Rumänien, ein Vielvölker- oder Nationalstaat?

Deutsche Studie stellt die ethnischen Minderheiten Rumäniens in den Fokus

Banatschwäbisches Museum im AMG-Haus in Temeswar

Holocaust-Mahnmal von Peter Jacobi in Bukarest Fotos: George Dumitriu

Holocaust-Mahnmal von Peter Jacobi in Bukarest

Der Choraltempel in der Hauptstadt

Im Superwahljahr 2024 stehen die Parlaments-, Präsidentschafts- und Kommunalwahlen in Rumänien an und in ganz Europa die für das Parlament der Europäischen Union. Rumänien ist aus geostrategischen Gründen seit Beginn des Russland-Ukraine Krieges vermehrt in das deutsche Blickfeld gerückt. Multiethnizität kann als kultureller Reichtum gesehen werden, wie die Kulturhauptstadt Temeswar mit ihrem deutschen Bürgermeister, Dominic Fritz, 2023 eindrucksvoll belegte. Ethnische Minderheiten können jedoch ebenso als Kriegsgrund missbraucht werden, oder für Spannungen und Ängste zwischen Mehrheits- und Minderheitsbevölkerung verantwortlich sein.

Die Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz, vertreten durch Rainer Ullrich, hat nun Veranstaltungen, die bereits im Jahr 2021 in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsbereich Osteuropäische Geschichte im Historischen Seminar der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz und der Zweigstelle Mainz der Südosteuropa-Gesellschaft abgehalten wurden, in dem Sammelband „Ethnische Minderheiten in Rumänien im 20. und 21. Jahrhundert“ zusammengefasst.


Neben einem einleitenden werden in den folgenden vier Kapiteln, versehen mit umfangreichen Literaturlisten und Bildmaterial, die Minderheiten der Juden, Ungarn, Deutschen und der Roma von namhaften Autoren behandelt. Und da fangen die Definitionsschwierigkeiten schon an. Sind Juden eine ethnische Minderheit oder eine Glaubensgemeinschaft? In Deutschland möchten sie aus verständlichen historischen Gründen nur als Glaubensgemeinschaft geführt werden. Wie definieren sich nationale oder ethnische Minderheiten? Prof. Dr. Hans-Christian Maner (vom Historischen Seminar - Mainz) gibt Antworten auf diese Fragen und stellt etliche alteingesessene ethnische Minderheiten samt ihrer wirtschaftlichen oder politischen Bedeutung kurz vor. Dabei konzentriert er sich auf Armenier, Italiener, Bulgaren, Griechen, lipowanische Russen, Kroaten, Albaner, Tataren, Ukrainer, slawische Makedonier, Serben, Ruthenen, Türken, Slowaken, Tschechen und Polen. Darüberhinaus erklärt er auch die Hintergründe für die jüngsten Zuwanderungsgruppen der Chinesen und Makedonier. 

Ergebnisse der Volksbefragung angezweifelt

Ebenso beschäftigt Maner sich mit den demographischen Umwälzungen, wie sie sich in den Statistiken von 1930, 2011 und 2021 niederschlagen, die er einer kritischen Betrachtung unterzieht. Danach erreichen die Ungarn heute um die sechs Prozent, die Roma ungefähr drei, die übrigen überspringen nie die Ein-Prozent-Hürde. Dem gegenüber bezeichnen sich 88,9 Prozent als Rumänen. Zwar schnellte der Anteil der Minderheiten durch die Angliederung nach dem 1. Weltkrieg u.a. Siebenbürgens und des Banats an das rumänische Altreich auf über 30 Prozent hoch, aber in den jüngsten Volkszählungen ist nach Holocaust, kommunistischem Regime und den folgenden Auswanderungswellen kaum etwas übriggeblieben. Die Unterteilung der Ethnien in einzelne Untergruppen sowie der Wahrheitsgehalt der Befragungen werden von ihm sowie den Autoren für die Deutsche und Roma-Minderheit stark angezweifelt. Maner zeigt durch Bezüge auf jüngste Ereignisse, dass die Rechte der Minderheiten im Rahmen der Verfassung zwar garantiert sind, aber Angriffe durch ultrarechte Gruppierungen und Äußerungen einzelner Politiker vermehrt auftreten.

