Vom 29. bis 31. Mai fand in Bukarest eine interdisziplinäre wissenschaftliche Tagung statt, die vom Humboldt-Club Rumänien organisiert und von der Alexander von Humboldt-Stiftung, einer der wichtigsten Forschungsförderorganisationen der Bundesrepublik Deutschland, finanziell unterstützt wurde. Die Tagung, die in erster Linie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Rumänien, aber auch aus Deutschland und Polen unter dem Rahmenthema „On Form and Pattern“ (Über Form und Struktur) in Bukarest versammelte, war als solche bereits Ausdruck der Förderphilosophie der Alexander von Humboldt-Stiftung: lebenslange Einbindung der von der Stiftung geförderten Forscherpersönlichkeiten in ein von Deutschland aus geknüpftes und weltweit operierendes Exzellenznetzwerk. Der Humboldt-Club Rumänien, die rumänische Alumni-Vereinigung der Humboldt-Siftung, fungierte als Veranstalter des fächerübergreifenden Symposions und stellte dabei eindrücklich die Lebendigkeit und Qualität der Wissenschaftsbeziehungen zwischen Rumänien und Deutschland unter Beweis.
Feierlich eröffnet wurde die interdisziplinäre Konferenz am Himmelfahrtstag in der Aula Magna der Rumänischen Akademie mit einer Grußadresse des Deutschen Botschafters in Bukarest, Sr. Exzellenz Werner Hans Lauk, der die Bedeutung der internationalen Kooperation in Wissenschaft und Forschung zum wechselseitigen Wohle der daran beteiligten Staaten und Forscherpersönlichkeiten hervorhob. Danach legte der Präsident des Humboldt-Clubs Rumänien, Cătălin Vasilescu, die Ziele des dreitägigen Symposions dar, indem er die integrativen Qualitäten der Leitbegriffe „Form“ und „Pattern“ pries und dabei unterstrich, dass Wissenschaftler verschiedenster Provenienz im fächerübergreifenden Diskurs oft unerwartet Denkanstöße und Forschungsimpulse erhielten, die sie dann in ihren eigenen Forschungsanliegen weiterbringen könnten.
Der Generalsekretär der Alexander von Humboldt-Stiftung, Enno Aufderheide, gab im Anschluss daran einen Überblick über die individuellen Förderungsmöglichkeiten und Stipendienprogramme der Stiftung für rumänische Wissenschaftler, nicht ohne dabei des Namensgebers der Stiftung, des großen Alexander von Humboldt, zu gedenken, der vor über 200 Jahren ausgedehnte Forschungsreisen nach Nord- und Südamerika unternahm und dem das vielsagende Zitat zugeschrieben wird: „Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung derer, die die Welt nie angeschaut haben.“
Die ersten zwei wissenschaftlichen Plenarvorträge der Tagung widmeten sich dann den beiden Zentralbegriffen des Tagungsthemas. Der Rektor der Universität Bukarest, Mircea Dumitru, seines Zeichens Philosoph, sprach über Probleme von Form und Struktur in der wissenschaftlichen Disziplin der Logik, während die Bukarester Biologin Maria-Luisa Flonta über Neurobiologie und Formwahrnehmung referierte und dabei interessante Diskussionen über physiologische und kulturelle Bedingtheiten menschlicher Wahrnehmung in Gang brachte. Es folgten weitere Plenarvorträge aus den Bereichen der medizinischen Krebsforschung, der physikalischen Stringtheorie, der mathematischen Katastrophentheorie und der Architekturgeschichte sowie ein viel beachteter Vortrag des Bukarester Chemikers und Akademiemitglieds Marius Andruh zum Thema „The Beauty of the Form of the Molecules and Beyond“ (Die Schönheit der Form der Moleküle und darüber hinaus).
Den letzten Block der Plenarvorträge dieser Tagung eröffnete der niederländische, an der Berliner Humboldt-Universität wirkende, Inhaber einer Humboldt-Professur Philip van der Eijk, der anhand von Beispielen aus der Antike (Platon, Aristoteles, Demosthenes, Galenos) Betrachtungen über das Problem wissenschaftlicher Redeweise anstellte. Vorträge von Bukarester Forschern über Kristallmuster von Elementen, wie z. B. Silicium, und ihre Auswirkung auf deren elektrische Leitfähigkeit (Ioana Pintilie), über Archäologie und Formenkunde (Mircea Babeş) sowie über sprachliche Grundmuster (Alexandra Cornilescu) beendeten den wissenschaftlichen Teil des ersten Konferenztages, dessen geselliger Teil sich unmittelbar daran anschloss.
Am zweiten Tag des interdisziplinären Symposions wurde die gemeinsame wissenschaftliche Arbeit in zwei Sektionen fortgesetzt. Die erste Sektion wurde, wie die tags zuvor gehaltenen Plenarvorträge, in englischer Sprache abgehalten, während in der zweiten Sektion, bestehend aus rumänischen Germanisten, ausschließlich in deutscher Sprache vorgetragen und diskutiert wurde. Dabei wurden Formbegriffe im Werk diverser Schriftsteller näher untersucht: Ioana Crăciun-Fischer (Bukarest) sprach über Heinrich von Morungen, Ana-Maria Pălimariu (Jassy/Iaşi) über Gregor von Rezzori und Mihaela Zaharia (Bukarest) über Goethe als Naturwissenschaftler. Weitere Vorträge dieser Sektion beschäftigten sich mit Stumpf- und Scharfsinn in der modernen Architektur (Horaţiu Decuble, Bukarest), mit dem Problem der deutsch-jüdischen Symbiose und ihrer unterschiedlichen Bewertung durch Martin Buber und Gershom Scholem (Maria Irod, Bukarest) sowie mit Übersetzungs- und Interpretationspatterns der Celanschen Lyrik im rumänischsprachigen Kulturfeld (Bianca Bican, Klausenburg/Cluj), wobei insbesondere über die Bewertung von Celans rumänischem Werk seitens rumänischer Literaturwissenschaftler ausführlich diskutiert wurde.
Am letzten Tag des dreitägigen wissenschaftlichen Symposions standen Vorträge auf dem Programm, die den Reigen der bisher zu Gehör gekommenen Forschungsdisziplinen um weitere fachwissenschaftliche Aspekte ergänzten: Zu erwähnen wären in diesem Zusammenhang Vorträge von Bukarester Forschern über psychologische (Oltea Joja), archäologische (Nona Palincaş), sprachwissenschaftliche (Ruxandra Cosma, Larisa Avram, Andrei Avram) sowie medizinische Themen (Mircea Mănuc, Traian Dumitraşcu, Vlad Herlea), wobei letztere durch einen Vortrag des Klausenburger Mediziners Dan Dumitraşcu über Stressreaktionsmuster bei funktionalen Magen-Darm-Störungen ergänzt wurden.
Den letzten Konferenzvortrag hielt dann der Präsident des Humboldt-Clubs Rumänien, Cătălin Vasilescu, selbst, dem nicht nur mit dem klug gewählten Rahmenthema dieses Kongresses ein großer Wurf gelungen war, sondern der auch durch seine Kongressplanung für eine beeindruckende Quantität und eine überzeugende Qualität der Referentinnen und Referenten gesorgt hatte. Die rumänische Humboldt-Familie kann stolz sein auf dieses gelungene Symposion, das nebenbei gezeigt hat, dass sie den internationalen wissenschaftlichen Vergleich in keiner Weise und auf keinem Fachgebiet zu scheuen braucht!