Drei Kronstädter Organisten, Steffen und Eckart Schlandt sowie Paul Cristian, spielten am 5. Juni auf drei Orgeln das Eröffnungskonzert der 60. Spielzeit in der Schwarzen Kirche. In aller Stille aber beharrlich hat sich die Orgelkonzertszene in dieser Kirche dank der vielen angehenden und der erfahrenen Organisten sechs Jahrzehnte lang bewährt. Dabei gab es so gut wie keine Werbung. Auch in der wöchentlichen Kulturvorschau der ADZ steht lediglich: Orgelkonzert jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag.
In jeder Saison gibt es 35 Konzerte im Zeitraum Juni bis September, die von durchschnittlich 180 Personen besucht werden. In den siebziger und achtziger Jahren waren es ungefähr doppelt so viele Besucher.
Ein kurzer Überblick, wie es zu diesen Konzerten kam, ist vielleicht aufschlussreich. Die reiche musikalische Tradition der Schwarzen Kirche erfuhr im Jahre 1949 eine bedauerliche Einschränkung: Orchestermusiker durften nicht mehr in der Kirche spielen. Es blieben der Chor und die Orgel.
Letztere war von in- und ausländischen Gruppen zunehmend gefragt: Zu allen möglichen und unmöglichen Zeiten wurden Orgelvorspiele verlangt. Da aber Musikdirektor Victor Bickerich, der das Amt des Kirchenmusikers 40 Jahre lang (1922-1962) innehatte und auch am deutschen Lyzeum unterrichtete, die steilen Treppen zur Orgelempore nicht zu oft steigen wollte, ließ er sich öfters von seinen fähigen Orgelschülern – allen voran Klaus Fograscher oder Werner Hannak – vertreten. Zu diesen beiden kamen weitere Schüler hinzu, sodass ab dem Jahre 1953 an sechs Wochentagen je ein Organist spielen konnte.
Wer nicht zu spielen hatte, half bei den Orgelregistern und lernte dadurch Orgelliteratur kennen. Seit dem Sommer 1956 habe auch ich aktiv teilgenommen. Mehrere Schüler wurden für die Hochschulen in Klausenburg oder Bukarest ausgebildet und sind im Inland oder Ausland bekannt geworden, z. B. (chronologisch): Lidia Sumnevici, Klaus Knall, Rose Wagner, Eckart Schlandt, Michael Rădulescu u. a.
Ab dem Jahr 1955 wurden die bekanntesten Organisten des Landes herangezogen. Diese besonders würdig begangenen Konzerte hatten einen liturgischen Rahmen unter Mitwirkung des Bachchors. So konzertierten Horst Gehann, Helmut Plattner, Erich Bergel, Kurt Mild, Josef Gerstenengst, Franz Xaver Dressler u. a., ganz selten auch Ausländer. Die schweren Jahre des Schwarze-Kirche-Prozesses und die drückenden Repressalien gegen die sächsische Bevölkerung haben die Orgelvorspiele wundersamerweise kaum beeinflusst. Der Besucherstrom stieg unaufhörlich.
Bei meinem Amtsantritt 1965 gab es in der Honterusgemeinde fünf konzertreife Organisten. Da die Konzerte bei freiem Eintritt stattfanden, gab es oft ein Kommen und Gehen. Um etwas mehr Ruhe im Publikum zu haben, wurden ca. 1978 Eintrittskarten eingeführt, die, obwohl der Preis nur symbolisch war, dann doch etwas mehr Ruhe bewirkten.
Damit kein stereotypes Abspielen der immer gleichen Orgelwerke erfolgt, sieht jedes Jahr musikalisch anders aus. Der erste Versuch war im Max-Reger-Jahr 1973. Wir nahmen uns vor, die fälligen Jubiläen würdig zu begehen, das heißt wenigstens fünf gewichtige Werke des Komponisten zu spielen. Das Bach-Händel-Jahr 1975 brachte die Aufführung des Gesamtwerkes von Bach, das sind von BWV 525 bis BWV 771 weit über 200 Stücke. Ab nun kamen jährlich ein bis vier Komponisten hinzu, deren Werke wir uns mühselig aus dem Ausland beschaffen und dann vor allem lernen mussten!
Durch Auswanderung von vier Organisten änderte sich die Besetzung. Es kamen neue Organisten der Filialkirchen dazu, die es ermöglichten, fünf Mal pro Woche zu konzertieren. Auch konnte ich Orgelschüler heranbilden, die heute in Hermannstadt, Kronstadt, Zeiden, Heltau oder im Ausland wirken. Diese werden immer wieder herangezogen, sodass wir im vergangenen Sommer Werke von ca. 40 Komponisten erklingen ließen. Aus dem Kartenerlös werden Summen zur Instandhaltung von siebenbürgischen Orgeln bereitgestellt. Da auch außerhalb der Orgelsaison Orgelvorspiele bestellt werden, gibt es einen weiteren finanziellen Gewinn, der u. a. für die Kirchenmusik verwendet wird.
Seit dem Jahre 2004, als Steffen Schlandt die musikalische Arbeit wesentlich erweitert hat, indem er Burzenländer Orte miteinbezieht und die Erforschung besonders der siebenbürgischen Musikwelt systematisch betreibt, gibt es für mich trotzdem ebenso viel Arbeit wie bisher: Ein tägliches Üben darf da nicht fehlen. Zwei Drittel der Orgelkonzerte bestreiten die Kronstädter, ein Drittel sind auswärtige oder ausländische Organisten.
Auf den drei spielbaren Orgeln in der Schwarzen Kirche, zu denen vorübergehend auch die restaurierte Orgel aus Reps hinzu- kommt, kann man herrlich musizieren! Die meisten Hauptorganisten der Buchholz-Orgel ab 1839 haben jahrzehntelang gewirkt, sodass es eigentlich in 173 Jahren gar nicht so viele waren: Carl Christian Closs, Heinrich Mauss, Hermann Geifrig, Rudolf Lassel, Victor Bickerich, Walter Schlandt, Eckart Schlandt, Steffen Schlandt.