Aktiv- oder Erlebnisurlaub bzw. -wochenende sind die Renner dieser Tage, auf der faulen Haut liegen ist verpönt. Ich verstehe das Argument, dass man mittels Sport oder sonstigem Kick die im Verlauf der Woche oder des Jahres angestauten Anspannungen abbauen soll. Bis zu einem gewissen Alter mag man dadurch Energie tanken, ganz überzeugt bin ich jedoch nicht, dass alle Leute mittels Abenteuer entspannen. Schon ganz und gar nicht, wenn man hierfür Schlange stehen muss bei Anlagen oder in Gaststätten und ständig auf Tuchfühlung mit hunderten von Leuten ist. Jenen, die Ruhe suchen, kann ich einen – den richtigen Hermannstädtern längst bekannten –Tipp geben: das Laiţa/Lăiţa-Tal. Einen deutschen Namen soll der Bach nicht haben.
Wer neben der Suche nach Stille und Idylle auch Besichtigungen machen möchte, kann auf dem knapp 50 Kilometer langen Weg von Hermannstadt/Sibiu bis unter die Fogarascher Berge u.a. in Gierelsau/Bradu anhalten und die dortige evangelische Kirche besichtigen. Zu einem beliebten Ziel ist die Sommerresidenz von Baron Samuel von Brukenthal in Freck/Avrig geworden, deren Gartenanlage man ansehen kann. In der Orangerie und im Park werden immer wieder Kulturevents angeboten, in der in der Orangerie eingerichteten Gaststätte ist Schlemmen möglich.
Im Mai gab es saisonbedingt zum Beispiel Spargelgerichte, denn Spargel wird seit einigen Jahren auch in Freck angebaut. Bei der Weiterfahrt ist links an der Straße ein burgähnliches Riesengebäude zu sehen: Das fast fertig gewordene Hotel mit Wellness- und Sportanlagen (eines Hermannstädter Nachwende-Politikers und seiner Parteifreunde), das von einer Bank übernommen worden ist, weil die Kreditraten nicht mehr gezahlt werden konnten. Schade, denn ein dergleichen Angebot fehlt in der Gegend, sowohl für Betuchte als auch Sonderangebot-Erhascher. Um in das Laiţa-Tal zu gelangen, muss man von der Europastraße Hermannstadt – Fogarasch/Făgăraş in Cârţişoara in die Transfogarascher Hochstraße abfahren, die schnurstracks auf das Fogarascher Gebirge zuführt. Im Ort gibt es das Badea-Cârţan-Museum mit einer wertvollen Ikonen-Ausstellung und eine Menge Pensionen. Richtige Laiţa-Fans aber schlafen im Zelt.
Wie kommt man hin?
An den Bach gelangt man am besten, wenn man gleich nach der Ausfahrt aus Cârţişoara, wo die Hauptstraße nach der Brücke über die Laiţa einen Linksknick macht, auf dem Feldweg geradeaus weiterfährt. Wir fuhren zunächst etwas weiter auf der Hauptstraße und bogen dann erst rechts in eine geschotterte Straße ab. Dieser Weg führt zur Forellenzucht des Forstamtes, wo uns die Hunde freundlich anbellten, als sie merkten, dass wir keine Angeln oder Netze in die Forellenbecken warfen.
Auch entlang dieses Weges – das Auto hatten wir stehen lassen – erfreuten wir uns am Rauschen des Baches, an den vielen bunten Schmetterlingen und dem im Aufblühen befindlichen Holunder. Ende Mai führte der Bach ziemlich viel Wasser von der Schneeschmelze, am Ufer befanden sich viele Steine und Geröll.
Weitaus schöner ist das Tal am linken Ufer der Laiţa, also wenn man gleich nach der Ausfahrt aus Cârţişoara reinfährt. Hier veranstaltet die Brukenthalschule seit vielen Jahren ihre Zeltlager, aber auch andere campen hier gern. Zwar sind überall Schilder angebracht, dass es sich um Privatgrundstücke handelt und Campen, ja sogar Parken, verboten sei, aber es kommt dann doch niemand vorbei und schickt einen weg, es sei denn, man kriecht in umzäunte Areale. Im Tal gibt es keine Gaststätten oder Hütten, in denen man einkehren könnte, folglich auch keine Touristen und Lärm, man kann also in der Stille und Idylle wandern. Kletterer, d. h. erfahrene Bergsteiger, können nach etwa zwei-drei Kilometern Spaziergang durch das Tal auf unmarkierten Stegen bis auf die Zweitausender klettern. Wir wollten das nicht. Stattdessen saßen wir in der Sonne und ließen unsere Füße ins kalte Wasser baumeln. Im Sommer kann man an tieferen Stellen des Baches auch ganz eintauchen, um sich zu erfrischen. Während über die greifbar nahen Gebirge immer wieder Nebelschwaden und Gewitterwolken aufziehen, ist man im Tal geschützter und weniger wetterexponiert.
Faszinierend ist im Laiţa-Tal die Gebirgsvegetation. Ende Mai waren die Wiesen von rosafarben blühendem Gras bedeckt, bestaunen kann man später im Jahr fast einen Meter hohe Königskerzen und verschiedene Gebirgsnelken. Das satte Grün des Frühlings vor Gebirgskanten mit weißen Schneespuren wird im Herbst von braun-rot-ocker gefärbtem Wald über den immer noch grünen, aber von Reif bedeckten Wiesen abgelöst. Dass Luft und Wasser sauber sind, braucht man nicht extra zu betonen.
Am Bulea-Bach
Für eine Rast kann, wer den Schotterweg im Laiţa-Tal meiden möchte, auch am Bulea/Bâlea-Bach anhalten, der entlang der Hauptstraße fließt, die zu Buleawasserfall, -see und -hütte führt. Auf beiden Seiten dieses Baches zogen Schafherden dahin, die Schäferhunde lieferten sich über den Bach ein Gebell-Duell. In der Gegend gibt es mehrere Sennhütten und die Schäfer warten auf besseres Wetter, um mit den Herden in die Berge raufzuziehen. Meist tun sie das nach dem Peter- und Pauls-Tag (also 29. Juni). Der Hirte, mit dem wir sprachen, sah sich die Gebirge mit bedenklicher Miene an und meinte, heuer werde es möglicherweise später werden. Um weiter mit uns im Gespräch zu bleiben, ließ er einen seiner Hunde vorführen, wie effizient dieser die Schafe scheucht und pfiff ihm Befehle zu. Bloß gerieten die Schafe dadurch auf die Straße...
Weiter in Richtung Fogarascher Berge befindet sich links eine Abzweigung zur Forellenzucht und dem Gastronomie- und Hotelkomplex Albota. Wer nicht selbst etwas für den Grill mitgenommen hat und auf warmes Essen nicht verzichten möchte, kann dort ein köstliches Mahl aus frischen Lebensmitteln verspeisen und bei entsprechendem Budget auch gemütlich übernachten. Nicht sehr weit entfernt befindet sich das Brâncoveanu-Kloster Sâmbata de Sus, dessen Anlage in den letzten Jahren sehr vergrößert und zu einem Konferenzzentrum ausgebaut worden ist. Eine Besichtigung lohnt sich ebenfalls. Damit taucht man dann aber wieder in die Tourismuswelt ein – und das wollten wir nicht.