„Ich sehe, ich spüre und ich höre eure schweren Tränen. Weint, meine Lieben. Aber verzweifelt nicht. Nicht alle Tränen sind schlecht.“ Mit diesen Worten tröstet C²lin Georgescu beim Erfahren der Wahlergebnisse am Sonntag das rumänische Volk. Und er weiß, wovon er spricht. Denn jeder Bürger dieses Landes lernt von Kindesbeinen an: der Rumäne wird als Dichter geboren. Und nun, nach zehnjährigem Physikunterricht, wird er Mathematik-Nachhilfestunden nehmen müssen, um mit dem Hauptstadtbürgermeister mit seinem Doktor in Mathematik Schritt halten zu können. Dabei würden sie doch lieber tanzen. Tanzen wie die Simion-Anhänger, nachdem dieser seinen haushohen Sieg angekündigt hatte („Ein Sieg, der nicht war“ um den Titel eines rumänischen Kinoerfolges aus dem Vorjahr zu umschreiben). Tanzen auf dem flotten Beat der MAGA-Hymne. Was zählt es auch, dass YMCA von den Village People eine der Hymnen der homosexuellen Bewegung Ende der 70er Jahre war. Tanzen, durch die schweren Tränen hindurch in die goldene Zukunft. Eine goldene Zukunft, die nun den genauen Zahlen weichen muss.
Man wird damit zurecht kommen müssen, dass 1+1=2 ist, auch wenn es bekannt ist, dass dieses nur eine Manipulation der Verneiner der großen dakischen Kultur ist.
Dem frischgebackenen Präsidenten steht nun kurz- und mittelfristig so manche große He-rausforderung bevor. Und diese sind nicht im Tanzschritt zu bewältigen, auch wenn unserem Mathematiker Tanzschritte wie Bachata keine Unbekannten sind. Als erstes die Regierungsbildung. In einem typisch moderaten Ton erklärte Nicu{or Dan in der Wahlnacht, dass er dafür drei bis vier Wochen brauchen würde, um auch die Sicherheit einer stabilen Regierung zu garantieren. Das Mitwirken in der Durchführung dringender wirtschaftlicher Maßnahmen, diese werden mit Sicherheit den einen oder anderen Rumänen so manche schwere Träne kosten. Dass er in diesem Bereich mitwirken möchte, hat er schon angekündigt. Die Reformierung des rumänischen Staates hinsichtlich Effizienz und Bürgernähe (von allen bis jetzt versprochen, von keinem angepackt). Dieses gehört zwar nicht in den Aufgabenbereich des Präsidenten, aber man kann sich Nicușor Dan als treibende Kraft im Hintergrund schon gut vorstellen. Und vielleicht eine der größten Herausforderungen: als Brückenbauer zwischen Rumänien und Rumänien wirken. Wenn das Superwahljahr 2024 etwas aufgezeigt hat, dann ist es die Kluft, die die rumänische Gesellschaft entzweit. Schritte auf eine innerrumänische Aussöhnung hin sind und bleiben notwendig.
Auf einer anderen Ebene bleibt die Gleichgültigkeit eines großen Teils der rumänischen Bevölkerung, was die eigene Zukunft betrifft, unerklärlich. Es standen am Sonntag zwei klare Optionen zur Wahl: Aufrechterhaltung des schwer gewonnenen und hart erarbeiteten demokratischen Werdegang des Landes und eine isolationistische sogenannte Selbstbestimmung. Trotzdem blieben ein gutes Drittel der wahlberechtigten Rumänen den Wahlurnen fern. Getragen wahrscheinlich von dem Gedanken, dass man sich immer irgendwie arrangieren kann, zählt es für diese nicht, welche Musik der erste DJ des Landes auflegt, irgendwie werden sie ihren eigenen alten Tanzschritt schon anpassen und im Reigen das Tanzbein mitschwingen.
Die offene Frage aber betrifft vielleicht die größte Anpassung, der sich Nicu{or Dan stellen muss: aus seiner Mietwohnung in einem Bu-karester Wohnblock muss er nun in den Cotroceni-Palast umziehen. Wie wird er mit der großen Anzahl ihm zur Verfügung stehender Zimmer zurechtkommen?