Mamaia: Grandioser Neuanfang oder Fehlgeburt?

Über 50 Hektar neuer Strand steht leer

Erweitertes Badeparadies – oder einfach nur Sandwüste?
Foto: der Verfasser

Mamaia, die „Perle der rumänischen Riviera“, erwartet seine Badegäste im Jahr 2021 mit über 50 Hektar neuem Strand. Das Projekt zur Erhaltung und Besandung der rumänischen Schwarzmeerküste im Wert von einer Milliarde Euro wird zu 85 Prozent aus EU-Mitteln finanziert. Hunderttausende zusätzliche Touristen soll der neue, erweiterte Strand am berühmtesten und bekanntesten Badeort Rumäniens anziehen. Gleichzeitig soll die erweiterte Fläche zusätzliches Geschäftspotential für lokale Unternehmer bieten und generell die Wirtschaft in dieser Region aufblühen lassen – wodurch sich der Staat zusätzliche Steuereinnahmen erhofft. Eine perfekte Win-Win-Win-Stituation…

Nur stehen die Strände derzeit – jetzt, in der Hochsaison – eher leer. 

Vorgeschichte: schrumpfende Touristenzahlen

Seit Jahren kämpfen rumänische Unternehmen an der Schwarzmeerküste ums Überleben. Hauptgrund dafür ist die immer geringere Anzahl an Touristen, was teilweise auf veraltete und nicht sanierte Unterkünfte und mangelhafte Dienstleistungen zurückzuführen ist, andererseits aber auf die wegen der Erosion durch das Meer immer schmäler werdenden Sandstrände. Längst bevorzugen viele  Rumänen für einen Urlaub den bulgarischen oder den griechischen Strand. Die Tourismussaison wurde immer kürzer, wodurch die Unternehmer, zwecks Deckung ihrer  Kosten, die Preise ständig erhöht haben – was wiederum ein Grund für viele Urlaubstouristen war, die rumänische Schwarzmeerküste zu meiden. Sogar der jetzige Tourismusminister, Claudiu Năsui, erklärte neulich, dass er seinen Sommerurlaub sicherlich nicht im überteuerten Mamaia verbringen werde. Ein Teufelskreis – scheinbar ohne Ausweg.

Zahlreiche Invesitionen in die Infrastruktur sowie unzählige Baugenehmigungen insbesondere im Norden Mamaias haben die Touristenanzahl nicht wesentlich erhöhen können. – Im Gegenteil: der neue Bereich „Mamaia Nord“ wirkt mit seinem Kitsch, „Manele“, den lauten und überteuerten Lokalen und dicht aneinander gequetschten Bauwerken ohne kohärente Bebauungsstrategie eher abschreckend.

Ausschließlich staatlich geförderte Programme – für Rentner, Billigurlauber und insbesondere staatliche Bedienstete – haben die Auslastung vor allem außerhalb der Hochsaison gesteigert, jedoch nur für die entsprechenden Zielgruppen. Sie wurden oft als verdeckte staatliche Finanzierung des Tourismus betrachtet.

Auch die Anzahl der Ausländer ist stark geschrumpft – insbesondere auf Grund der Darstellung Rumäniens auf dem internationalen Tourismusmarkt. Slogans wie „Romania – Land of Choice“ oder „Carpathian Garden“ haben mehr Fragen aufgeworfen als Anziehungskraft ausgeübt. Die einzige kohärente und anziehende Kampagne nach der Wende scheint diejenige der PSD-Regierung von 2006 zu sein, als es zahlreiche Werbespots mit dem Slogan „Romania – Simply Surprising“ in den internationalen Medien gab.

So wurde die rumänische Schwarzmeerküste und insbesondere Mamaia in den letzten Jahren vorwiegend für zwei Kundensegmente interessant: Wochenendtouristen, die am Strand Dampf ablassen wollen und Billigurlauber unterschiedlicher Art.

Anziehungspunkt: Sandstrand

Einer der größten Pluspunkte der rumänischen Küste war schon immer der feine Sand. Trotz aller Mängel bezüglich Dienstleistungen, Unterkünfte und Infrastruktur, war die rumänische Schwarzmeerküste als kostengünstig und herrlich feinsandig bekannt. Zwar bieten Kroatien und Italien schönere Aussichten, aber der steinige Strand schreckt dort viele ab. Und darauf haben sowohl Hoteliers als auch das Tourismusministerium Rumäniens gesetzt. 

Auf Grund der hiesigen Stranderosion – von Mamaia bis hinunter nach Vama Veche – ist der feine Sand jedoch immer weniger geworden und an den Stränden findet man oftmals schwer Platz, um eine Decke auszubreiten. „In zehn bis zwanzig Jahren könnte Rumänien mancherorts keinen Strand mehr haben“, erklärte der ehemalige Tourismusminister Costel Alexe voriges Jahr.

