Randbemerkungen: Ist noch etwas zu retten?


Sobald ein ausgehungerter Rechtsextremer (auf durchaus demokratischem Weg) die Macht kriegt, hat er zwei Hauptziele im Auge: den Rechtsstaat zu untergraben und die Zivilgesellschaft bis zur Ausschaltung zu schwächen. Der Fankurven-Dirigent George Simion, mit rund 41 Prozent schon nach der ersten Wahlrunde ein Erdrutschsieger der Nationalisten und Souveränisten (die Auslandsrumänen stimmten gar zu über 60 Prozent für ihn), dürfte am 18. Mai schwer, wenn nicht bereits unmöglich zu schlagen sein. Denn der schillerndste der Präsidentschaftskandidaten dieses Schwarzen Sonntags, Victor Ponta, dürfte als Viertplatzierter die mehr als eine Million Stimmen, die er einheimste, mehrheitlich an Simion weiterreichen. Damit wäre das „Spiel“ gemacht. Rumänien würde auf Wunsch seiner Wählerschaft definitiv ins pro-östliche illiberale Lager wechseln. Die zwei Hauptziele könnten in Angriff genommen werden.

Am leichtesten hätte es Simion bei seinem „Umbau“ mit der Zivilgesellschaft. Für die gilt in Rumänien das altbewährte Sprichwort: Das gesenkte Haupt trennt kein Schwert ab! Auch 35 Jahre nach der Wende ist die rumänische Zivilgesellschaft politisch insignifikant. Wagt sich bestenfalls an kleine gemeinnützige Projekte, hat aber ganz selten – und dann regelmäßig kraftlos verpuffend – große politische Ziele ins Auge gefasst.

In diesem Fahrwasser kann leider auch der im Rennen gebliebene Gegenkandidat Simions, der Bukarester Oberbürgermeister Nicușor Daniel Dan, gesehen werden: ein ehemaliger Klassenbester, kein großer, die Massen mitreißender Redner, ein bislang mäßiger Macher, redlich, bescheiden, realistisch und unpopulistisch – so ziemlich alles, womit der rumänische Durchschnittswähler nix anfangen kann. Dieser ehrenwerte junge Mann, zudem aus orthodoxer Perspektive ein Zwielichtiger, soll binnen Tagen eine Koalition der Anständigen und Pro-Westlichen schmieden? Klingt unwahrscheinlich. Vielleicht kann´s aber sein Team…

Wie der Rückbau des Rechtsstaats zu bewerkstelligen ist, das kann sich Simion bei unseren westlichen Nachbarn, den Orbán-Unterworfenen, oder, zunehmend, bei den Slovaken des Robert Fico abschauen. Ficos SMER, „sozialdemokratisch“, war 2023 wieder an die Macht gekommen, nachdem Fico 2018 nach dem Journalistenmord (Jan Kuciak) zurücktreten musste und zwischendurch sogar einer Verurteilung entging, dank dem Generalstaatsanwalt, der SMER nahe steht. Wieder an der Macht, wird unter Fico die Unterstützung der Ukraine zum „Verbrechen“ bzw. „Landesverrat“. Fico buhlt in Moskau um Energie (ist dieser Tage bei Putins „Siegesfeier“ auf dem Roten Platz dabei). Im Land macht er „Ordnung“: die vor ihm die Macht Ausübenden werden staatsanwältlich gefilzt, vor Gericht gestellt, verurteilt. „Korruption auf höchster Ebene kann nicht zur Diskussion stehen, denn die gibt es nicht“, dekretierte Ficos Generalstaatsanwalt Maros Zilinka. Unter dessen Schutzschirm führt Fico „Rachefeldzüge“ gegen die ehemaligen Ausübenden der Macht, auch, indem er das Strafgesetzbuch ändern ließ. Indem er Staatsanwälte und unbotmäßige Polizeioffiziere entfernen lässt.

Untersuchungsziel ist nicht Korruption – angeblich würde das zurückführen zu Fico – sondern die Nachlese der Maßnahmen der Pandemie-Zeit und die Ukraine-Hilfe. Abstruse Behauptungen zur Pandemie (Anti-Covid-Injektionen haben die Pandemie geschaffen, die vormalige Regierung hat sie importiert, um das Volk botmäßig zu halten), und die MIG-29-Schenkung sowie die Luftabwehrsysteme, die von der Slovakei an die Ukraine transferiert wurden, seien „Geschäfte“ gewesen. Ficos Regierung setzt virtuelle Realitäten durch – auch wenn es innerhalb der SMER noch Opposition gibt. Innenminister Matus Estok: „Kein Politiker hat die Kompetenz, der Polizei zu diktieren, was sie zu untersuchen hat!“
Rumänien sollte sich auf derlei „Realitäten“ einrichten.