Der gleiche musikalische Konflikt treibt die Solokünstlerin Karina Körösi (17) an, wie einst die Folk- und spätere Rocklegende Bob Dylan: Sie möchte weg von der Westerngitarre und sich eine Band anschaffen. Ihre Solo Acts haben schon manche in die Irre geführt, die schnell Vergleiche zu älteren und jüngeren Folkgrößen wie Joan Baez oder Laura Marling gezogen haben.
Tatsächlich gibt es unbestreitbare Ähnlichkeiten zwischen der Britin Laura Marling und der Temeswarerin. Beide sind durch ein nahestehendes Familienmitglied zur Musik gekommen, beide versuchen, sich gegen wachsende Trends durchzusetzen, die eher minderwertige Musik promoten. Nur, dass Marling sich schnell als Folksängerin geoutet hat, während Körösi keinen Bezug dazu findet. Die Stimme dazu hat sie, spielt auch das nötige Instrument und ist wahrscheinlich darum eher unfreiwillig in diese Musiksparte hineingeschlittert, obwohl es ihr eigentlich Bands wie Nirvana, Pearl Jam und Soundgarden angetan haben.
Doch noch befindet sich die junge Sängerin auf der Suche nach ihrem eigenen Stil und der persönlichen Message. Noch hat sie nicht den Drang verspürt, die Feder in die Hand zu nehmen und an ihren eigenen Liedtexten zu feilen. Dafür hat sie bereits eigene Songs für die Gitarre komponiert. Sie experimentiert gerne mit ihrem Wahlinstrument, schreibt auch nebenbei Gedichte und Prosa, könnte also beide miteinander verbinden, hat sich aber noch nicht dazu durchgerungen, obwohl sie doch immer wieder mit diesem Gedanken spielt.
An der nötigen Reife dürfte es nicht liegen, obwohl Körösi es als Einwand einbringt. Denn auch Marling überraschte die britische Musikwelt mit ihrem Debütalbum, das sie gerade mal mit 18 herausbrachte. Was ihr fehlt, ist die Überwindungskraft und der Mut, Fehler zu machen. Sie muss die Möglichkeit in Kauf nehmen, an den ersten Gehversuchen zu scheitern. Besonders Temeswar hätte eine junge Sängerin wie Körösi bitter nötig.
Auch wenn sie eher in Richtung Blues oder Jazz gehen möchte, so kann sie auf den Weg dahin einen Abstecher machen und ihre bisherige Erfahrung als Coversängerin nutzen, um sich eine eigene Stimme zu verleihen. Viele, die sie bereits gehört haben, sind sich sicher, dass dieser Schritt für sie entscheidend sein wird, um ihren Bekanntheitsgrad zu steigern. Zwar fehlt es ihr nicht an persönlicher, dafür aber an künstlerischer Reife.
Gleichzeitig wird es viele wohl überraschen, wenn Körösi in einigen Jahren die nötige künstlerische Reife erlangt und sie so gar nicht mehr danach klingt, was ihre ersten Zuhörer gewohnt sind. Sollte es mit der Band klappen, dann wird die talentierte Künstlerin bestimmt zur E-Gitarre wechseln und genau wie Dylan auf Rock umsteigen.
Denn sie schwärmt von der Energie, die eine Band ausstrahlt. Das Zusammenspiel von E-Gitarre, Bass, Drums und Stimme, alle durch Verstärker gejagt. Gerade darum kann sie sich mit der Folkmusik nicht anfreunden. Da fehlt ihr diese Energie. Auch sind die Zeiten andere, findet die Sängerin. „Das hat vielleicht was mit meiner Generation zu tun“, sagt Karina Körösi. „Die Verbindung zum Folk geht verloren, man orientiert sich anders, man drückt sich anders aus.“
Erste Gehversuche mit Band
Ein weiterer Grund, weshalb sie noch nicht die eigenen Liedtexte verfasst hat, ist die Überfülle an bereits vorhandenen Songs, die oft gerade das ausdrücken, was sie empfindet. „Man hat so viele Lieder, die man nachspielen kann“, meint die Sängerin. „Und dann hat man halt nicht mehr das Bedürfnis, auch selbst dazu Musik zu schreiben oder zu komponieren, weil man die Antworten in den Liedtexten findet, die man nachspielt.“
Nur fühlt sie sich oft in ihren Möglichkeiten eingeschränkt. Sie adaptiert viel, sucht nach Möglichkeiten, bekannte Lieder neu zu interpretieren und tatsächlich gewinnt sie diesen Songs durch ihren eigensinnigen Stil neue Facetten ab. Da erkennt man manche Rock- oder Popsongs nicht wieder, wenn Körösi sie sich zu eigen macht.