Gleichzeitig scheint es noch immer Nachfrage für die rumänische Schwarzmeerküste zu geben: allein die Online-Reservierungsplattform AirBnb kündigte 2019 einen fast 300-prozentigen Anstieg der Buchungen im Vergleich zum Vorjahr an.

Wiederbelebungsprojekt: Erweiterung der Strände

Vor diesem Hintergrund hat die rumänische Regierung im Jahr 2014 ein weitläufiges Projekt zur Wiederbesandung der Strände eingeleitet, das mit rund 840 Millionen Euro aus EU-Mitteln finanziert wird und binnen einigen Jahren die Strandoberfläche um rund 240 Hektar erweitern soll. Im Jahr 2021 wurden bereits über sieben Kilometer Strand bei Mamaia um über 100 Meter erweitert, nächstes Jahr sollen die weiter südlich gelegenen Badeorte bis Saturn drankommen. Nach Beendung der Arbeiten will sich Rumänien mit den breitesten Stränden an der Schwarzmeerküste rühmen.

Das Problem ist nur...

...dass der vom Meeresboden ausgehobene Sand dem bis 2020 bekannten feinen weichen Sand  auf den Stränden nicht annähernd gleicht. Er ist gröber, rauer und besteht aus zerbröckelten Muscheln. Er sei jedoch speziell ausgewählt worden, um nicht vom Wind verweht und vom Meer weggespült zu werden, also um der Erosion länger standzuhalten, erklärte Nicu{or Buzgaru, stellvertretender Leiter der regionalen Gewässerbehörde (ABAD). Gleichzeitig hat die Erweiterung der Strände den tiefen Meeresboden näher gebracht – und damit auch die Gefahr des Ertrinkens. Voriges Jahr konnten Eltern ihre Kinder sorglos allein ins Meer lassen: sogar 50 Meter vom Land reichte ihnen das Wasser nur bis zur Hüfte. Der Schwimmbereich erstreckte sich auf 150 Meter – dieses Jahr nur auf 15 bis 20 Meter, wobei der Meeresboden viel steiler und schneller in die Tiefe geht.

Wer kurz mal aufs Klo muss, hat unter Umständen sogar 350 Meter zu laufen, denn alle WCs sind in der Nähe der Promenade aufgestellt. Ebenso weit weg liegen die Kioske, Terrassen und Bars.  Der neu besandete Bereich kann derzeit nicht vermietet werden, da er im Katasteramt noch nicht eingetragen ist – und somit mussten alle Terassenbetreiber ihre alten Positionen beibehalten. Doch selbst wenn sie sich näher am Meer aufstellen würden, hätten sie Probleme mit der Belieferung, da es am Strand keine befahrbaren Wege gibt. 

Auch Vermieter der Liegestühle beklagen die geringe Touristenzahl: viele würden das Gedränge anderer Badeorte bevorzugen, wo das Wasser näher an die Liegestühle herankommt.

Zukunftsaussichten

Auch wenn dieses Jahr die Unternehmen in Mamaia noch leiden müssen, unterstreichen offizielle Quellen den zukünftigen Wert der Investition: es soll ein Neubeginn für die rumänische Schwarzmeerküste sein und bedürfe einer positiven Einstellung aller Beteiligten, so Umweltminister Barna Tanczos . Im Anschluss soll es eine internationale Ausschreibung für die Schaffung der nötigen Infrastruktur dieser „immensen Oberflächen“ geben, um in Zukunft „moderne Strände, entsprechend dem 21. Jahrhundert“ anbieten zu können.

Fazit

Ob nun eine derartige Erweiterung der bereits breiten Strände Mamaias wirklich nötig war, bleibt umstritten. Weswegen nicht mit den kleineren, viel stärker errodierten Stränden der südlicher gelegenen Badeorte – Eforie Sud oder Eforie Nord – begonnen wurde, ist vielen ein Rätsel. Ebenso die Wahl des neuen Sandes und die Zerstörung der so beliebten feinen Sandstrände.

Tatsache ist aber, dass es einer umfassenden Logistik und zusätzlichen Investitionen bedarf, um sowohl den Wünschen des zahlenden Kunden zu entsprechen und auch den Unternehmern Möglichkeiten zu bieten, ihre Tätigkeit auszuüben.

Ebenfalls sollte an die Gewinnverluste der Unternehmer während der Arbeiten gedacht werden, denn während der nächsten Jahre werden fast alle Badeorte mit denselben Problemen konfrontiert.

Nicht zuletzt bedarf die „zukünftig größte Strandoberfläche“ an der Schwarzmeerküste einer entsprechenden Werbung, qualitätsvoller Dienstleistungen und sanierter Unterkünfte, um die Urlauber wieder locken zu können. 

Die Zukunft wird zeigen, ob das Besandungsprojekt einen grandiosen Neuanfang für die Schwarzmeerküste einleitet – oder eine komplette Fehlgeburt.