Nur nichts wegschmeißen!

Symbolfoto: freeimages.com

Mein Mann sagt, ich bin nicht nur die schnellste Köchin, sondern ein Meister im spontanen Resteverwerten. Manchmal gelingen meine Erfindungen so gut, dass ein Dauerbrenner daraus wird. Dann wieder steht man ratlos vor dem eigentlich halbvollen Kühlschrank und denkt: Zu Essen ist zwar was drin – aber passt da auch irgendwas zusammen? Ein Rest roter Linsen in Tomatensoße. Eine Zucchini, die weg muss. Das Räucherkäsestück setzt auch schon Blauschimmel an. Ein paar abgetrennte Eiweiße, zwei braungefleckte Bananen – ob das nicht eher für die Hunde...?

Halt! Aus letzterem lässt sich eine Köstlichkeit zaubern, die man nicht so schnell vergisst: in Honig karamellisierte, gebratene Zimtbananen, mit Zitrone beträufelt, dazu süßer Eierschnee. Durch die Fantasieübung angeregt, knipst sich augenblicklich der Resteverwertungsnucleus im präkulinarischen Kortex der rechten Großhirnrinde an und eröffnet nun auch zum Rest kreative Vorschläge: Die Zucchini halbieren, mit Linsenrest und Oliven füllen, Gewürze und geriebenen Räucherkäse drauf und ab in den Backofen. Das Überraschungs-Schlemmermenü landet im handschriftlichen Kochnotizbuch unter der Rubrik „wiederholenswert“!

Genau da aber liegt der Haken... Denn will man es reproduzieren, fehlt einem ausgerechnet der kleine, abgestandene Linsenrest. Und der frisch produzierte Eierschneeberg hinterlässt ein neues, noch dazu hochverderbliches Problem: mehrere Eidotter!

Schon lange schwebt mir daher die Idee eines interaktiven Resteverwertekochbuchs vor – am Computer. Will man seinen Schatz am Sonntag mit Linsenzucchinischiffchen und Bananen in Eierschnee verwöhnen, schickt man den Rechner auf die Suche nach Rezepten für den Tag davor, die den passenden Rest produzieren – und für den Tag danach, um die neu verursachten Überbleibsel auch zu verwerten. Sparsam, umweltfreundlich – geradezu genial!

Naja... Im Prinzip erwies sich die Idee auch als Erfolg. Zumindest theoretisch. Denn Wunschrezept Nummer 28 verweist auf Nummer 17, die den erforderlichen Zutatenrest erzeugt. Nur, dass man für die 17 den Rest von Nummer 36 benötigt. 36 aber verlangt Reste von 8 und 123, die wiederum auf 34 und 65 verweisen. Macht nichts – langfristiges Planen soll uns Deutschen doch in die Wiege gelegt sein. Irgendwann wird die Rechnung schon aufgehen.

Tja, und dann wäre da noch die Verwertung der entstehenden Reste zu berücksichtigen: Nummer 34 und 65 braucht man beide für die 22, welch ein Glück! Am darauffolgenden Tag gibt’s dann 88 und 13, denn nur so kann ich die Überbleibsel von 123, 8 und 36 verwerten. Dafür braucht man allerdings zwingend noch einen Rest von 44... Puuh, wann soll ich denn auch noch die 44 kochen?

Mit ein wenig Organisation ist auch dies in den Griff zu kriegen. Gute Buchführung und viele kleine Döschen mit konsequenter Beschriftung erleichtern den Küchenalltag. Gut gelaunt mache ich mich an die 44... Der Rest wird säuberlich verstaut und alles ist gerettet.

Am nächsten Tag suche ich sie. Nicht zu finden, die 44! Vielleicht falsch beschriftet? Das Schüsselchen zu weit nach hinten geschoben? Schlimmer. Der ultimative Supergau: Die 44 ist aufgegessen! Hab ich nicht tausendmal gewarnt, die kostbaren Reste sind tabu? Wie soll denn so die Essensbuchhaltung stimmen? Und was mach ich nun mit den inkompatiblen Resten?
Verzweifelt den Computer nach neuen Lösungen befragt: Bingo! Nummer 26 hilft weiter – nur dass man für die 26 den Rest von der 28 braucht.

Die 28. Ja, die  28...  Kommt die mir nicht irgendwie bekannt vor? Natürlich! Um diese zu kochen, hatte ich doch die Rechenpyramide erst aufgestellt. Verflixt, da beißt sich der Hund in den Schwanz.

Hund? „Hundileins! Kommt mal alle her!“

So einfach kann die Lösung sein.