Volkhard Steude (geboren 1971), Konzertmeister der Wiener Philharmoniker und des Wiener Staatsopernorchesters, war Gast des Violin-Rezitals, welches am Abend des 3. Mai 2016 im Hermannstädter Thalia-Saal stattfand. Der sanfte Wiener Schmelz im Geigenklang war vom ersten Ton an nicht zu überhören. Die aus Konstanza stammende Pianistin Cătălina Butcaru tat ihr Übriges zum starken Konzert. Wäre der Schalldeckel des stumpfen Steinway der Hermannstädter Staatsphilharmonie geschlossen gewesen, er hätte sich wahrscheinlich von selber aufgerichtet. Und das keine Woche nach der nicht minder geistreichen Darbietung des 2. Klavierkonzertes von Beethoven durch Karina Ioana Şabac im Abonnement-Konzert des Hermannstädter Orchesters.
Mit Beethoven startete auch der Kammerabend. Pünktlich zu Anfang Mai spielte Volkhard Steude die Sonate für Klavier und Violine Nr.5 F-Dur op.24, „Frühlings-Sonate“ genannt. Nicht nur die Musikstadt Wien war in seinem Auftreten präsent, auch eine große Portion alt-sächsischer solider Musiktradition steckte darin. Schließlich wurde Volkhard Steude in der Bach- und Mendelssohn-Stadt Leipzig geboren, hat in Cottbus als Fünfjähriger seine harten Lehrjahre begonnen, an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin und später an der Wiener Musikuniversität sein Studium beendet. Guter, fester Stand, eine gesunde Bogentechnik und eine Liebe zu den ganz leisen Tönen, das zeigte er auf seiner 1714 gebauten Stradivari. Beeindruckend auch seine konsequente Phrasierung: Man hätte nach seinem Spiel Diktat schreiben können. So wie Beethoven es notiert, so spielt es Volkhard Steude, identisch notierte Töne werden identisch artikuliert und nichts dem eigenen Gusto aus purer Bequemlichkeit angepasst. Da kann sich manch rumänischer Orchestermusiker eine Scheibe abschneiden.
Die Geschichte ging auch während der „Vier romantischen Stücke“ op.75 von Antonín Dvorák weiter, von den zauberhaften Piani und Pianissimi konnte man nicht genug bekommen. Volkhard Steude blieb ihnen auch nach der Pause treu, setzte ihnen jedoch stärkere Extreme gegenüber. So Richard Strauss´ Sonate für Violine und Klavier op.18, die von beiden Musikern als quasi-Tondichtung für großes Orchester gespielt werden möchte. Cătălina Butcaru unterstützte Volkhard Steude dementsprechend in der Umsetzung seines bitter-süßen Wiener Klangideals. Allerspätestens bei „Tzigane“ von Maurice Ravel werden alle Zuhörer im gut besuchten Thalia-Saal nicht nur beide Ohren, sondern auch ihre Seele für die gebotenen Töne geöffnet haben. Die beiden „wienerischen“ Zugaben waren wohl ein Bekenntnis Volkhard Steudes zum Publikum der ehemaligen habsburgischen Provinz. Schön, dass sie noch immer für einen kurzen Augenblick geistig reaktiviert werden kann.
Der Weg vom vielübenden Dreikäsehoch zum reifen Erwachsenen, für den Wassertrinken und Musizieren ein und dasselbe sind – er ist steinig. Als Schüler wird man natürlich nicht gesteinigt, aber immerhin gepeinigt, und nur ein paar ganz wenigen ist es vergönnt, sämtlichen auftauchenden Hindernissen mit links zu begegnen. Aber selbst ihnen fehlt etwas, denn früher oder später kommt jede/r Musikausübende an den Punkt, wo die Erweiterung der eigenen Kunst eben nicht in der Kunst selber zu finden ist. Ars longa, vita brevis. Den Weg von der Musik weg Richtung Leben, man muss ihn wagen, auch wenn er noch so schwer ist. Schmerz und Glück liegen so furchtbar nah beieinander. Trage das eine mit Haltung, lasse dich vom anderen nicht betäuben. Nach so einer Erfahrung wieder zur Musik zurückzukehren, ist wie eine Offenbarung, das eigene Spiel wird urplötzlich reicher. Volkhard Steude ist schon viele Wege zurückgegangen, bewegt sich auf dem eigenen mit schlafwandlerischer Sicherheit. Beispiel der wahren Meisterschaft. Vom kürzlich verstorbenen Großmeister Nikolaus Harnoncourt stammt das berühmte Zitat: „beauty is on the edge“. Kunst setzt ihre gesamte Energie erst frei, wenn sie von wahren Meistern zelebriert wird. Meistern wir unser Leben, ohne Umwege und Abkürzungen, gewinnen wir Erkenntnis. Volkhard Steude hat es vorgemacht.