Man sollte sie nicht auf die leichte Schulter nehmen! Sie könnten abrutschen und – Gott bewahre – Schaden nehmen. Woher kommt diese Sippe? Unter ihren Altvorderen gab es klingende Namen, wie Pantagruel, Dyll Ulenspiegel und die Sieben Schwaben, dazu auch die namenlosen Harlekins und Clowns. Doch das ist nur eine Linie, nur das heitere Gesicht des Komischen, ein dunkles, gefährliches Gegenbild liegt auf der anderen Seite. In alter Zeit waren Hofnarren so komisch, krumm und jämmerlich, dass sie ihren Herrn verspotten und ihm dabei die Wahrheit sagen konnten. Das war nicht immer ungefährlich. Zur Belustigung eines adeligen Publikums mussten einmal in Russland Zwerg und Zwergin nackt auf nacktem Eise Hochzeit vollziehen. Die „Narren in Christo“, die „Jurodovy“ konnte man verlachen, verachten, hinterrücks quälen, doch waren sie auch gefürchtet, weil sie wahr sprachen. Es gab einmal einen Narren, der vor jedem Gotteshaus auszuspucken pflegte. Vor den Kneipen jedoch, bekreuzigte er sich. Auf diese Weise zeigte er dem Volk, dass alle Dämonen vor dem starken Gebet der Gläubigen geflohen waren und vor der Türe des Gotteshauses stehen mussten. Bei den Kneipen, verhielt es sich umgekehrt. Hier standen die guten Engel weinend vor der Türe, weil sie die verlorenen Seelen der Trinker in ihrem Sündenpfuhl zurück lassen mussten.
Und wir verlassen Russland, um uns den findigen Ohrenbläsern zuzuwenden. Das waren z. B. jener Rattenfänger, dessen Piepe viele Kinder folgten, um schließlich Siebenbürgen zu erreichen… und jener Papst, dessen Worten viele arme Kinder folgten, um Jerusalem zu befreien… und jene Werber, deren patriotische Trommeln junge Burschen in die Schlacht trieben, um zu sterben. Zu der Sippe Findiger und Windiger gehören auch die Unbehausten und Ruhelosen. Einer Hoffnung folgend, brechen sie in fremde Fernen auf. Es sind Schatzsucher, Händler und Lügner. Aus den Schatzsuchenden können Forscher werden - aus den Händlern Patrizier - und aus den Lügnern Dichter.
Im Mittelalter wurden die Sänger/Poeten Troubadoure, Trouvčres und Vindaere (mad) genannt - schlicht die Findigen. Sie waren nicht Schöpfer eines Liedes, vielmehr hatten sie vorgefundene Motive aufgenommen und „komponiert“. Dieselbe Gepflogenheit herrschte auch bei den Musikern. Die Meister des Wortes konnten weder lesen noch schreiben dafür aber singen und sagen. Das Wort selbst aber ist wirkmächtig, denn vor aller Zeit war das Wort bei Gott. Viel später haben die Lateiner, die Grammatik-Fetischisten, das Wort „mutabor“ (ich soll verwandelt werden) gefunden. Es sollte zum Zauberwort werden. Dem Kalifen Storch geriet es zum Verhängnis, den Dichtern hingegen wurde „Verwandlung“ zum täglichen Brot. Unter diesem Wandelstern tauschten sie Spott und Lob, Wunsch und Wahrheit, alte Liebe und neues Leid, oder sie warfen gleich alles zusammen in einen Topf und sprachen von dem weisen Tor und der heiligen Sünderin.
Die Krone freilich verliehen sie einer Frau „Isot la blonde, merveille de tout le monde“. Sie war Gemahlin des Königs Marke und Geliebte seines vortrefflichen Neffen Tristan. Um ihre Unschuld zu beweisen, musste sie ein glühendes Eisen in ihren zarten Händen tragen. Mit einem doppelsinnigen Schwur, einem Gelöbnis mit gespaltener Zunge und dem tiefen Vertrauen in Gottes „Hofscheit“ bestand sie die Feuerprobe. Das Gottesurteil sprach sie frei. „Da wart wol goffenbaret…. daz der vil tugendhafte Crist windschaffen alse ein ermel ist“. Haben wir recht gehört? Isolde - die Findige, Christus - der Windige.Ja, so etwa ergibt es sich aus Gottfrieds Worten, des Dichters von Straßburg. Und somit wären wir wieder bei den Dichtern, den Rosstäuschern, krummäugigen Astrologen… und dergleichen mehr. Manchmal jedoch konnte es geschehen, dass selbst diese, geleitet vom Licht des Wandelsterns Mutabor jenes Land fanden, wo der Dichter zur Fabel und der Sänger zum Liede wird. Damit wollen wir, leise rückwärts tretend, die Bühne verlassen und das Fenster öffnen, um den Windigen und Findigen zu winken.