Unlängst berichteten ADZ (am 19.10.2022) und KR (am 20.10.2022) ausführlich über die Übergabe des Gemäldes „Der Studentenhügel“ von Karl Hübner (1902-1981) als Leihgabe an das Nationalkolleg mit deutscher Unterrichtssprache „Johannes Honterus“ in Kronstadt. Dieses großformatige Historienbild (100 x 147 cm) stellt ein wichtiges Ereignis in der Geschichte Kronstadts wie auch in der nahezu 500-jährigen Geschichte der Honterusschule dar: die Schlacht bei Marienburg vom 16. Oktober 1612, in der die von Stadtrichter Michael Weiß angeführten Kronstädter im Kampf gegen ein Heer des siebenbürgischen Fürsten Gabriel Báthory um die Freiheit ihrer Stadt kämpften und in der auch 39 (nach anderen Quellen: 22) Schüler des damaligen Kronstädter evangelischen Gymnasiums, im früheren Sprachgebrauch „Studenten“ genannt, zusammen mit vielen anderen Kronstädtern und Burzenländern ihr Leben auf dem Schlachtfeld gelassen haben.
Gerade zum Zeitpunkt, als Karl Hübners „Der Studentenhügel“ der Öffentlichkeit im Rahmen einer Vortragsveranstaltung im Festsaal des Deutschen Forums Kronstadt vorgestellt und anschließend der Honterusschule übergeben wurde, wurde bekannt, dass das Bukarester Auktionshaus „Artmark“ ein weiteres Gemälde von Karl Hübner, das ebenfalls den Einsatz der Kronstädter „Studenten“ in der Schlacht bei Marienburg zum Thema hat, am 25. Oktober d.J. versteigert wird. Das ist inzwischen geschehen, das Bild fand einen Käufer in der Person von Prof. Klaus Fabritius, der an der Honterusschule Geschichte unterrichtet und dieses Kunstwerk ebenfalls der genannten Schule als Leihgabe zugedacht hat, damit es als Anschauungsmaterial im Geschichtsunterricht und anlässlich der jährlichen Michael-Weiß-Gedenkfeiern Verwendung findet. Die Zeremonie der Übergabe an die Schule hat am 15. November d.J. in der Aula der Honterusschule in Anwesenheit zahlreicher Zwölftklässler stattgefunden.
Auch die nun aufgetauchte Variante des Bildes „Der Studentenhügel“, die der Übersichtlichkeit halber als „Der Studentenhügel (II)“ bezeichnet werden soll, ist ein großformatiges Gemälde (Öl/Lw., 180 x 112 cm). Während die ursprünglich bekannte Variante von Karl Hübner signiert ist, ist das beim nun der Öffentlichkeit vorgestellten Bild nicht der Fall. Beide Bilder sind nicht datiert, doch ist bekannt, dass in der II. Gesamtschau deutscher Künstler Rumäniens, die im Herbst 1938 in Kronstadt gezeigt wurde, auch Karl Hübners „Studentenhügel“ ausgestellt war, wobei anzunehmen ist, dass es sich dabei um das Bild, das bereits im Oktober der Honterusschule übergeben wurde, gehandelt hat. Auch das Gemälde „Der Studentenhügel (II)“ ist vermutlich etwa in den enddreißiger Jahren entstanden. Vergleicht man die beiden Bilder, so fällt auf, dass „Der Studentenhügel (II)“ einen vergrößerten Ausschnitt des ursprünglich bekannt gewordenen, auch in den 1950er Jahren in Kronstadt ausgestellten Gemäldes, nennen wir es „Der Studentenhügel (I)“, darstellt. In diesem sind die im Kampf befindlichen „Studenten“ als kompakte Gruppe dargestellt, während in „Der Studentenhügel (II)“ einzelne Gestalten das Bild beherrschen. Auffallend ist noch der Unterschied, dass die in „Der Studentenhügel (I)“ dargestellten Personen historisch kostümiert sind, während sie in „Der Studentenhügel (II)“ eine Kleidung tragen, die der traditionellen Tracht der Coetisten (der Coetus war die bereits von Honterus in seiner Schulordnung von 1543 vorgesehene Selbstverwaltungs-Organisation der Schüler an den siebenbürgisch-sächsischen Gymnasien) nachempfunden ist. Man beachte diesbezüglich die an den Flaus erinnernden dunklen Samtröcke mit den Schnur-Verschlüssen, in die die kämpfenden „Studenten“ gekleidet sind, und die blauen Schülermützen, die die Honterianer zum Zeitpunkt, als das Bild entstanden ist, getragen haben, zu Beginn des 17. Jahrhunderts aber noch nicht in Gebrauch waren. Interessant ist ein weiteres Detail des zweiten, nun ebenfalls der Honterusschule übergebenen Studentenhügel-Bildes. Links oben zeigt es ein emblemartiges Gebilde, auf blauem Wappenschild zusammengesetzt aus dem Kronstädter Wappen (der Krone auf dem verwurzelten Baumstumpf), der Silhouette des 1913 eingeweihten Studentendenkmals in Marienburg und einem Spruchband, auf dem folgender Satz zu lesen ist: „Sie kämpften tapfer und starben alle für Volk und Heimat.“ Daraus spricht der Geist der Zeit, in der das Gemälde entstanden ist, während in Nachwendezeiten die Michael-Weiß-Gedenkfeiern in Marienburg eher als dem Gedenken an die Opfer von Gewaltherrschaft, Diktaturen und Deportationen gewidmete Veranstaltungen konzipiert worden sind.