Bukarest (ADZ) - Das Verfassungsgericht (VG) hat am Mittwoch dem Obersten Gericht (OG) zum zweiten Mal einen schweren Schlag versetzt und nach den Strafsenaten nun auch dessen Strafkammern (dreiköpfige Spruchkörper) für „unrechtmäßig zusammengesetzt“ befunden. Das umstrittene Urteil wurde mit einer denkbar knappen Mehrheit (5 Für-, 4 Gegenstimmen) gefällt, als Konsequenz müssen alle beim OG anhängigen Prozesse (Haupt- oder Berufungsverfahren) neu aufgerollt und die Urteile von „auf Korruptionsdelikte spezialisierten Spruchkörpern“ gefällt werden.
OG-Präsidentin Cristina Tarcea erläuterte vergeblich, dass alle Richter der OG-Strafkammern und -senate auf das Strafrecht und daher auch auf Korruptionsdelikte spezialisiert sind. Fünf VG-Richter zogen es vor, der Organstreitklage von Unterhaus-Vize Florin Iordache (PSD) stattzugeben, dem Ex-Kammerpräsident Liviu Dragnea im März für wenige Tage seine Amtsbefugnisse delegiert hatte, um nicht selbst das VG anrufen zu müssen, von dem er sich eine Rettung in zwölfter Stunde vor seiner drohenden Inhaftierung erhoffte. Für Dragnea kommt das VG-Urteil zwar zu spät (obwohl seine Anwälte nun außerordentliche Rechtsmittel planen könnten), doch rettet es zunächst Dutzende wegen Großkorruption erstinstanzlich verurteilte Politiker wie etwa Dragneas rechte Hand Darius Vâlcov, die Ex-Minister Elena Udrea und Dan Şova, Ex-DIICOT-Chefin Alina Bica u.v.a. vor dem Knast. In manchen Fällen kann die Neuverhandlung im Grunde das Ende des Verfahrens bedeuten, da die Verjährung der Taten eintritt.
PNL-Chef Ludovic Orban warf dem VG am Mittwoch vor, zu einem „politischen Instrument zur Rettung Korrupter“ verkommen zu sein, und forderte den umgehenden Rücktritt der fünf Verfassungsrichter, die für das Urteil gestimmt haben.