Nomega – Weg vom Schubladendenken des Mainstreams

Die Undergroundband aus Temeswar lässt Musik für sich selbst sprechen

In Konzerten gehen sie auf Hochtouren: Besonders im Ausland auf internationalen Underground-Festivals genießt Nomega hohe Beliebtheit.

E-Gitarrist Darius Lăzurean wurde während einer Live-Jamsession als drittes Mitglied von Nomega rekrutiert.

Unkonventionelle Musik made in Temeswar: (v.l.n.r.) Darius Lăzurean (E-Gitarre), Răzvan Lazea-Postelnicu (Bassist), Sebas Băltean (Drums) und George Stoica (E-Gitarre).

Wieso eigentlich in Schablonen denken? Wozu sich überhaupt einen Stempel auflegen lassen und sich als eine psychedelische oder progressive Rockband darstellen lassen, wenn doch eigentlich mehr dahinter steckt. Wer zu welchem Genre gehört, darum kümmern sich die Kritiker und Musikjournalisten. Die suchen nach dem Durchschaubaren, nach der Schublade und dem obligatorischen Etikett dazu. Răzvan „Zan“ Lazea-Postelicu (Bass) und Sebastian „Sebas“ Băltean (Drums) sträubten sich dagegen, ihrer Musik einen Namen zu geben.

Stattdessen stellten sie sich in „atelier d.i.y.“ hin und spielten darauf los. Es wurde frei gejammt ohne Hemmungen und ohne Plan. Der Zufall wollte es so, dass auch Darius L²zurean seine E-Gitarre dabei und Bock auf Musikmachen hatte. Ad hoc wurde aus einem Duo ein Trio: die inoffizielle Geburtsstunde einer unkonventionellen Band namens Nomega.

Nur einige Monate später stieß auch der zweite Gitarrist zur Band. George Stoica fand am Konzept Gefallen und wurde das vierte Mitglied der Gruppe. Das war anno 2011. Im Spätherbst 2010 fand der Auftritt in „atelier d.i.y.“ statt.

Schnellvorlauf 2012: Das Viermanngespann veröffentlicht seine erste Demo. Vier Tracks schaffen es ins Netz. Zwei davon ziehen prompt das Interesse des Berliner Labels Nasoni Records auf sich. Dieses fackelt nicht lange herum und veröffentlicht im gleichen Jahr eine Split LP: Die Band teilt sich eine Schallplatte mit der spanischen Musikgruppe Prisma Circus.

Damit geht der Plan, der eigentlich kein Plan war, für die Band schnell auf. Schneller wurde nur die Demo aufgenommen. Nach sechsstündiger Jamsession erblickten „Nekkara“, „Samsara“, „Mountain Tusk“ und „Sengsara“ das Licht der Musikwelt. Auf nomega.bandcamp.com können sie als Digital Album gekauft und heruntergeladen werden.

Der erste Track „Nekkara“ schafft bereits einen verdammt guten Einstieg: Da wird als Einleitung Angelo Badalamentis „Twin Peaks Theme“ gecovert. Nach den ersten Kopfkratzern wird es sofort familiär. Dann wird es befremdlich: Die beschaulichen und orphischen Klänge des Twin Peaks-Songs, der längst Einzug in die Popkultur gefunden hat, wird von der eigenen Musik langsam in den Hintergrund gedrängt. Die Stimmung kippt: Es wird lauter, schneller, intensiver.

Musikalische Freiheit

Wieso gerade Angelo Badalamentis „Twin Peaks Theme“? Die Antwort ist für Bassist Zan eine persönliche: „Es war das erste Lied, das ich irgendwie wahrgenommen habe. Ich assoziiere es mit dem Anfang meiner persönlichen Auseinandersetzung mit der Musik.“ Der 22-Minüter soll auch gerade dafür stehen. Das Wort „Nekkara“ wurde aus dem Japanischen aufgegriffen und würde für „Beginn“ stehen. Was Zan allerdings an dem Namen gereizt hat, war dessen Mehrdeutigkeit. Denn „Nekkara“ stünde auch für das „Wesen der Dinge“. Das passende Einstiegslied für eine Band, deren Message es ist, keine Message zu haben.

