Das Konzert Franz Liszts in Hermannstadt

Seit der Geburt des Klaviervirtuosen und Komponisten erfüllen sich 200 Jahre

Der Gasthof „Zum Römischen Kaiser“ in der Heltauergasse von Hermannstadt zu Liszts Zeiten

Franz Liszt kam am 22. Oktober 1811 im damals ungarischen Raiding/Doborjan zur Welt, einem Besitz der Eszterházys. Seinen ersten Klavierunterricht erhielt er von seinem Vater und mit 12 Jahren gab der Schüler Carl Czernys als Wunderkind bereits Konzerte in Pressburg, Budapest und Wien. Um das Studium seines Sohnes fortsetzen zu können, zog Adam Liszt mit ihm nach Paris. Als „petit Litz“ wurde Franz in vielen Salons der französischen Hauptstadt wie ein großer Star gefeiert, bis er schließlich sein turbulentes Leben als Konzertpianist kreuz und quer durch ganz Europa begonnen hat. Er spielte vor Kaisern und Königen, vor Fürsten und Prinzessinnen, fast immer in überfüllten Salons und Konzertsälen, wie es sich nicht einmal der große Geigenkünstler Paganini hätte erträumen lassen. Seine Virtuosität, seine hohe Kunst und sein Können wurden nicht nur von Kritikern bestätigt, sondern auch von bedeutenden Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts wie Frédéric Chopin, Felix Mendelssohn-Bartholdy, Clara und Robert Schumann, Richard Wagner, Johannes Brahms, Hector Berlioz, Heinrich Heine.

Die Jahre 1846-47 spielten nicht nur in der Biografie Franz Liszts eine besondere Rolle. Auch in Siebenbürgen spürte man bereits, dass sich in der Gesellschaft die politische Situation zuspitzt, ohne aber die Folgen für diese Entwicklung ahnen zu können. Für Liszt wurde es die letzte und längste Konzertreise seiner Virtuosenlaufbahn. Er wollte diesmal aber nur in kleineren Orten der Provinz seiner ungarischen Heimat konzertieren, weit weg vom Lärm der Metropolen und den Salons und Sälen seiner aristokratischen Gönner. In Szekszárd feierte man am 22. Oktober 1846 seinen 35. Geburtstag, danach ging die Reise weiter über Temeswar, Lugosch, Arad, Hermannstadt, Aiud, Klausenburg, Bukarest, Jassy, Kiew, Czernowitz bis Konstantinopel.

In Richtung Banat und Siebenbürgen

Bereits 1843 schrieb er an Gräfin Marie d´Agoult von Breslau aus: „Ich bin ganz der Ansicht, dass ich meine Virtuosenlaufbahn bald abschließen muss, Ungarn ist die natürliche und notwendige Konklusion.“ Und Großherzog Carl Alexander von Weimar hat er am 6. Oktober 1846 brieflich mitgeteilt: „Mit 35 Jahren kommt für mich der Moment, den Puppenzustand meines Virtuosentums zu zerbrechen und meinen Gedanken freien Lauf zu lassen, natürlich mit dem Vorbehalt, weniger herumzuflattern.“ Liszt wollte mit der „ewigen Gymnastik der tobenden Oktaven“ Schluss machen. Jeden Abend die gleichen Szenen: ein vor Euphorie tobendes Publikum, unzählige Widmungen in Form von Gedichten, Fackelzüge und Feuerwerke zu seiner Ehre, festliche Empfänge und Tafeln, feierliche Überreichung von Ehrendiplomen und Ehrenbürgerschaften, Serenaden und Lorbeerkränze. In Temeswar wurde ein Triumphbogen zu seinem Empfang aufgestellt, der Bürgermeister von Arad ist ihm bis Ortzidorf mit einer Eskorte entgegengeritten und übergab ihm den Schlüssel der Stadt und vor den Toren von Lugosch wurde er von einer Schar rumänischer Bauern empfangen, die von dem angeblichen „großen Herrn aus Wien“ Hilfe in der Erledigung ihrer Bittschriften forderten. „Mit einem Wort, es ist eine phantastische Triumphreise, von welcher einst ein Künstler nur träumen konnte, und es geschah alles so, dass ich davon vorher nicht ahnen konnte (...)“ – berichtete er an seinen Freund und Gönner, Baron Antal Augusz.

