Und wieder werden wir an die Jugendjahre Beethovens erinnert: an seine Zuneigung zu den beiden Schwestern Therese und Josephine Brunsvik. Die Familie des Grafen Brunsvik gehörte wie die Familien Lichnowsky, Deym, Guicciardi oder Erdödy zu den Förderern des Komponisten. Beet-hoven gab Josephine und Therese Brunsvik Klavierunterricht und mit Grafen Franz von Brunsvik war er sehr gut befreundet. Zum späteren Ehegatten von Josephine entwickelte sich eine herzliche und freundschaftliche Beziehung.
Ein Teil des Besitzes der gräflichen Familie Brunsvik (de Korompa) befand sich in Ungarn, dazu gehörten Schlösser und Güter in Budapest, Preßburg, Martonvásár, Korompa und eben Soborschin.
Josephine Brunsvik wurde von ihrer Mutter gezwungen, 1799 den Grafen Deym zu heiraten, der dreißig Jahre älter war als sie. Im Januar 1804 starb Deym, wenige Wochen danach gebar Josephine ihr viertes Kind. Aus Beethovens Korrespondenz des Jahres 1804 hören wir zum ersten Mal über seine Zuneigung zu Josephine. In der zweiten Hälfte des Jahres 1806 zog sie schließlich nach Budapest. In die Liebesaffäre musste 1804/05 selbst Fürst Lichnowsky eingreifen, der angeblich mehr um das Genie des Komponisten besorgt war. Soll eine der beiden, Therese oder Josephine, die „Unsterbliche Geliebte“ sein? Nach Beethovens Tod fand man angeblich in seinem Schreibtisch neben den undatierten Briefen „An die unsterbliche Geliebte“ ein Bild von Therese Brunsvik.
Beethoven widmete Therese die zweisätzige Sonate, op. 78, und auch einige Lieder. 1806 hielt sie sich in Siebenbürgen auf. In Soborschin? Ein Beethoven-Biograph schreibt darüber: „Fast gleichzeitig traten deren Cousinen (von Giuletta Guiccardi), die eben aus der ungarischen Puszta in Wien angekommenen Contessen Brunsvik, deren Bruder Franz zu seinen nächsten Freunden gehörte, seinem Herzen näher.“ Therese blieb unverheiratet und soll später sämtliche Briefe Beet-hovens zerrissen haben.
Die Tochter des jüngsten Brunsvik-Mädchens, Blanka, heiratete den ungarischen Grafen Teleki, der in der Revolution von 1848-49 eine wichtige Rolle gespielt hat. Auch Blanka Teleki wurde als „sehr gefährliche, aufrührerisch-revolutionär denkende Frau“ verhaftet und wegen Hochverrats zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Im Jahre 1857 wurde sie begnadigt. Als belastende Dokumente wurden bei den Gerichtsverhandlungen auch die von Therese Brunsvik geschriebenen Memoiren beschlagnahmt, aus denen beim Prozess einige „gefährliche“ Sätze vorgelesen wurden. Die damals schon 77-jährige Therese soll die Anwesenden mit der Bemerkung verblüfft haben: „Nicht wahr, Herr Auditor, das habe ich schön geschrieben?“
Wien – Pest – Temeswar
Beethoven war im Laufe seines Lebens öfter in Ungarn. Belegt sind die Aufenthalte in Preßburg (23. November 1796), Ofen (7. Mai 1800) und Eisenstadt, wo er seine C-Dur-Messe selbst dirigiert hat, gewidmet dem Fürsten Esterházy. Schindler berichtet auch noch über eine andere Reise: „... im Sommer von 1806, wegen des immer mehr zunehmenden Ohrenübels, eine Reise nach dem ungarischen Bade.“ Ein anderer Biograph meint, dass Beethoven sich bereits 1801 auf dem Stammschloss der Brunsviks, in Korompa, aufgehalten haben soll. Es bleibt auch die Zeitspanne zwischen den beiden Konzerten vom 7. Mai 1800 in Ofen und 18. Mai in Pest als Möglichkeit für einen eventuellen Besuch in Korompa oder in Soborschin.
