Univ.Prof. Martin Woldan unterrichtet an der Universität für Musik und Darstellende Kunst Graz „Körperlicher Ausdruck“. Im November hielt Woldan in Temeswar/Timisoara eine dreitägige Werkstatt für die Studentinnen und Studenten von der Schauspielschule Temeswar. BZ-Redakteur Robert Tari sprach mit ihm am letzten Workshop-Tag über die Arbeit mit den Studenten, die Unterschiede zwischen Studierenden aus Graz und Temeswar und seine Eindrücke.
Sie haben drei Tage lang mit den StudentInnen von der Schauspielschule Temeswar gearbeitet. Wie fanden Sie die Arbeit?
Ich fand die Mischung sehr interessant. Ich habe mit einer heterogenen Gruppe gearbeitet, die aus Studenten von der rumänischen und der deutschen Abteilung bestand. Ein bisschen Vorahnung hatte ich schon, weil wir Andrei Valea als Erasmus-Studenten an Universität für Musik und darstellende Kunst Graz haben. Er ist im zweiten Semester Schauspielstudium und hat gerade vor einer Woche eine Szene aus William Shakespeares „Macbeth“ mit einer Studentin aus seinem Jahrgang gemacht. Da habe ich schon eine ganz andere Art zu spielen gesehen. Weil ich ja von Bewegung komme und mich sehr für Körpersprache interessiere, arbeite ich an der Universität nicht ausschließlich mit den Schauspielerinnen und Schauspielern, sondern auch mit Sängerinnen und Sängern sowie Instrumentalstudierende. Zwar nicht in diesem Ausmaß an Stunden, wie mit den Schauspielern, aber doch in einer intensiven Form. Und ich stoße immer wieder vor allem bei Studierenden aus Asien körpersprachlich an Grenzen. Wir gehen bei der Bewegungsarbeit nicht so sehr in die Tiefe, wie beispielsweise beim Schauspiel, trotzdem ist es immer ganz interessant aber schwierig, wie die einzelnen Völker, Nationen sich körperlich ausdrücken. Wir haben wirklich Studenten aus aller Welt. Wie ich dann Andreis zweite Arbeit sah - er hatte schon gleich zu Beginn seines Erasmus-Programms im Oktober eine kleine Szene gemacht, eine kleine „Etüde“ sozusagen - da habe ich mir schon gedacht, dass das schon eine andere Art der Theaterauffassung ist. Das hat mich dann schon sehr interessiert, weil ich unsere Sachen kenne und die sind sehr bunt und keinesfalls alle gleich, aber wenn es eine ganz andere Theaterauffassung gibt, weil es andere Traditionen gibt, dann finde ich das schon sehr interessant. Bei der Arbeit mit den Studierenden hier habe ich mich entschieden, ihnen verschiedene Aspekte meiner Arbeit ein bisschen zu zeigen, sodass ich nicht jetzt ein Thema aufgreife und diese zwölf Stunden oder achtzehn Stunden, die wir gearbeitet haben jetzt übertrieben detailliert angehe. Das schien mir ein bisschen riskant, weil das eben Studierende aus drei verschiedenen Jahrgängen mit zwei verschiedenen Sprachen sind. Ich dachte mir eher: Ich nehme eher den bunten Blumenstrauß und probiere verschiedene Themen, die ich so in meinem Unterricht mache, anzureißen. Und ihre Bereitschaft sich auf meinen Unterricht einzulassen, fand ich sehr schön. Sie waren wirklich begeistert, obwohl sie manchmal an Grenzen stießen und Schwierigkeiten hatten, weil sie wenig Unterricht haben. Das habe ich so nebenbei mitgekriegt: Eine der Studentinnen hat heute, zwar auf Rumänisch aber man versteht das dann doch irgendwie von der Körpersprache, sich sehr beschwert, dass schon wieder Unterricht ausfällt. Das ist natürlich kein gutes Vorbild, weil wenn Unterricht fehlt, dann fehlen natürlich auch diese Grundlagen. Darum haben wir auch sehr viel an Grundlagen gearbeitet. An Sachen wo ich schon denke, dass, wenn sie mehr konzentrierten Unterricht hätten, sie einfach schon weiter wären.
Drei Tage reicht einfach nicht aus, um diese Grundlagen beizubringen. Haben Sie auch versucht Ihnen dabei zu helfen, nachhaltig zu arbeiten?
Ich habe ihnen ein bisschen so etwas mitgegeben. Ich habe ihnen gleich gesagt, sie sollen Besenstiele mitnehmen und ich habe mit ihnen Konzentrationsarbeit gemacht. Dabei habe ich versucht ihnen zu erklären, wohin die Übungen führen sollen und wie man selber noch weitermachen kann. Wenn wir zum Beispiel als Konzentrationsübung mit Stäben gearbeitet haben, sollten sie einfach nur versuchen, den Stab zu bedienen und dabei darauf zu achten, dass man den Stab bewegt und nicht der Stab einen, wenn man den zum Beispiel balanciert. Ja, da ist Übungspotenzial genug und ich habe ihnen immer wieder gesagt: „Nehmt das doch mal her, wenn ihr eine Rolle lernt, oder wenn ihr das und das tut, dann könnt ihr die und die Übung dazu machen“. Nora (Anm.d.Red.: Dr. Eleonora Ringler Pascu, Univ.-Dozentin an der Musikhochschule der West-Universität Temeswar) hat auch ein bisschen mitgefilmt. So könnte man sich auch an manche Übungen erinnern. Vielleicht kann auch einer der Lehrenden von der Schauspielschule Temeswar anschauen und weiter anwenden. Es gibt ja auch hier fähige Leute. Ich lerne ja auch immer. Ich reise wirklich viel herum und ich freue mich immer, wenn ich wo sein kann. Und dann sehe ich andere Lehrende und die haben ganz einfache Übungen, an die ich nie gedacht hätte. Weil das Eigene einfach immer näher ist und man oft die Sachen, die andere ganz einfach machen, man gar nicht sieht. Und man lernt voneinander ganz einfach viel und dann übernehme ich auch eine Übung von jemandem anderen und alle meine Übungen kann jeder verwenden, also da will ich keinen Rechteschutz draufhaben. Es geht ja darum, dass alle davon profitieren. Mich haben auch zwei Studierende gefragt, was sie machen könnten. Wie können sie weiter arbeiten. Ich habe versucht, es ihnen an die Hand zu geben. Ich glaube Möglichkeiten gibt es schon genug.