Juden: Rechte in verschiedenen Landesteilen

Als eine der am meisten verfolgten Minderheiten in Rumänien können sicher die Juden genannt werden, denen Dr. Mariana Hausleitner (Gastprofessorin – u.a. Berlin) unter der Überschrift: „Von der Inklusion zur Exklusion. Juden in Rumänien im 20. Jahrhundert“ eine ausführliche Betrachtung zukommen lässt. Dabei legt sie Wert darauf, die Unterschiede herauszuarbeiten. Sephardische Juden aus dem osmanischen oder die Aschkenasim aus dem russischen Großreich besaßen ihre eigene Sprache und Kultur. Die rechtliche Stellung wich in den verschiedenen Landesteilen vor der Vereinigung zum Großrumänischen Reich von-einander ab. Meist waren es ausländische Kräfte, die den rumänischen Staat zu Zugeständnissen bei den Minderheitenrechten und zur Einbürgerung der Juden bewegten – sei es bei der Gründung des rumänischen Staates, der Vereinigung nach dem Ersten Weltkrieg oder auch jüngst im Zuge der Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union.  

Die größten Anfeindungen erfuhren Juden in der Moldau, wo sie als bedrohliche Konkurrenz angesehen wurden. Die Universität Jassy/Ia{i unter Prof.  Alexandru C. Cuza wurde ein Zentrum antisemitischer Bewegungen, die letztendlich unter dem Beispiel der Faschisten Deutschlands auch zur Gründung der „Legion des Erzengels Michael“ führten, die später in die „Eiserne Garde“ umbenannt wurde. In der Bukowina, in Siebenbürgen oder dem Banat besaßen Juden wesentlich mehr Rechte unter der Herrschaft der Habsburger. Jüdische Abgeordnete konnten und wurden auch von anderen Minderheiten gewählt. 

Pogrome, Holocaust, Exodus

Im Zuge der Weltwirtschaftskrise in den 20er Jahren und dem Einfluss faschistischer Ideen erstarkten die antisemitischen Kräfte in allen Landesteilen. Dem folgte die schrittweise Entrechtung der Juden ab Mitte der 30er Jahre. Den Weg bis zum später geleugneten Holocaust unter dem General Ion Antonescu, die strategischen Niederlagen und ersten Pogrome 1940 bis zur Deportation und Vernichtung in Transnistrien werden ausführlich in Ursache und Wirkung geschildert. Auch die Hintergründe für den taktischen Umschwung, der letztlich den Exodus einiger Juden nach Israel ermöglichte, werden erläutert. 

Dieser Exodus setzte sich auch in der kommunistischen Epoche fort. Die Enttäuschung Stalins über den Seitenwechsel Israels zu den Amerikanern verschlechterte die Situation der Juden in Rumänien nach anfänglicher Rehabilitierung nach Ende des Zweiten Weltkrieges erneut. Die Aufarbeitung der Kriegsverbrechen wurde dadurch zur Seite geschoben. Aus dem Exodus entwickelte sich ein Geschäftsmodell, ebenso wie für Angehörige der deutschen Minderheit wurden Kopfgelder für Ausreisewillige von den jeweiligen Staaten gezahlt.

Eine nennenswerte Aufarbeitung des rumänischen Holocaust wurde erst ab 2004 im Zuge der Beitrittsverhandlungen zur EU und zur NATO durch die Internationale Historiker-Konferenz in die Wege geleitet. Zuvor hatte es erhebliche Anstrengungen zur Rehabilitierung Antonescus und Relativierung des Holocaust seitens populärer rumänischer Politiker gegeben. Die Zeugnisse jüdischen Lebens sind mittlerweile Gegenstand von Erinnerungskultur und erfreuen sich zunehmender Aufmerksamkeit. Gleichwohl verweist auch Hausleitner auf das Erstarken ultranationaler Kräfte, wie der 2020 gegründeten „Allianz für die Vereinigung der Rumänen“ (AUR).

Ungarn: Traumatische Territorialverluste

Unter gänzlich anderen Vorzeichen steht das Verhältnis der Ungarn zum rumänischen Staat. „Von der Ablehnung zur Regierungsbildung“ überschreibt Dr. habil. Ralf Thomas Göllner (Ungarisches Institut - Regensburg) seinen Beitrag zur „ungarische Minderheit in Rumänien im 20. und 21. Jahrhundert“.  Die große Tragödie des Trianon-Vertrages 1920 nach den Niederlagen im Ersten Weltkrieg, durch den Ungarn große territoriale Verluste, u.a. Siebenbürgen und das Banat, hinnehmen musste, schildert Göllner mit allen Konsequenzen. Ein Schock, der zu erheblichen Fluchtbewegungen führte, nicht zuletzt, weil die bis dato herrschende Magyarisierungspolitik nun durch den neuen Großrumänischen Staat - entgegen der Zusicherung von Minderheitenrechten gegenüber den Alliierten Siegermächten - von einer zunehmenden Rumänisierungpolitik abgelöst wurde.