Die ersten Gehversuche zusammen mit einer Band hat die Sängerin bereits gemacht. Zusammen mit ihrer Schwester Eveline, die Bass spielt, und Andreas Sain am Schlagzeug. Geprobt wird nicht regelmäßig, Körösi meidet auch die Bezeichnung „Band“. „Es ist eher ein Zusammenschluss von Leuten, die Musik machen wollen.“
Die Mitglieder wären vom Typ her sehr verschieden. Auf gemeinsame Lieder einigen sie sich schwer, weil jeder andere Genres bevorzugt. Körösi hofft, dass sie zumindest zehn Lieder einstudieren werden, um damit Konzerte zu geben und sich so in die Öffentlichkeit zu wagen. Doch es fehlt an der nötigen Konsequenz.
Die drei Jugendlichen treffen sich gelegentlich, das letzte Mal am vergangenen Wochenende. Sie besitzen zwar kein eigenes Studio, dürfen aber den Aufnahmeraum von Radio Temeswar verwenden. Der Soundtechniker Andreas Henz ist auf die drei während eines Lyrikprojekts gestoßen, für die die Band Musik aufgenommen hat. Der Arbeitsprozess verläuft jedes Mal gleich. „Jeder kommt mit Vorschlägen, die werden besprochen und wenn wir uns dann alle auf ein Lied einigen, wird es einstudiert“, erklärt Körösi. Das Repertoire besteht aus diversen Songs, die meisten vorwiegend englische. „Es sind auch Lieder dabei, die wir einmal gespielt und dann schon wieder vergessen haben.“
Vom eigenen Stil und der eigenen Musik ist das Dreigespann noch weit entfernt. Auch hier kollidieren ständig drei Welten aufeinander. „Unsere Geschmäcker sind viel zu verschieden“, meint Körösi.
Die Autodidaktin
Seit vier Jahren spielt die Temeswarerin Gitarre. Das Instrument hat sie sich selbst beigebracht. Eigentlich wollte sie zuerst Bass lernen. „Aber singen und sich selbst mit einer Bass-Gitarre begleiten, geht schwer“, findet sie. Bei einem Konzert der Temeswarer Rockband Cargo fasste sie den Entschluss, Gitarre zu lernen.
Zuerst versuchte sie sich auf einem minderwertigen Instrument, wollte dann Musikstunden nehmen, lernte durch ihre Schwester einen jungen Sozialarbeiter kennen, der ihr einige Grundlagen beibrachte und schließlich setzte sie ihre Ausbildung selber fort, indem sie sich im Internet informierte und stundenlang übte. Hinzu kommt noch der Bass, den sie auch ihrer Schwester beibrachte.
Ein weiteres Instrument, das sie gerne spielen würde, ist das Saxofon. Inzwi-schen würde sie auf Gitarrenstunden verzichten. Regeln würden sie ohnehin eingrenzen und Musik muss für sie befreiend wirken. „Im Alltag muss man ständig Regeln befolgen, in der Musik ist man halt frei“, erklärt Körösi. „Und gerade das ist der Reiz der Musik.“
Nun muss sie nur den entscheidenden Schritt wagen und auch ihr literarisches Talent mit ihrem musikalischen vereinen. Das Ergebnis wird sich bestimmt hören lassen. Vielleicht könnte sie die nächste Ada Milea sein, der nächste Sting oder die nächste Laura Marling. Vielleicht wird sie aber auch nur Karina Körösi sein. Gerade das klingt verlockend, denn mehr müsste man nicht sein, außer man selbst.