Eine schwere Geburt hatte das vorige Woche eingeweihte Temeswarer „Verkehrsmanagementsystem”, ein sechs Millionen Euro teures Projekt der Stadtverwaltung, das wohl wie kein anderes die Nerven der Bürger auf die Probe gestellt hat und dies in absehbarer Zukunft auch weiterhin tun wird. Einen eindeutigen Beweis dazu liefern die Internetforen der Kommunalpresse, wo sich erhitzte Gemüter im Schutze der Anonymität ungestört austobten. Allzu viel Zeit sollte man aber in solchen Foren nicht verbringen, es droht die Depression.
Zunächst also die Zahlen: 44 Straßenkreuzungen, einschließlich Verkehrskreise, haben Ampeln bekommen, 90 sind (angeblich) modernisiert worden, insgesamt 134 werden nun per Videokamera überwacht, sieben stationäre Radargeräte wurden aufgestellt, dazu 37 Überwachungskameras, die Verkehrssünder ertappen sollen. Hinzukommen weitere 17 elektronische Verkehrsschilder sowie ein elektronisches Parkleitsystem. Das Ganze wird von einem ebenfalls neu eingerichten Koordinationszentrum an der Iuliu-Maniu-Straße in der Josefstadt geleitet. Bürgermeister Nicolae Robu verkündete bei der Einweihung, die Stadt habe nun das modernste Verkehrsmanagementsystem im ganzen Land.
Nun, das mag stimmen. Aber der lahmende Verkehr, der seit Mitte September Temeswar zu einem Albtraum für Fahrer und Fußgänger gleichermaßen gemacht hat, der tägliche Frust am Lenkrad, der abenteuerliche Spaziergang zwischen Autos, die Gehsteige besetzt halten, und Fahrradfahrern, die mit hoher Geschwindigkeit auf denselben eng gewordenen Gehsteigen rasen, Verkehrsrowdys, alles in einem der Mangel an Ordnung, all das erhitzt die Gemüter wie kaum ein anderes Projekt Nicolae Robus. Dabei sorgte der Bürgermeister immer wieder für politischen Zündstoff . Nichts aber nervt die Bürger, ob sie am Steuer sitzen oder nicht, wie die Straßenampeln, die nun fast alle wichtigen Kreuzungen schmücken und zum Symbol schlechtin der neuen Verkehrspolitik der Stadt Temeswar geworden sind.
Schaut man sich das Projekt genauer und in Ruhe an, so ist zunächst Folgendes festzustellen: Zu hundert Prozent funktioniert das smarte System noch nicht, zurzeit werden noch Proben durchgeführt, nicht alle Straßenampeln sind in Betrieb. Ob auch alle irgendwann eingeschaltet werden, ist ungewiss, Bürgermeister Robu verlässt sich da, wie immer, auf Fachleute. Oder zumindest sagt er das, denn diese Fachleute kennt keiner, derart öffentlichkeitsscheu sind sie. Aber gut, darum geht es hier und jetzt nicht. Das System lernt, sagt der Bürgermeister. Zunächst werden Daten gesammelt, Verkehrsaufkommen gemessen, Stoßzeiten verglichen, elektronisch, versteht sich. Und dann wird sich das Ganze von selbst regeln, denn haben einmal die Computer in der Iuliu-Maniu-Straße kapiert, wann und wohin sich die meisten Autos bewegen, werden sie die Ampeln entsprechend und in Echtzeit programmieren.
Sehr schön, würde man meinen. Aber es geht, wie immer, um Autos, nicht um Menschen. Den Behörden schwebt eine autogerechte Stadt vor, keine menschengerechte. So wie das im Westen in den Sechzigern oder Frühsiebzigern gemacht wurde. Ob das angeblich clevere System reibungslos funktionieren oder manchmal auch zusammenbrechen wird, ist im Grunde gar nicht mehr so wichtig. Denn solange die Stadt nicht endlich den öffentlichen Personennahverkehr auf Vordermann bringt und die Bürger auch dazu bringt, diesen zu nutzen, solange die Busse, Trolleybusse und Straßenbahnen nicht halbwegs pünktlich verkehren, solange der Diebstahl in den öffentlichen Verkehrsmitteln nicht überzeugend eingedämmt wird, solange das Verkehrsnetz nicht ausgebaut wird und der Verkehrsbetrieb RATT nicht über genügend Fahrzeuge verfügt und bis an mindestens zwei Ecken der Innenstadt unterirdische Parkplätze gebaut werden, nützen die ausgegebenen paar Millionen Euro nicht wirklich.
Denn in fünf, zehn oder fünfzehn Jahren könnte sich die Zahl der Autos verdoppeln oder verdreifachen und dann hilft kein Verkehrsmanagementsystem mehr, so clever es auch sein mag. Dann hilft nur die Elektrische. Oder das Fahrrad. Denn eine Stadt wie Temeswar, mit einer Bevölkerung von etwa 300.000 bis 350.000 Einwohnern, braucht ein adäquates Verkehrskonzept, dessen Ziel vor allem ein effizientes, ausgelastetes ÖPNV sein soll. Und das ergänzend in Fahrradwege und Gehsteige investiert und die Bürger in diesem Sinne auch erzieht. Was hier anscheinend unbekannt ist, ist im Westen unter Stadtplanern eine Binsenweisheit: Autos ziehen noch mehr Autos an, enge Straßen, die erweitert werden, werden in zehn oder zwanzig Jahren wieder eng. Aber: Wer gewöhnt ist, Zehn-Minuten-Wege mit dem Auto zu bestreiten, wird nur schwer umdenken.
Bis die Stadtverwaltung jedoch so weit ist, wird es noch eine Weile dauern. Und die wird höchstwahrscheinlich im Auto verbracht. Deshalb merke man sich: Freitag Abend kommt man aus egal welchem Stadtteil in die Innenstadt schneller auf Schusters Rappen als mit dem Auto. Parkplätze gibt es sowieso keine.