Zugebissen: Deșteaptă-te, Române!


Im Klimawandel gibt es den Begriff der „Tipping Points“ – Kippschalter, sozusagen. Wenn ein solcher überschritten ist, dann geht’s in irgend einer Sache nicht mehr zurück, egal welche drastischen Korrekturmaßnahmen man trifft. Dann kippen auch die anderen Dominosteine einer nach dem anderen um. Werden die Tipping Points überschritten, schmilzt das restliche Polareis, der Meeresspiegel steigt, die Strömungen im Ozean stoppen und Europa erlebt eine neue Eiszeit. Stehen wir gerade vor so einem Tipping Point? Nein, ich spreche nicht vom meteorologischen Geschehen…

Sondern vom Klimawandel in der Politik. Und vom 18. Mai, dem Tag der Stichwahl, an dem Rumäniens Bürger entscheiden: Vorwärts durch den Sturm, aber guten Mutes und im Bewusstsein, dass sich vieles ändern muss, damit auch uns die Sonne wieder scheint? Oder: zurück in die Eiszeit!

Wie auch immer diese aussehen mag. Ich  denke: Russland. Aber  nicht: Tschaikowski, Tolstoi, Balalaika und Samowar, sondern an: Nawalny, Fake News, „Cozy Bear“-Hacker und Knast in Sibirien. An den himmelschreiend ungerechten Angriff auf die Ukraine, die im Gegenzug für  Sicherheitsgarantien und Unabhängigkeit ihre Kernwaffen abgeben musste (Russland hat’s mitunterschrieben!), an Zivilistenabstrafmassaker, Kriegsverbrechen, dreiste Verletzungen rumänischer Grenzen, fallende Drohnen und angeschwemmte Seeminen. Parallel dazu ein provozierender Hybridkrieg mit Europa. Putin will mindestens seinen Sowjetblock wiederhaben, daraus macht er keinen Hehl! Und der MAGA-Held stößt ins selbe Horn. Die Welt steht Kopf und die EU ist auf einmal weit und breit der einzige Pol der Vernunft.

Und während Trump seine Geheimdienstler nach Grönland aussendet, wird Putin nicht untätig he-rumsitzen. Sprich: Rumänien ist sicher voller bestplatzierter Undercover-Akteure, die nur darauf warten, den Kopf aus der Deckung zu strecken. Was bald passieren könnte, wenn wir sie am 18. Mai lassen. Ein Tipping Point also!

Wollen wir Putin Rumänien in den Rachen werfen – oder ihm zeigen, dass sein Spiel durchschaut ist? Dass wir stark und krisenfest, hirn- und nicht hormongesteuert sind! Dass wir das Ruder auch anders herumreißen können: Kampf der Korruption, dem Nepotismus – geht das nicht ohne Rechtsextremismus? Das Übel packen und (an der) Wurzelziehen sollte der zerebrale Mathematiker doch besser können als der dackeläugige Hütchenspieler mit seinem pferdeflüsternden Magier im Nacken.

Aber: Hat der Mathematiker eine Chance?

Wir stehen vor einem Tipping Point. Und so, wie Millionen Plastikstrohhalmverzichter, Standheizungsverweigerer, Flugreisenreduzierer, Rad-statt-Auto-Fahrer, Immer-seltener-Fleischesser usw. in der großen Masse im Klimawandel einen Unterschied machen können, obwohl es für jeden einzelnen nur eine kleine Unannehmlichkeit bedeutet, ein verschmerzbarer Verlust an Bequemlichkeit – so macht es einen riesigen Unterschied, wenn die bisher nichtwählenden Politmuffel oder die von allen gleichermaßen Enttäuschten sich jetzt aufraffen am 18. Mai. Nicht, um einem der Kandidaten ihre Sympathie oder ihr Vertrauen auszusprechen: Ums Gesicht, das uns auf dem politischen Parkett möglichst akzeptabel nach außen hin vertritt, geht es schon lange nicht mehr! Sondern um die Wahl zwischen der Garantie auf Freiheit,  Rechtsstaatlichkeit und Demokratie auch in der Zukunft versus der drohenden Gefahr von Diktatur, Manipulation und Unterdrückung ohne Umkehr.

Viele im Land haben das schon einmal erlebt! Sind schockiert, was derzeit geschieht! So geht es auch mir, die ich 2008 Rumänien vertrauensvoll als neue Heimat wählte, und ohne Seil, ohne Sicherheitsnetz in eine neue Zukunft sprang, was ich zumindest bis heute nicht bereut habe...

Deșteptați-vă, dragi Români, am 18. Mai: Um zu verhindern, dass unser schönes gemeinsames Heimatland jetzt über den Tipping Point rutscht und unweigerlich ins Chaos abgleitet!