Die 2015 von Anselm Roth gestartete Buchreihe „Über Siebenbürgen“ mit Luft- und Innenfotografien der zahlreichen Kirchenburgen der Region kommt zu ihrem Abschluss: Der neue – und letzte – Band 10 dokumentiert 16 Kirchenburgen aus Nordsiebenbürgen, genauer aus dem Nösnerland und dem Reener Ländchen. Es ist ein beeindruckender Bildband geworden, der auch die Tatsache bildlich festhält, dass einige der Kirchen nur dadurch überhaupt erhalten werden, indem sie an andere Kirchen übergegangen sind, vornehmlich die Orthodoxe Kirche.
Hansotto Drotloff und Bogdan Muntean liefern in ihrem Vorwort eine historische Einordnung. Nach ihren Worten nimmt der Norden Siebenbürgens unter den im Mittelalter von Siedlern vom Rhein und der Mosel besiedelten Gebieten eine besondere Stellung ein. Die ungarischen Könige sorgten frühzeitig angesichts der Bedeutung des Bergbaus dafür, dass erfahrene Bergleute aus Mittel- und Westeuropa hier angesiedelt wurden, um die wertvollen Erzvorkommen und besonders die Edelmetalle der Ostkarpaten auszuschöpfen. Daher wurde das Gebiet um Bistritz als eines der ersten besiedelt. Diese Besiedlung kam aber durch den Mongolensturm 1241-1242 zum Stillstand.
Der „Nösnergau“ umfasste im Mittelalter rund 40 Dörfer um die Stadt Bistritz (lateinischer Name Nosa). Durch die Entstehung des Fürstentums Moldau jenseits der Karpaten 1359 und der Verlegung der Hauptstadt nach Suceava 1388 erlebten die Ortschaften des Bistritzer Distrikts einen raschen wirtschaftlichen Aufschwung. Das führte zu manchmal sehr großen Kirchen in den meisten dieser Dörfer.
Während der Bistritzer Distrikt (Nösnergau) die Freiheiten des Königsbodens genoss, war das Reener Ländchen immer der Willkür der Adligen ausgesetzt. Beide Gebiete teilten das Schicksal des Wiener Schiedsspruchs vom September 1940 und wurden an Ungarn abgetreten. Die Anfang September 1944 eingeleitete Evakuierung der deutschen Gemeinden Nordsiebenbürgens führte dazu, dass über 90 Prozent der Bevölkerung mit Planwagen oder Eisenbahn flüchten mussten. Die meisten wurden aber nach Drotloffs und Munteanus Worten von der Roten Armee wieder eingeholt und in Arbeitslagern inhaftiert. Die Auswanderungswelle seit den 1970er Jahren und besonders seit 1990 hat dann die Gemeinden noch weiter ausbluten lassen.
Umso wichtiger ist, dass hier in diesem Band neben den prominenten Kirchen in Sächsisch Regen/Reghin und Bistritz/Bistri]a 14 weitere dokumentiert werden, und zwar: Obereidisch/Ideciu de Sus, Botsch/Batoș, Weilau/Uila, Tekendorf/Teaca, Dürrbach/Dipșa, Lechnitz/Lechința, Wermesch/Vermeș, Moritzdorf/Moruț, Mönchsdorf/Herina, Mettersdorf/Dumitra, Tschippendorf/Cepari, Treppen/Târpiu, Senndorf/Jelna und Minarken/Monariu.
Zu allen Kirchen werden wieder konzentrierte historische und baugeschichtliche Informationen gegeben. In diesem Band wird besonders die bauliche Bandbreite der Gotteshäuser und Kirchenanlagen deutlich. Dabei erfahren die Leserinnen und Leser auch wertvolle Informationen am Rande, etwa dass die Musikinstrumentenfabrik in Sächsisch-Regen/Reghin seit ihrer Gründung 1951 mehr als 4,5 Millionen Instrumente produziert und – auch weltweit – verkauft hat.
Es wird deutlich, dass die meisten Kirchen häufig die historisch wertvollsten Baudenkmäler vor Ort darstellen. Auch wenn den prominenten Gotteshäusern in Bistritz und Sächsisch-Regen zu Recht besonders breiter Raum eingeräumt wird, so kommen auch die anderen Kirchen und Orte beileibe nicht zu kurz. Sie zeigen auch den sehr unterschiedlichen Erhaltungszustand.
So präsentieren sich manche Kirchen wie etwa in Obereidisch (S. 16-20) oder Botsch (S. 21-25) innen und außen weiterhin als gepflegte und blitzsaubere echte Kleinode, teilweise mit prächtigem Innenraum (Botsch). An anderen Bauten werden der traurige Niedergang und der sichtbar nagende Zahn der Zeit deutlich: so etwa in Tekendorf (S. 31-35), Lechnitz (S. 41-45) und dem vor sich hin vergammelnden Wermesch (S. 46-51). Die Luftbilder von Ovidiu Sopa dokumentieren bei den beiden letztgenannten Objekten besonders dramatisch den baulichen Verfall und die kaputten Kirchendächer. Lechnitz hat fast keine Dachziegel mehr, Wermesch ist einsturzgefährdet und darf gar nicht mehr betreten werden. Dabei illustrieren auch die Innenfotos etwa von Lechnitz, welche wunderschönen Gottesdiensträume es hier früher gab.
Dazwischen lassen in diesem Band immer wieder viele ungewöhnliche Details und Besonderheiten aufmerken. So wird mit der Kirche von Weilau nebenbei auch die ganz spezielle Geschichte der evangelischen „deutschen Roma-Gemeinde“ erzählt; dort steht auch der Glockenturm neben der Schule in deutlicher Entfernung zur Kirche, wie die Luftbilder zeigen. In Mönchsdorf beeindruckt das riesige strahlend weiße Gotteshaus allein auf weiter Flur; in Minarken präsentiert sich die Kirche regional völlig untypisch als ungewöhnlicher Rundbau, ebenfalls deutlich sichtbar im Luftbild (S. 89).
So bieten die eindrucksvollen Fotos und Darstellungen in Wort und Bild der hier dokumentierten Gotteshäuser und Kirchenburgen tatsächlich einen krönenden Abschluss der Reihe „Über Siebenbürgen“. Dieser – auch drucktechnisch einwandfreie – zehnte Band kann durchaus als „Vermächtnis“ des viel zu früh verstorbenen Anselm Roth gelesen werden. Der Schiller Verlag hat sein Lieblingsprojekt würdevoll fortgesetzt und zu Ende gebracht. Anselm Roth kann sich auf seiner Wolke darüber freuen.