Auch mit „Samsara“ und „Sengsara“ setzt die Band auf mehr Tiefgang und Spiritualität. Musik als sich verirrende Sprache und eine Musikgruppe, die sich niemals richtig ausdrückt und somit Freiheit schöpft.
Darum sind sie auf Konzerten stets eine Überraschung. Das allgemeine Feedback danach fasst George Stoica mit exaktem Wortlaut zusammen: „Wow, das war wirklich was anderes.“

In Temeswar gibt es nur noch zwei Bands, die sich musikalisch so frei bewegen wollen und es auch tun: „The  :Egocentrics“ und „Methadone Skies“. Erstere haben die Bandmitglieder von Nomega vor Jahren Live in Arad gehört. Man könnte „The :egocentrics“ als die inoffiziellen Ideenstifter bezeichnen. Die mit dem Zünder.

Nur möchte die Musik dieser drei Bands in Rumänien nicht so richtig zünden. „Das Publikum zeigt sich bei uns nicht besonders offen gegenüber dem Neuen“, meint Sebas.  Das hindert sie allerdings nicht daran, weiter zu experimentieren. Seit Herbst 2012 ist Nomega um ein Mitglied reicher geworden. Alex „Mugli“ Giurgică bringt Synthesizer als fünftes Instrument dazu. Er sieht sich eher als Producer. Als jemand der gerne die Musik der anderen mischt, der sich auf Konzerten um die Intermezzi kümmert. In Nomegas Fall sind diese weniger musikalisch sondern eher effektgeladen.

Da werden Zitate aus Film, Musik oder Games aus den Lautsprechern gefeuert, diese werden von atmosphärischen Geräuschen begleitet. Damit möchte Nomega seine Zuschauer auf die Musik einstimmen. Nicht anders als bei „Nekkara“ wo der Verstand auch sofort eine bestimmte Haltung einnimmt.

Fahrradläden und Genrebruch

Alle fünf Musiker stammen aus Arad, studieren in Temeswar und haben schon in anderen Bands mitgespielt. Sebas und Mugli kannten sich schon von der gemeinsamen Zeit in der Gruppe Trademark, George Stoica spielt momentan noch für die Band „Mere“, Zan und Darius spielten gemeinsam in „Oile Negre“ mit. Zudem war Zan auch Mitglied der Gruppe „The Bad Days Will End“. Über „Oile Negre“ können Zan und Darius nur so viel sagen: „Es war ‘ne Schülerband. Wir machten Musik, aber was wir genau machten, wussten wir nicht wirklich.“

Auf den Bandnamen „Nomega“ stieß Zan in Serbien. In Novisad kam er an einem Fahrradladen vorbei, der „Nomega“ hieß. Weil der Bassist ein großer Fan der Stoner-Rock-Band „Om“ ist, blieb der Name hängen. Daraus leitete sich auch schnell das aktuelle Logo der Musikgruppe ab. Darum kümmerte sich ebenfalls Răzvan.

In Serbien hatten sie bisher die erfolgreichsten Auftritte. Im Winter 2012 trat Nomega in Belgrad auf dem „Sabbath Mass Vol. 1“-Festival auf. Auch den Rtanj bestieg Nomega bereits mit Erfolg. Um die serbische Gebirgskette wird das Stoneriser Fest veranstaltet.

Aber auch in Rumänien hatte die Band schon zahlreiche Auftritte. Zusammen mit der Gruppe „Dor de duh“ wurde durch das Land getourt. Die Minitournee bestand aus drei Stationen: Club Daos in Temeswar, Irish Pub in Klausenburg und „Fabrica“ sowie „Underworld“ in Bukarest.

Ein Publikum für ihre Musik würde sich in Rumänien schon finden. Davon leben könnte man aber nicht. Es ist auch besonders schwer für ihre eigensinnige Musik, die eigentlich viele Geschmäcker verwöhnen kann, niemanden aber so richtig. Auch auf ihrer Launchseite werden als „Tags“ eine Vielzahl an Rockgenres aufgelistet.

Ob Metal, Noise, Psychedelic, Sludge, Stoner oder Post-Rock – ein bisschen von allem ist dabei. Genau wie Methadone Skies oder eben „The :egocentrics“ scheinen sie dem Rock als Ganzes Tribut zollen zu wollen. Dabei gilt stets das Gleiche: Hauptsache es ist unkonventionell.

Dadaismus in der Rockmusik. Avantgardistische Klänge, wo die Musik im Vordergrund steht. Darum gibt es keine Stimme, keine Lyrics, keinen Plan. Keine „Message“ kann auch eine „Message“ sein. Das hat Nomega schon 2010 gewusst und weiß es mehr als zwei Jahre später noch immer.