Auf diesen Gütern komponierte Beethoven u.a. die Appassionata, die Mondscheinsonate, die Klavierfantasie op. 77 wie auch die Fis-Dur Klaviersonate. Therese Brunsvik schildert das Schloss in Korompa mit folgenden Worten: „Was es nach meinem Gefühl vor allen anderen ähnlichen Anlagen auszeichnet, ist, dass es nicht nur aus Gärten besteht, sondern auch Malereien hat: Zeichnungen, Form, Kolorit, alles ist motiviert; jede Baumart hat ihren Sinn, es spricht, es sind Töne, sie sagen etwas und man versteht sie wirklich... Die Menge und die Wahl der exotischen Gewächse, ihre wunderbare Vegetation ist von seltener Schönheit...“ Diese Beschreibung würde Wort für Wort auch der Schlossanlage in Soborschin zupassen. Selbst die bekannte Schriftstellerin La Mara berichtet in ihrem Buch Beet-hoven und die Brunsvicks von einer überlieferten Familientradition über den Aufenthalt Beethovens auf dem Schloss Korompa: „Im Parke ... steht eine uralte Eiche, davor ein großer, von weither dahingebrachter Steinbock, daneben eine Steinbank. Dieser Platz heißt seit jeher Beethoven-Platz, und man sagt, dass er hier die Mondscheinsonate komponiert habe...“
Schon seine ersten Biographen waren über die Beziehungen Beethovens zu den Frauen uneins. Anton Schindler schreibt z. B. in seinem Buch, dass Ignaz von Seyfrieds Behauptung, Beethoven hatte nie ein Liebesverhältnis, falsch sei. Wegeler hingegen stellt fest: „...dass Beethoven nie ohne eine Liebe war und meistens von ihr in hohem Grade ergriffen. Er nennt Fräulein d´Honrath seine erste Liebe...“
Ein Temeswarer in der Nähe Beethovens
Verfolgen wir etwas näher die überlieferten Angaben über Graf Franz von Brunsvik, so kommen wir dem Banat etwas näher. Dieser hielt sich lange Zeit in Pest auf und war mit Professor Michael Táborszky vom Prager Konservatorium gut befreundet, der aus Temeswar stammte. Der Temeswarer Geiger und Konzertmeister des Domorchesters, Michael Jaborszky (1805-1884), zählt zu dessen Schülern in der ungarischen Hauptstadt. Beethoven widmete Franz die Appassionata, op. 57. Anton Schindler schreibt über den in Budapest weilenden Grafen wie folgt: „Das Haus des Grafen Franz von Brunsvik glich einem Conservatorium im kleinen Maßstabe für einen auserwählten Kreis nach Höherem strebenden Musiker und Musikfreunde. Ein stehendes Quartett in musterhafter Ausbildung mit Táborszky (aus dem Prager Conservatorium) an der ersten Violine, der Graf selber am Violoncello, die Gräfin das Pianoforte handhabend, dieses künstlerische Trifolium im Verein leistete, was man in Wien zur Zeit vergeblich gesucht haben würde.“ Auf Anregung des Grafen schrieb Beethoven 1811 in Teplitz „... um den Schnurrbärten, die mir von Herzen gut sind, zu helfen“ die Werke König Stephan, Ungarns erster Wohlthäter und Die Ruinen von Athen zur Eröffnung des Pesther Theaters im Jahre 1812. In vielen seiner Kompositionen sind typische Elemente der ungarischen Musik auffindbar.
Die Ungarn begannen schon kurze Zeit nach seinem Tod sich für Beethoven zu interessieren. 1870 bot sich dieser Anlass zur Feier seines hundertsten Geburtstags. Selbst die Banater Gesangvereine organisierten Konzerte mit Werken Beet-hovens und würdigten in dieser Weise den großen Musiker. Am 16. Dezember 1870, also genau zum 100. Geburtstag Beethovens, brachte die Temeswarer Zeitung einen längeren Bericht mit dem Titel Beethovens Beziehungen zu Ungarn, geschrieben von Gotthard Wöhler. Unter anderem schreibt er: „Ein Jubiläum wollen wir feiern! Das Jubiläum des größten Apostels der Tonkunst... Wenn wir von den Beziehungen Beethovens zu Ungarn sprechen, so kann dies nicht geschehen, ohne das Gedächtnis eines Mannes zu zitiren, den das Band einer innigen Freundschaft mit dem gewaltigen Heros der Töne verband. Franz Graf Brunswick, den ein stolzer Unabhängigkeitssinn daran verhinderte, seine reichen Fähigkeiten auf dem bewegten Tummelplatze des öffentlichen Dienstes glänzen zu lassen, lebte an seinem reizenden Landsitze zu Mártonvásár der Pflege der Kunst. (...)“
Fortsetzung folgt