen. Die mehrfach geschlungenen Gürtel aus goldenen Schnüren, die pelzbesetzten Mützen – nur die Nobelsten durften Fuchs oder Wolf tragen – und die auffälligen silbernen Knöpfe oder Gewandschließen bilden dennoch bald ein Charakteristikum der sächsischen Männertracht. Viele Accessoires, von der Tabakdose bis zum Fächer, oder die schön gestalteten Einladungskarten zum Bürger-Ball zeugen vom verfeinerten Geschmack der Hermannstädter.
Der letzte Raum ist den Kindern und ihrer Kleidung gewidmet. So tritt uns Selma von Szerviczky auf ihrem Porträt städtisch elegant gekleidet ganz wie ihre Altersgenossinnen in Wien oder anderen Großstädten des 19. Jahrhunderts entgegen. Auch in den Kleinkinderporträts des 18. und frühen 19. Jahrhunderts samt der entsprechenden ausgestellten Kleidung lassen sich kaum regionale Besonderheiten finden. Allerdings dienen diese eher der Erinnerungskultur, denn ein Blick auf die Daten lässt erkennen, dass es sich hier um frühverstorbene Kinder handelt. So schimmert durch all die kostbaren Exponate und prachtvollen Porträts doch ein Stück der bisweilen rauen Realität hindurch.
Anders als die nur mit angemeldeter Führung zu besuchende Dauerausstellung des Nationalen Museums Cotroceni, kann diese beeindruckende Sonderausstellung ohne vorherige Anmeldung besucht werden. Gültige Ausweispapiere sind allerdings obligatorisch. Die Ausstellung läuft noch bis zum 10. Mai 2015 und kann von Dienstag bis Sonntag von 9.30 -17.30 Uhr besucht werden.