Verschärft wurde die Konfrontation zum Staat durch die 1921 erfolgte Bodenreform, die wiederum zu Lasten nicht nur der ungarischen Minderheit und ihrer kirchlichen und kulturellen Institutionen ausschlug. Der Wiener Schiedsspruch der faschistischen Regierungen von Deutschland und Italien von 1940, von dem Ungarn und Rumänien sich eine Lösung ihrer territorialen Konflikte erhofft hatten, ging durch neuerliche Gebietsabtretung vor allem von Nordsiebenbürgen und dem Szeklerland formell zugunsten Ungarns aus. Allerdings führte dies praktisch nur zu weiteren Vertreibungen und Ausschreitungen, da die verbliebenen Minderheiten in ihren Rechten weiter eingeschränkt wurden. Im benachteiligten Rumänien löste dies schließlich eine Staatskrise aus, in deren Folge General Antonescu an die Macht gelangte.

Konfliktherd Szeklerland

Das Ende des Krieges mit all seinen faschistischen Gräueltaten, neuerliche Grenzverschiebungen und schließlich der Unterordnung unter das sowjet-kommunistische Regime brachte zunächst im kulturellen Bereich Verbesserungen für die ungarische Minderheit. Demgegenüber standen die neuerliche Agrarreform und die allgemeinen Enteignungs- und Kollektivierungsmaßnahmen seit 1948. Unter diesen Vorzeichen gewährte das Regime bis zum Ungarn-Aufstand 1956, eine „Ungarische Autonome Region“, die vor allem aus den Szekler-Komitaten bestand. Danach gab es einen erneuten Rückschlag, abermals wurden Gebietsrevisionen vorgenommen, zuvor gewährte Rechte beschnitten. Dies lockerte sich erst unter Nicolae Ceau{escu 1965. Allerdings strebte auch er mit zunehmender Machtkonsolidierung nach Homogenisierung, d.h. Rumänisierung aller Lebensbereiche, die die wirtschaftliche und kulturelle Grundlage der ungarischen Minderheit aushöhlte. 

Die Hoffnung in der postkommunistischen Ära, an deren Zustandekommen ja Ungarn in Temeswar beteiligt war, erfüllte sich laut Göllner nicht. Der direkteste Ausdruck war der Art. 1 der Verfassung „Rumänien ist ein souveräner und unabhängiger, einheitlicher und unteilbarer Nationalstaat“. Alte Ressentiments aus der vorkommunistischen Ära verhinderten jegliche Kooperation mit dem neugegründeten „Demokratischen Verband der Ungarn“ Rumäniens. Eine signifikante Änderung erfolgte auch in diesem Fall im Vorfeld der Verhandlungen zum EU-Beitritt, die samt einer Verfassungsänderung schließlich die Minderheitenrechte festschrieben. Seit 2004 hat sich der Ungarnverband mit fast konstant sieben Prozent im Parlament zu einer machtpolitisch relevanten Kraft etabliert, an dem die anderen Parteien nicht vorbeikommen. Kulturell wirkte sich das auf die schulische und universitäre Ausbildung in ungarischer Sprache positiv aus. 

Der größte Konfliktherd entzündet sich jedoch nach wie vor an der Autonomie des Szeklergebietes, bei dem sich Assimilierungsängste der Szekler den Separationsbefürchtungen der Rumänen gegenüberstehen. Wie virulent dies besonders in Wahlkampfzeiten werden kann, belegt Göllner mit dem Fahnenkonflikt von 2017 und der Rede des Präsidenten Johannis von 2020. Bedrohlicher erscheint jedoch der konstatierte Bevölkerungsschwund, der sich aus einer allgemeinen, aber hier verstärkt zu Buche schlagenden wirtschaftlichen Vernachlässigung ergibt. Als Lösungsansatz präsentiert Göllner den Vergleich mit der autonomen Region Südtirol, die dadurch einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebte. Insgesamt betont Göllner in seinem Fazit die positive Auswirkung des Demokratisierungsprozesses und der damit verbundenen Kooperationswilligkeit, die das gesellschaftliche Zusammenleben ermögliche.

