Es ist schon ungewöhnlich, sich als Material, aus dem Kunst entsteht, auf Schaumstoff zu spezialisieren. Aber was soll man erst sagen, wenn man mit einem roten Schaumstoffsofa Reisen entlang der Donau unternimmt? Genau das hat der österreichische Künstler Josef Trattner seit dem Jahr 2004 ganze 76 Mal getan – auf der Suche nach dem Verbindenden zwischen den Menschen der zehn Anrainerstaaten des Stroms, der einerseits zahlreiche Landesgrenzen markiert, anderer-seits aber war die Donau, genau wie andere Flüsse auch, schon immer mehr Verbindungs- als Trennlinie, für die Bewohnerinnen und Bewohner beider Seiten ein gemeinsamer Bezugspunkt.
Kunst als Ausgangspunkt für Miteinander – so kann man vielleicht verstehen, was Trattner jahrelang immer wieder dazu bewegt, sich an verschiedensten Orten von vielen unterschiedlichen Menschen neu inspirieren zu lassen und andere zu inspirieren. Dazu schultert er einfach das Sofa, zieht los und lädt Menschen auf und um das Sofa zu Begegnungen ein. Eine der Reisen Trattners mit dem kleinen roten Kunstwerk führte ihn 2012 auch durch Rumänien, wo er in acht verschiedenen Städten mit Literatinnen und Autoren ins Gespräch kam, wie die ADZ bereits damals berichtete.
Eine Multimediaausstellung, die die Ergebnisse dieses besonderen, über Jahre entstandenen Projekts dokumentiert, war nun vom 11. bis 27. September in der Buchhandlung Catureşti Carusel in Bukarest zu sehen: Im Mittelpunkt immer das rote Sofa mit Musikerinnen und Musikern, an und in der Donau, mit Interviewpartnerinnen und -partnern, am Hafen.
Bei so vielen Begegnungen passte es auch sehr gut, dass Trattner bei der Live-Performance, die er am 22. September vor – coronabedingt auf zwanzig Personen beschränktem – Publikum zweimal zum Besten gab, nicht allein, sondern gemeinsam mit zwei weiteren Künstlern auftrat. Nach einer herzlichen Begrüßung des Leiters des Österreichischen Kulturforums Bukarest, Thomas Kloiber, und einleitenden Worten des österreichischen Künstlers, eröffnete der rumänische Dichter Peter Sragher mit Gedichten auf Englisch und Rumänisch die insgesamt halbstündige Vorstellung.
Wer den Literaten seine Gedichte selbst eindrucksvoll vortragen hört, merkt sofort, dass auch dieser von der Donau inspiriert ist. Davon zeugen sowohl Orte wie Bratislava oder das Donaudelta als Motive, aber auch die Melodie und der Rhythmus – immer vorwärts fließend.
Auch dem anschließenden Spiel des bulgarische Flötisten Ivan Hristov war der Bezug zur Donau anzumerken: Nostalgische, melancholische Melodien auf dem Instrument wechselten sich mit dunklem, tiefem Gesang ab. Für Fantasy-Liebhaberinnen und -Liebhaber mag dies wie geheimnisvoller Elbengesang geklungen haben, der sich mit dem Flötenspiel des Fauns verwebt.
Währenddessen befreite Trattner einen roten Schaumstoffwürfel von seinen Innereien, steckte ihn sich auf den Kopf und hangelte sich blind am wellenförmig gewundenen Geländer des obersten Stockwerks der Buchhandlung zwischen den Zuschauerinnen und Zuschauern entlang – nicht wissend, was kommt, aber mit einem klaren Kurs.
Als die Musik verklang und auch Trattners Gesicht wieder zum Vorschein kam, konnte man ihm die Begeisterung an Neuem und am Miteinander förmlich ansehen. Und so ist es kein Wunder, dass er es – wo er auch auftaucht – immer wieder schafft, Musikerinnen zum Improvisieren, Ansässige zum Erzählen, Literatinnen zum Lesen anzuregen.
Man merkt, dass es ihm, wie er sagt, um Veränderung durch Dialog geht. Und es kommt an, wenn er dazu aufmuntert, einen Schritt auf andere zuzumachen – man kann nur gewinnen!