In Hermannstadt

Doch nach Liszts Konzert vom 20. November 1846 im Hermannstädter Redoutensaal brachte eine ungarische Zeitung aus Klausenburg die Nachricht: „Liszt ist tot. Er ist nicht mehr. In Hermannstadt, am 20. November, hat man ihn begraben…“ Über mehrere Monate dauerte die folgende Schlammschlacht zwischen deutschen und ungarischen Zeitungen Siebenbürgens und man könnte aus heutiger Perspektive fast ironisch feststellen, die Revolution sei um zwei Jahre zu früh ausgebrochen. Wegen Franz Liszt? Nur wegen eines Klavierkonzertes? Ja. Der ausschlaggebende Moment war wirklich ein einziges Musikstück: der Rákóczi-Marsch, den Liszt in vielen seiner Konzerte als Zugabe geben musste. Die ungarische Zeitung Mult és jelen versuchte, etwas gezwungen aber trotzdem objektiv darüber zu berichten: „Der König des Klaviers gab im Tanzsaal der Stadt Hermannstadt ein Konzert, welches mit dem größten und lautesten Erfolg aufgenommen wurde. Aber es passierte etwas, was man tatsächlich bedauern kann. Am Ende des Konzertes bei den Zugaben wurden zwei Themen mit lautem Rufen vorgeschlagen: Der »Erlkönig« von den Sachsen und den »Rákóczi« von den Ungarn. Liszt schätzte den letzten Vorschlag höher ein und spielte dieses Stück. In den Applaus, der reichlich gespendet wurde, mischten sich auch Pfiffe, was Liszt offenbar unangenehm berührte. Die sächsische Abordnung fühlte, dass ein Missgriff verübt wurde. Am nächsten Tag suchte eine Delegation Liszt auf und drückte ihr Bedauern aus. Zugleich ersuchte die Delegation Liszt, noch ein Konzert zu geben, wofür sie ihm 600 Gulden zusicherten, was aber der Künstler ablehnte.“

Anscheinend ist Liszt in eine Falle getappt, die von seinen Begleitern und seinem Sekretär Belloni nicht wahrgenommen wurde. Bei seiner Ankunft am 18. November 1846 in Hermannstadt wurde er im Römischen Kaiser von einer Delegation des vor wenigen Jahren gegründeten Musikvereins herzlich begrüßt und auch einige Musiker machten ihre Aufwartung. Noch am gleichen Tag berichtete jedoch der Siebenbürgische Bote über die erfolgreichen Konzerte der deutschen Pianistin Sophie Bohrer in Hermannstadt und erwähnt Liszts Werke, die an diesem Abend gespielt wurden: die Norma-Phantasie und die beiden Bearbeitungen von Schubert-Liedern Erlkönig und Ave Maria. Der Berichterstatter konnte in den von der Pianistin vorgetragenen Liszt-Werken nichts Wertvolles entdecken: „…im Übrigen kann ich den Liszt´schen Musikstücken durchaus keinen Geschmack abgewinnen. Außerordentliche sich anhäufende Schwierigkeiten, über deren Ausführung man staunen muss; nichts aber von dem nothwendig geistigen Zusammenhang, den ein Kunstprodukt, soll es solches sein, durchaus haben muss…“ Dieselbe Zeitung machte davor sowohl für das Konzert von Sophie Bohrer wie auch für Franz Liszt Werbung und schrieb, dass an den Ecken „unserer geräuschlosen Straßen“ die Namen dieser beiden Musiker prangen: „Es gilt! Hören wir! Genießen wir! Sobald sieht unser Hermannstadt Meister Liszt und Fräulein Bohrer nicht wieder.“


(Fortsetzung)