Deutsche: Hoffnungen und Enttäuschungen

Hon.-Prof. Dr. Konrad Gündisch (u.a. IKGS – München u.  Siebenbürgisches Kulturzentrum - Schloss Horneck) beginnt sein Kapitel zur deutschen Minderheit in Rumänien im 20. und 21. Jahrhundert mit der Frage: „Eine Bevölkerungsgruppe auf Abruf?“ Damit legt er gleich den Finger in die Wunde.  Denn, wenn auch nicht im gleichen Maße wie die einst so zahlreiche jüdische Bevölkerung, leidet die Gemeinschaft der Deutschen in Rumänien an einem existenzbedrohenden Exodus: 2021 lebten in Rumänien 22.905 Deutsche, auch wenn im Folgenden diese Statistiken sicherlich zu Recht angezweifelt werden, ändert das nichts an dem offensichtlichen Schwund gegenüber den hunderttausenden, die trotz aller Repressalien noch in kommunistischen Zeiten in Rumänien ansässig waren. Dennoch, prominente Vertreter, wie der Siebenbürger Sachse Klaus Johannis, der zweimal ins höchste Amt des Staates gewählt wurde, zeigen, Quantität ist nicht alles.

Bevor Gündisch auf das Schicksal der Deutschen in Rumänien eingeht, behandelt er zunächst die Begrifflichkeit, wobei er darauf verweist, welchen Beigeschmack manch gedankenlos falsche Bezeichnung wie „deutschstämmig“ hervorruft. In seinem geschichtlichen Überblick betont er die kulturellen und organisatorischen Unterschiede zwischen den verschiedenen Gruppen der Deutschen Minderheit.  Seit dem Mittelalter wanderten - um nur die geläufigsten zu nennen: Siebenbürger Sachsen, Banater und Sathmarer Schwaben, Banater Berglanddeutsche, Zipser, Bukowina-, Bessarabien- und Dobrudschadeutsche in das Gebiet des heutigen Rumänien ein. Hinzu kommen Deutsche, die sich im Schatten der Hohenzollern-Könige vor allem in den großen Städten niedergelassen haben. Welche Ursachen gab es in der über 800 Jahren andauernden Einwanderungsgeschichte? Einige, wie die Sachsen wurden als Siedler und Wehrbauern gerufen, andere, wie die Landler wurden zwangsumgesiedelt oder es kamen Spezialisten, wie die Berglanddeutschen.  Eben-so wechselte die Herrschaft von Ungarn zu Osmanen, Zaren oder Habsburgern – vom mittelalterlich ungarischen Feudal- zum rumänischen Nationalstaat. Wie Hoffnungen und Enttäuschungen den Wechsel vom k.u.k. Habsburg zum Rumänien unter den Hohenzollern begleiteten, erklärt Gündisch im Folgenden.

Bereits im Kapitel über die ungarische Minderheit wurde erwähnt, dass die garantierten Minderheitenrechte der Karlsburger Beschlüsse nicht umgesetzt wurden. Die Agrarreform von 1921 und die neue Verfassung von 1923 sorgten weiter für Ernüchterung und zu einer Abkehr der Deutschen von ihren politischen Vertretern. „Selbsthilfe-Vereine“ taten ein Übriges, um diese Entfremdung zugunsten des Deutschen Faschismus voranzutreiben. Besonders das vom rumänischen Staat erlassene Gesetz, indem alle Deutschen zu Mitgliedern der faschistisch ausgerichteten „Deutschen Volksgruppe“ erklärt wurden, hatte in der Nachkriegszeit und bis heute verheerende Folgen. Die Zwangsrekrutierung ab 1943 in die Waffen-SS, die Deportationen zur Zwangsarbeit in den Donbass als kollektive Bestrafung durch die kommunistische Herrschaft und der stete Vorwurf, alle Deutschen in Rumänien seien Mitglieder der NSDAP gewesen, beruhen auf diesen Entscheidungen.

Vorsichtiger Optimismus

Trotz der Verfolgung blieben die Deutschen auch im nun kommunistischen Rumänien als nationale Minderheit erhalten. In der nachstalinistischen Ära und dem Beginn der Herrschaft Ceau{escus gab es Phasen der Erholung, die auch den Deutschen Minderheiten Rechte zubilligten. Gündisch gibt einen kurzen prägnanten Überblick über die Repressalien, die zu dem bekannten „Freikauf“ der Deutschen durch die Bundesrepublik Deutschland führten. Dem Massenexodus nach dem Ende der Herrschaft Ceausescus 1989, setzt er als Hoffnungsschimmer die Neugründung des „Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien“, die kulturellen Glanzlichter der europäischen Kulturhauptstädte Hermannstadt und Temeswar, oder die wiederholte Wahl von Klaus Johannis zum Präsidenten entgegen. Wie erwähnt, beschäftigt sich Gündisch ausführlich mit dem Aussagegehalt der letzten Volkszählungen, die tendenziell darauf abzielen, die ethnischen Minderheiten zugunsten eines homogenen rumänischen Staates kleinzurechnen. In seinem Fazit äußert er einen vorsichtigen Optimismus, der sich nicht zuletzt in den zahlreichen kulturellen Aktivitäten niederschlägt. 

