Es ist bereits der Anblick, der einen in den Bann zieht. Der barocke Prospekt der Repser Orgel, in elegantem Blau und Gold gehalten, mit seinen kunstvollen Holzschnitzereien und aufwendig verzierten Pfeifen, fasziniert an diesem Abend nicht nur die Fachleute. Um die dreihundert Menschen haben sich am Freitag, dem 12. Oktober, im Chorraum der Schwarzen Kirche in Kronstadt versammelt, um im Rahmen von „Musica Coronensis“ an der Einweihung der Orgel aus Reps teilzunehmen.
Dieses Instrument hat eine ganz besondere Ausstrahlung. Liegt das auch daran, dass man lange Zeit so wenig darüber wusste? Von dem Orgelbauer Ferdinand Stemmer erfahren wir, dass im Zuge der Restaurierungsarbeiten in der Honigberger Orgelwerkstatt in einem der Bälge die Jahreszahl 1699 und eine Inschrift des „Orgelmachers“ Zackarias aus Deutsch-Kreuz entdeckt wurde. Damit ist die Repser Orgel das älteste in dieser Größe erhaltene Instrument in Siebenbürgen. Doch all ihre Geheimnisse hat die alte Dame noch nicht preisgegeben. Die unterschiedlichen Bauphasen des Instrumentes lassen sich nicht eindeutig festmachen, manche Bestandteile sind deutlich jünger, einige könnten noch älter sein. Ist Zackarias auch tatsächlich der Erbauer, oder war er nur ein Gehilfe, der sich in dem einen Blasebalg verewigt hat?
Während ich Ferdinand Stemmer zuhöre, lässt mich der Anblick der Orgel nicht los. Dieser strahlende Prospekt deckt sich gar nicht mit dem Bild meiner Erinnerungen. In Reps aufgewachsen, habe ich mich als Kind während der Gottesdienste über die verstaubte und stumme Orgel, die vorne in der Ecke stand, oft gewundert. Orgelklang kannte ich damals nur von der Draaser Orgel, welche Anfang der siebziger Jahre auf der Westempore der Repser Kirche aufgebaut wurde.
Danach fiel die ohnehin marode alte Orgel allmählich in den Dornröschenschlaf. Man nannte sie „die Schwalbennestorgel“, wegen ihrer (in Siebenbürgen einzigartigen) Aufstellung auf einer eigenen Holzempore in der nordöstlichen Ecke des Kirchenschiffes, nahe am Triumphbogen. Wollte man auf diese Empore gelangen, führte der Weg durch die Sakristei, wo man – nicht ohne akrobatisches Geschick – auf einige übereinandergestapelte Bänke klettern musste, um zu dem Eingangstürchen zu kommen. Die Holztreppe dahin war nicht mehr zu benutzen.
Als Gymnasiast in Hermannstadt begann ich, Orgelunterricht zu nehmen, und begleitete zuhause in Reps die Gottesdienste – meistens an einer elektronischen „Orgel“ im Gemeinderaum. Später, in der Zeit meines Orgelstudiums in Klausenburg, war ich vor allem unglücklich, dass ich daheim in Reps keine Übungsmöglichkeit hatte.
Die Kirche war wegen Sanierungsarbeiten bereits ausgeräumt, das Schicksal der alten Orgel ungewiss. Dass diese nun restauriert wurde, verdanken wir vor allem der Zuwendung der Kronstädter Kirchengemeinde, die den Reinertrag der Orgel- und Kirchenkonzerte der letzten Jahre dafür zur Verfügung gestellt hat.
Endlich ist es soweit, Steffen Schlandt demonstriert die klanglichen Möglichkeiten der frisch restaurierten Orgel. Ich, ein Repser, höre die Repser Orgel nun zum ersten Mal – und staune! Die Qualität der Einzelstimmen sowie auch der Registermischungen ist bemerkenswert, ein lebendiger Klang entfaltet sich, erstaunlich frei und vokal.
Dank einer sensiblen Mechanik kann sie aber auch gleichermaßen spritzig und frisch klingen. Beim abschließenden Choral „Nun danket alle Gott“ setzt sie dann im Plenum ein überraschendes Klangpotenzial frei. Ein Kompliment an die Restauratoren! Zum besonderen Klangerlebnis trägt neben der Akustik der Schwarzen Kirche auch die mitteltönige Stimmung bei. Die meisten Ohren müssen sich noch daran gewöhnen, an die vermeintlich „falschen“ Töne, die sich jedoch immer in einen reinen, konsonanten Wohlklang auflösen. Die Fachleute jedenfalls sind begeistert.
Endlich ein Instrument hierzulande, auf dem die Orgelmusik des 16. und 17. Jahrhunderts auch von der Stimmung her adäquat darzustellen ist. Nach jahrzehntelangem Schweigen, ist jetzt ein neues Kapitel in der langen Geschichte der Repser Orgel aufgetan. Wenn nun auch die Repser Kirche renoviert würde, könnte dieses einmalige Instrument an seinen ursprünglichen Ort zurückkehren.