In Mediasch und Schäßburg/Sighişoara hatte der vor nicht allzu langer Zeit gegründete Kulturverein „Ponte“ Lieder- und Gedichtvorträge geboten. Am Samstagabend stellte er sich grandios in Hermannstadt/Sibiu vor: Vermutlich erstmals in Siebenbürgen wurde das 1401 (!) entstandene Epos „Der Ackermann und der Tod“ in szenischer Lesung von zwei Spitzenschauspielern der deutschen Abteilung des Radu-Stanca-Theaters vorgetragen: Der Österreicher Wolfgang Kandler interpretierte den Ackermann und der Luxemburger Daniel Plier den Tod. Ihr Bühnendeutsch schon war ein Genuss. Am Ende der rund einstündigen Darbietung ertönte die „Stimme Gottes“, wiedergegeben von Helmut Nowak, dem Gründer des Kulturvereins und Initiator des Abends. Nach dem Abklingen des Beifalls versprach er: Wir kommen wieder, mit etwas, was man nicht jeden Tag hören und nachlesen kann.
Auf die Fahne geschrieben hat sich „Ponte“, jeden Monat eine Veranstaltung zu organisieren, die an Qualität und Außergewöhnlichkeit bezogen auf Musik, Literatur und Schauspiel von sich reden macht, so Helmut Nowak. Der aus Österreich stammende Landschaftstechniker, der lange Zeit in Deutschland gelebt hat, wohnt seit 2003 in Mediasch. Seine Frau und der Sohn kamen 1997 voraus. Ein Volksschuldirektor in Deutschland hatte ihm geraten, wenn er seinem Kind etwas Gutes antun will, soll er ihn eine deutsche Auslandsschule besuchen lassen. Da Nowaks Gattin aus Mediasch stammt, fiel die Entscheidung leicht. „Obwohl es auch hier im Bildungswesen nicht mehr ist wie noch vor 30 Jahren, ging die Rechnung auf“, sagt Nowak.
Den ersten Auftrag hatte er aus dem Teutsch-Haus erhalten, wo er die Außenanlagen gestaltet hat. Zum Teutsch-Haus-Ensemble gehört die Johanniskirche, die einen wunderbaren Rahmen bot für die Aufführung. Das heftige Gewitter am Samstagabend war eine unvorhergesehene aber passende Geräuschkulisse. Das uralte Stück hatte Helmut Nowak ausgewählt, weil seine Vorfahren Sudetendeutsche sind und es gewissermaßen deren kulturelles Aushängeschild ist, vor allem aber, weil es sich um das älteste neuhochdeutsche Prosawerk handelt, dass trotz seines erlauchten Alters aber so aktuell ist wie seit eh und je.
Johannes von Saaz, nach seinem möglichen Geburtsort auch als Johannes von Tepl bekannt, gibt in seinem Werk (das in überarbeiteter Fassung vorgetragen wurde) das Klagen und Hadern eines Ackermannes über den Verlust seines „höchsten Schatzes“, einer „reinen Frau“, wieder. Verloren hat er sie durch den Tod, der seines „Glückes Dieb“ und der „Brecher aller Ehen“ sei. Verzweifelt fragt der Mann, wieso der Tod soviel Macht habe, der doch des Lebens und des Wesens Ende ist. Emitionsgeladen lobt der Ackermann Gottes Schöpfung Mensch, kalt und zynisch entgegnet der Tod, er vollstrecke Gottes Ordnung. In den Zwist der beiden schreitet „Gottes Stimme“ ein, geht auf die Trauer des Bauern ein und tadelt den Tod wegen des Spottes, gibt ihm jedoch Recht. Das Epos endet mit dem Gebet des Ackermanns für seine Frau.
Schöpfung und Vergänglichkeit. Vor 600 Jahren versuchte der Mensch sie zu Beginn der Renaissance und des Humanismus zu ergründen, und versucht es heute, in der Postmoderne und dem Informationszeitalter weiterhin. Es ist gut, wenn einem dies in der Art vergegenwärtigt wird, wie es am Samstagabend geschehen it.