Roma: Bekenntis zur eigenen Kultur problembelastet

Das Schlusskapitel ist der in Rumänien wohl kontroversesten Minderheit der Roma gewidmet, deren „Verfolgung und Selbstbehauptung“ Marian Luca (Berlin, Landesstelle für Gleichbehandlung) eindrucksvoll nachspürt.

Die Geschichte der Versklavung der Roma in den Fürstentümern des Altreichs, der Rechtlosigkeit danach, dem Holocaust in Transnistrien unter General Antonescu bis zur Eingliederung in das kommunistische System schildert Luca summarisch. Der Beginn der postkommunistischen Zeit brachte besonders für die Roma in Folge der wirtschaftlichen Krise eine Verschärfung alter Ressentiments. Erst ab 2005 wurden auch die Roma gesetzlich anerkannt, ohne dass eine wesentliche Verbesserung eintrat. 

Auch Luca widmet sich intensiv der Namensgebung. Während „]igan“ (= Sklave/ Zigeuner) als diskriminierend abgelehnt wird, gilt die Selbstbezeichnung „Roma“, der rumänischen Bevölkerung wegen der Verwechslungsgefahr und dem damit verbundenen Negativ-Image als herabwürdigend. Desgleichen erscheint der Begriff „Antiziganismus“ in diesem Zusammenhang als widersprüchlich. Diese Debatte wirkt sich auf die Volkszählungen aus, da das Bekenntnis zur eigenen Kultur vielen als problembelastet erscheint. 

Förderung schleppend, Misstrauen groß

Die „Transformationsphase“ und der „Weg zur „Europäisierung“ wird mit der 2004 eingerichteten „Nationalen Agentur für Roma“ eingeleitet, wegen der Wirtschaftskrisen jedoch nur schleppend umgesetzt. Zwangsräumungen und Vertreibung in die Peripherie der Ortschaften, fehlende Ausweise und somit fehlender Rechtsstatus sind bis heute weit verbreitet. Der somit ausgelöste Migrationsdruck auf die westlichen Staaten der EU wurde in eine Forderung nach einer Verbesserung der Lage in den Herkunftsländern umgewandelt. Bildungsoffensiven, Förderung kultureller und wirtschaftlicher Projekte, gesundheitliche Fürsorge zielten trotzdem oft über die Köpfe der Betroffenen hinweg und scheiterten u.a. an der allgemeinen Akzeptanz durch die Zivilbevölkerung. Vertragsverletzungsverfahren gegen den rumänischen Staat und seit 2021 die Implementierung von Strategien zur Bekämpfung von Rassismus, Antiziganismus sowie Maßnahmen zur Eingliederung der Roma in die Gesellschaft werden von Ministerien mithilfe der Agentur für die Roma verfolgt. Die Ergebnisse lassen wegen fehlender Mittel zu wünschen übrig. Eine Wiedergutmachung für erlittenes Unrecht z.B. während des Holocaust, erfolgte bisher allenfalls symbolisch.

Kulturelle Selbstbehauptung steigt

Wie sich die Sichtbarkeit der Roma dennoch in letzten Jahren merklich erhöht hat und damit einer „kulturellen Selbstbehauptung“ einhergeht, veranschaulicht Luca an zahlreichen Beispielen. Der Film „Aferim“ von Radu Jude, die Film- und Theaterschauspielerinnen Mihaela Dr˛gan, Zita Moldovan oder Alina [erban, um nur einige prominente Beispiele zu nennen, erhielten internationale Auszeichnungen. In seinem Fazit streicht Luca die Bedeutung dieser Sichtbarkeit heraus, da umgekehrt die integrierten, aber unsichtbaren Roma der Mittelschicht den Fokus auf die sozial schwachen Teile des Roma Volkes verengen. Ein wirkungsvoller Rechtsschutz zur Einhaltung der Menschenrechte der Minderheiten auf nationaler und europäischer Ebene erscheint Luca als unabdingbar für einen modernen demokratischen Staat.


„Ethnische Minderheiten in Rumänien im 20. und 21. Jahrhundert“, Herausgeber: Hans-Christian Maner und Rainer Ullrich, Mainz 2024. Bestellbar über die Landeszentrale für politische Bildung