Zu Ostern gab´s in Chişinău eine Großdemo der „Unionisten“. (Angeblich) 30.000 forderten lautstark am 90. Jahrestag der Vereinigung Bessarabiens mit Großrumänien die Wiedervereinigung. Die 30.000 (darunter eine ungenannte Zahl rumänischer Staatsbürger) vertraten den Willen von 30 Prozent der Bevölkerung des Nachbarn, welche in der Vereinigung mit Rumänien eine Abkürzung des EU-Beitrittswegs sehen – eine Vermeidung imperativer interner Läuterungsprozesse politischer, ökonomischer, sozialer, juristischer und moralischer Natur.
In Rumänien sollen 75 Prozent der Bevölkerung einer Wiedervereinigung zustimmen – so die sentimental sabbernden Bukarester Medien und Meinungsmacher. Wie immer, wenn das Herz die Ratio erwürgt: keiner hat eine Ahnung, was ein solcher Prozess für Rumänien finanziell bedeutet. Es gibt hierzulande kein „Ministerium für Wiedervereinigung“, wie in Südkorea, das genau berechnet hat, was im Falle der Korea-Halbinsel eine Vereinigung kosten würde, wirtschaftlich, sozial, kulturell, im Gesundheits- und Bildungswesen, politisch, administrativ. Vergleiche mit Deutschlands Luxusvereinigung wären vernunftignorant.
Hierorts vermeint man, mit „Unire“-Brüllen das Problem zu lösen, ähnlich wie vor 20 Jahren mit romantischen „Blumen-Brücken“ über den Pruth, mit unkritischen Eminescu-Hudeleien und Lyrikfestivals. Pragmatismus? Beiderseits des Pruths ein Fremdwort. Realisten? Denken sequenziell.
Ein Hochschullehrer, Ex-Berater ehemaliger Premierminister Rumäniens (R. Vasile und A.Năstase), Petrişor Peiu, tingelt durch Rumänien und spricht über „Kosten einer Wiedervereinigung“. Er setzt sie „nicht allzu hoch“ an: in 20 Jahren einmal das gegenwärtige Brutto-Inlands-Produkt (BIP) Rumäniens, „über“ 180 Milliarden Euro. Nur für die Infrastruktur Bessarabiens. Peiu meint, als erstes müsste ein Forum von Akademikern und Politikern gegründet werden, das sich Fragen der Wiedervereinigung vorknöpft. Bisher gibt es jenseits des „Unire“-Brüllens keinen Plan, geschweige denn eine Regierungsorganisation, die der Frage auf den Grund geht.
Das BIP Bessarabiens liegt bei etwa 1,5 Milliarden Euro. Rumänien müsste in seinem Haushalt für Moldawien jährlich, 20 Jahre lang, mindestens elf Milliarden Euro einplanen. Erste Frage: woher dieses Geld? Auch wenn man die elf Milliarden um die 1,5 selbstaufgebrachten Milliarden Bessarabiens verringert, bleiben 9,5 Milliarden herzuzaubern. Gesetzt der Fall, die EU stimmt einer Wiedervereinigung zu und schießt Geld bei: angesichts der aktuellen Absorbtionsfähigkeiten Rumäniens bleibt´s problematisch. Am schwierigsten ist eine vernunftdiktierte Zustimmung der Bürger zur Vereinigung. Per Volksabstimmung.
Das Thema wird, je mehr sich 1918 nähert, akuter.
Außer einer Gefühlsantwort hat Rumänien bisher nix parat.