Wir wirkten die Studierenden auf Sie?
Meine Schwester lebt in England, ich unterrichte auch manchmal in England, weil wir da eine Erasmus-Partnerschaft haben. Der Unterschied ist groß. Allein das Herstellen von Nähe oder der ersten Kontakte sind hier sehr herzlich und sind auch so gemeint. In England habe ich manchmal das Gefühl, die Herzlichkeit oder die Nähe, die einem vermittelt wird, ist eher ein Versuch eine Distanz herzustellen. Nicht im bösartigen Sinn, sondern einfach weil man das so gewohnt ist. Da ist schon eine Lockerheit im Umgang, aber das geht nicht so in die Nähe. Das habe ich hier nicht erlebt. Die Gastfreundschaft ist unglaublich groß. Man fühlt sich sehr Zuhause, wenn man hier ankommt. Aber auch die Studierenden waren sehr offen. Ich hatte nicht das Gefühl, dass irgendjemand denkt, na was will der jetzt von mir und kann ich das überhaupt. Natürlich gibt es Zweifel und Ängste, wir haben auch schwierige Sachen gemacht, aber das liegt dann eher an der Sache. Aber von der Offenheit und von dem, wie man das was gerade zu tun ist auch persönlich annimmt, fand ich schon sehr begeisternd. Da fühlt man sich schon sehr wohl. Ich habe Rumänien nicht gekannt, ich war viel unterwegs, mein Vater hat auch einen guten Freund gehabt, der Rumäne war, er war selber auch in Hermannstadt, ich hätte da mitfahren können, es hat sich nichts ergeben. Insofern habe ich mich auch sehr gefreut und da gibt es Parallelen: Wien ist knapp kleiner als Bukarest und Graz ist knapp kleiner als Temeswar. Da sind Ähnlichkeiten, da habe ich mich richtig drauf gefreut und mir gedacht: Das kenne ich zwar, es ist aber doch ganz anders. Das war auch das Bezaubernde dran, also auch körperlich. Man muss sich im Bewegungsunterricht immer wieder angreifen, man muss korrigieren. Sie haben ganz selbstverständlich verstanden, wie diese Arbeit funktioniert. Da war keine falsche Verletztheit, es war sehr natürlich im Umgang. Und das fand ich eigentlich sehr bemerkenswert. Das habe ich an anderen Schulen so noch nicht erlebt.
Was sind denn die größten Unterschiede zwischen StudentInnen aus Graz und denen aus Temeswar?
Ich bin mir nicht ganz sicher. Wir haben eine Auswertung gemacht und die Kollegen der Schauspielabteilung haben Andrei auch sehr hart ausgewertet. Ohne so genau zu wissen, wie Unterricht hier läuft. Das wusste ich auch noch nicht so. Es fiel zum Beispiel der Satz: Ihm fehlt noch sehr viel Grundunterricht. Das war mehr als Vorwurf gemeint, dass er das noch nicht kann, aber jetzt verstehe ich auch seine Lage. Wenn wirklich viel Unterricht ausfällt, dann sieht man das schon. Er ist dann, über das Umgehen von Grundunterricht, doch zu einer gewissen Fähigkeit gekommen. Das ist schon noch eine Leistung, muss man sagen. Sprachlich ist es natürlich schwierig, weil er manchmal die Betonungen an die falsche Stelle setzt. Er kommt natürlich ins Verständnis sehr schwer rein. Die Partnerin mit der er gearbeitet hat, die ist recht gut und hat ihn auch wunderbar unterstützt, die beiden haben harmoniert. Wirklich sehr schön. Vor dem, was er geleistet hat, muss ich schon mit einen Hut ziehen, denn klar tut man sich schwer damit, den Text zu verstehen und dann auch noch den Text zu spielen, er muss ja doppelte Arbeit leisten, weil er es sich noch einmal übersetzen muss. Bei er Arbeit mit den Studenten hier in Temeswar habe ich ein bisschen daran gearbeitet, die Gestik und Mimik aus der Darstellung rauszunehmen. Für viele wurde körperliche Darstellung mit Körpersprache gleichgesetzt, also die Abstraktion zwischen dem was man als Gestik und Mimik im normalen Leben hat hin zu einer körperlichen Darstellung. Sehr viele der Studierenden haben körperliche Darstellung einfach damit verbunden, dass man nichts sagt, sondern eine Geste macht. Und das muss ja nicht immer so Eins-zu-eins sein, sondern, unser Körper kann noch viel mehr und ich habe ein bisschen in die Richtung gearbeitet.