Die Rumänische Orthodoxe Kirche stellt keinen Grund zur Ironie dar – das soll klar sein. Das mussten die Veranstalter der Ausstellung „Arta ca praxis politic“ / „Die Kunst als politische Praxis“ in Temeswar/Timișoara, in der Gedenkstätte der Revolution, am eigenen Leib erfahren. Wenige Tage nach der Eröffnung der Ausstellung und des Kulturprojekts „MAD(e) in Romania“ („In Rumänien hergestellt“ / „Wütend in Rumänien“) wurden zwei der ausgestellten Bilder zum eifrigen Diskussionsthema. Eines der Bilder wurde für kurze Zeit sogar von der Expo entfernt. Diese Entscheidung traf der Leiter der Gedenkstätte der Revolution von Dezember 1989, Traian Orban, ohne sich dabei im Vorhinein mit den Veranstaltern des Events zu beraten. Er sei kurz vor einem Herzinfarkt gestanden, als er das Bild des Teufels im Haus der Gedenkstätte gesehen habe. „Die Gedenkstätte ist ein geweihter Ort. Das Andenken an die Gefallenen soll immer wieder im Gebet aufrecht erhalten werden“, sagte Traian Orban auf Anfrage der Presse kurz nach dem Vorfall.
Als unverständlich bezeichnete die Vorsitzende des Temeswarer Contrasens-Vereins, Dana Sarmeș, Initiatorin und Koordinatorin des Kulturprojekts, die Reaktion des Revolutionären Orban. „Die Gedenkstätte der Revolution war der perfekte Ort für unsere Ausstellung. Sie widerspiegelt den Kampf für die Meinungsfreiheit, gegen Korruption, Politik und Ungerechtigkeiten“, sagt sie. Merkwürdiger Weise hat der Leiter der Gedenkstätte der Revolution bei der Vernissage der Ausstellung kein Problem mit den ausgestellten Werken gehabt. Einige Tage später habe er Beschwerden bekommen, so musste er reagieren, hatte Traian Orban zunächst behauptet. Danach sagte er bloß, dass ihm das so das Gewissen diktiert hatte.
Das eine Werk, das für Kontroversen sorgte, war ein Gemälde von Adrian Preda, das die Kathedrale zur Erlösung des Volkes, die derzeit in der rumänischen Hauptstadt gebaut wird, darstellt: Gleich am Eingang in die Kathedrale steht der Teufel. Alles sei von einem rumänischen Spruch ausgegangen, erklärt der Künstler die Idee hinter seinem Werk. „Der Teufel holt dich auch von der Kirchentür, heißt es. Das sollte damit auch bebildert werden. Der Religionslehrer sagte uns im Unterricht immer, dass der Teufel stets unmittelbar vor der Kirchentür wartet und dabei versucht, Gläubige zu überzeugen, ihm zu folgen. Ich wollte gerade das schildern. Ich wollte aber dabei auch gegen den allzu kostspieligen Bau der Mega-Kathedrale protestieren“, sagte Adrian Preda der Presse gegenüber. Der Künstler betonte auch, dass er überzeugt sei, dass die Kirche auch gute Taten vollbringt, aber sie soll sich, als Institution, von der Politik und Kunst fern halten.
„Die Kirche darf auch im Haus der Gedenkstätte der Revolution kritisiert werden. Wir müssen nicht vergessen, dass während der Revolution vom Dezember 1989 Kinder auf den Treppen der Orthodoxen Kathedrale erschossen wurden, da die Türe der Kathedrale verschlossen waren. Das darf man nie vergessen. Ich dachte, Traian Orban versteht das am besten“, ergänzte Dana Sarmeș. Mittlerweile wurde das Bild erneut an der Wand im Museum angebracht. Die Ausstellung im Haus der Revolutionsgedenkstätte bleibt bis zum 20. November geöffnet.
Das zweite umstrittene Werk des „Mad(e) in Romania“-Projekts in Temeswar war ein Plakat, das am Domplatz vor der kleinen Lenau-Schule ausgestellt stand. Dieselbe Kathedrale wurde diesmal als Staubsauger abgebildet, der ein Krankenhaus wegsaugt. Dabei wollte der Künstler ebenfalls gegen den Bau der Kathedrale, der sehr viele öffentliche Fördermittel verbraucht, protestieren. Neben dem Plakat steht der Text: „Die Kathedrale soll 400.000.000 Lei kosten – mit diesem Geld könnten hingegen 1500 Schulen oder 300 Kilometer Autobahn gebaut werden; 40 Medizinzentren mit bester Apparatur ausgestattet, 8000 Transplantationen finanziert oder medizinische Betreuung bei 800.000 Geburten gesichert werden“. Das Plakat ist Teil der „Mind Bomb“-Sammlung und bleibt bis zum 20. November am Domplatz zu sehen.
„MAD(e) in Romania“ ist eigentlich ein Manifest-Projekt und möchte dabei die Kunst mit der Politik, mit dem Protest und der Kommunikation zusammenbringen. Einen Monat lang tragen 28 Künstler, acht Filmregisseure, 16 Forscher im Bereich der visuellen Kunst – alle im sozialen und politischen Bereich engagiert – zur Überschneidung der Kunst mit der Politik und dem Dialog bei. Mihai Șora, Caterina Preda, Ileana Pintilie, Dan Perjovschi, Ion Barbu, Claudiu Cobilanschi, Mircea Toma sind nur einige der Akteure, die in dieser Zeitspanne nach Temeswar kommen und davon erzählen wollen, wie die Kunst die Bürger wach hält und ihre Stimme laut werden lässt. Das Projekt wird vom Temeswarer Kulturverein Contrasens getragen und beinhaltet Ausstellungen (MadArtists), Vorträge und Konferenzen, Buchvorstellungen, Workshops unter dem Titel MadTalks sowie Film- und Theatervorführungen – Mad Movies & Theater.
Die Idee dazu entstand Anfang 2017, während der Proteste gegen die Eilverordnung 13. „Ich sah damals auf einem Plakat die Aufschrift `Mad(e) in Romania` und so verstand ich, das es tatsächlich so ist, wir sind nicht nur in Rumänien hergestellt, sondern auch sehr wütend in Rumänien“, erklärt die Vorsitzende des Contrasens-Vereins und Kuratorin des Projekts, Dana Sarmeș. „So wollte ich verschiedene Künstler und Aktivisten zusammenbringen, damit sie ihre Werke/Ideen zum Ausdruck bringen“, setzt sie fort.
Bis zum 20. November werden also zahlreiche Veranstaltungen unter dem Motto „We are mad. Meet our art!“ / „Wir sind wütend. Kommt und lernt unsere Kunst kennen!“ organisiert. Unter anderem stehen jeden Sonntag Führungen durch die Ausstellungen des Projekts und Gespräche mit verschiedenen Persönlichkeiten auf dem Programm. Die Führungen starten am Haus der Künste (Augustin-Pacha-Straße 8) jeweils um 11 Uhr. Die Beteiligung an allen Veranstaltungen innerhalb des Mad(e) in Romania-Projekts ist frei. Das gesamte Programm kann von der Webseite www.accontrasens.ro und von der Facebookseite des Veranstaltervereins, facebook.com/accontrasens, abgerufen werden.
„Mad(e) in Romania“ soll 2019 auch nach Klausenburg/Cluj-Napoca und Jassy/Iași geführt werden. Eine Wanderausstellung mit sogenannten Aufstandsplakaten soll dabei vorgestellt werden.