Vorige Woche wurde im Bukarester Museum für zeitgenössische Kunst die internationale Gruppenausstellung „Good girls“ eröffnet, die von der Professorin an der Kunstuniversität Bukarest Marilena Preda Sânc initiiert und von der Kuratorin Bojana Pejic (Berlin) betreut wurde. Die gewaltige Ausstellung belegt zwei Etagen des Museums und konzentriert sich dabei auf drei Schwerpunkte in Bezug auf Kunst von und über Frauen – Ursprung, Verlangen, Macht. Da seit den 90er Jahren nur kleine Ausstellungen in Rumänien organisiert wurden, die sich der feministischen Kunst gewidmet haben, stellen in dieser Hinsicht die „Good Girls“ in ihrem Ausmaß ein ziemlich großes Ereignis dar.
Behandelt werden Themen wie Erforschung der künstlerischen oder sexuellen Identität, Verlust, Trauma, kollektives oder individuelles Gedächtnis, Körper, häusliche Gewalt, Selbstabbildung, Beziehungen, Liebe oder Mutterschaft. Konzipiert wurde die Ausstellung mit Blickrichtung auf Sozialkritik, Aktivismus, Machtstrukturen, Dekonstruktion der Ideologien, normierender Repräsentation und kulturellen Stereotypen der Weiblichkeit. „Das Konzept basiert auf dem Werk, das von Künstlern geschaffen wird, denn ohne sie kann man nichts machen“, erklärt Kuratorin Bojana Pejic. „Feministische Künstler sind kritikorientiert, sie dekonstruieren Machtstrukturen und setzen sich mit den Dingen auf ihre eigene Art und Weise auseinander. Manchmal betrachte ich die Welt durch ihre Perspektive. Sie werden die Welt zwar nicht verändern, aber sie sensibilisieren ihre Mitmenschen“, fügt sie hinzu.
Schon im Aufzug wird man von einer ersten Audio-Installation empfangen: Eine musikalische Adaption der Künstlerin Alexandra Croitoru, die einen bissigen Text des Bildhauers Constantin Brâncuşi über seine Landsleute mit der Melodie der rumänischen Hymne ironisch verknüpft. Die Ausstellung enthält aber nicht nur Werke hiesiger Künstlerinnen, sondern auch Kunstschaffende aus Lettland, der Slowakei, den USA, China, Frankreich, der Türkei, Bulgarien, Bosnien und Herzegowina, Russland, Guatemala, Israel, Mazedonien, Serbien oder Ungarn sind vertreten. Auch Künstler aus dem deutschsprachigen Raum sind darunter. Ausgestellt sind Gemälde der österreichischen Malerin Elke Krystufek und Video-Installationen von Pauline Boudry, Renate Lorenz und Hito Steyerl aus Deutschland.
Elke Krystufek widmet sich in ihrem Beitrag den Männern. Sie nimmt mit fünf Porträts an der Ausstellung teil, abgebildet werden u. a. der homosexuelle Regisseur John Waters, der brasilianische Schriftsteller Paul Coelho in „David“ und der expressionistische Maler Max Pechstein. Darstellungen von Männern, die die Künstlerin wahrscheinlich entweder bewundert oder die ihren Werdegang beeinflusst haben. Die Malerin war bei der Vernissage anwesend, begleitet wurde sie von der Leiterin des Österreichischen Kulturforums in Rumänien, Elisabeth Marinkovic.
Eine Video-Installation von 13 Minuten wurde über Hannah Cullwick von Pauline Boudry und Renate Lorenz (Deutschland) konzipiert. Im Film „Normal Work“ versucht Darsteller Werner Hirsch in Form eines Reenactments mehrere Fotografien des viktorianischen Hausmädchens nachzustellen, in denen die Dienstmagd durch ihre körperliche Kraft imponiert. Das Vorhaben der Regisseure ist es, nochmals auf Materialien aus der Vergangenheit zurückzugreifen, damit sie Dinge finden, die von der Norm abweichen, die sonderbar sind und auf die nie geachtet wurde. Eine solche „queer“ Episode zeigt die androgyn anmutende Hannah Cullwick, deren Muskeln und schmutzige Hände auf den aus der höheren Gesellschaftsschicht stammenden Arthur Munby eindrücken.
Ihre Liebesbeziehung schwankt zwischen den Herrschaftstendenzen des Mannes und den Unabhängigkeitsansprüchen der Frau. Auf den Fotos ist Hannah Cullwick in verschiedenen sozialen Kontexten zu sehen – als Dienstmagd, als bürgerlicher Mann, als Sklavin oder als elegante Dame. Dabei ist interessant zu betrachten, wie der Übergang von einer sozialen Stellung zur anderen, von einem Geschlecht zum anderen, von einer Rasse zur anderen stattfindet.
Die Polarität Dominanz – Unterordnung wurde im Rahmen der Ausstellung auch durch den Dokumentarfilm „Lovely Andrea“ behandelt, der von Hito Steyerl (Deutschland) gemacht wurde. Der Filmessay berichtet von dem Untergrund der Bondage-Praktik oder Shibari (ursprünglich entwickelt hat es sich aus fernöstlichen Kampfkünsten, erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurde eine sinnliche Dimension hinzugefügt), die inzwischen in Japan zu einer Industrie geworden ist. Die Regisseurin sucht ein Foto, für das sie selbst vor ungefähr 20 Jahren posiert hat, als sie Studentin an der Akademie für Bewegtbilder in Tokyo war. Die Rope-Masters bekennen in Interviews die Tatsache, dass die jungen Frauen meistens mit einem Trick dazu gebracht werden, sich festgebunden fotografieren zu lassen. Auf ihrer Suche nach dem Foto wird Hito Steyerl von Asagi Ageha unterstützt, eine Darstellerin, die in der Luft auftritt und an der Freiheit des Schwebens Gefallen findet. Das Netz ist als Allegorie zu verstehen und es wird zum Leitgedanken des Films. Die Regisseurin schafft durch das ununterbrochene Fragestellen, Interpretieren und Einführen von Pop-Elementen ein Gedankenspiel, das letztendlich symmetrisch ist: Angefangen und beendet wird die dreißigminütige japanisch-deutsch-österreichische Produktion mit der Frage: „Ich frage mich immer noch. Worum geht es in deinem Film?“
Die Gruppenausstellung „Good Girls. Ursprung, Verlangen, Macht“ wird vom Museum für zeitgenössische Kunst und dem Verein Experimental Project veranstaltet, zu den Mitwirkenden zählen u. a. das Österreichische Kulturforum und das Ungarische Kulturzentrum. Die Ausstellung kann bis Ende September besucht werden.