Eine Woche Musik auf der Bühne des Rumänischen Athenäums schließt mit Glanz und Beifallsstürmen das erste Sergiu-Celibidache-Festival in Bukarest ab. Im Vordergrund der Festspiele stehen wie im Leben des großen rumänischen Dirigenten hochkarätige sinfonische Musik, Kammermusik mit den besten Instrumentalisten, Blechbläserklänge, die ihresgleichen suchen.
Der Konzertreihe gelingt es nicht nur, die Schüler und Freunde des Sergiu Celibidache nach Bukarest zu bringen, sondern auch eine elegante Feier der Musik in Gala-Stimmung für das Publikum aus „Celis“ Heimat zu organisieren. Eine schöne Überraschung für den Konzertbesucher ist zudem die Ausstellung in Schwarz-Weiß im Foyer des Athenäums – über einhundert Fotos „Aus dem Leben des Sergiu Celibidache“, die ihn so zeigen, wie er war und wie er musizierte: frei, expressiv, unbefangen, einfallsreich, großzügig.
Eröffnet wurde die Konzertreihe am vergangenen Wochenende von zwei wichtigen Orchestern mit zwei Celibidache-Schülern am Pult. Das Konzert am Samstag, dem 30. Juni, setzte ein Zeichen für das ganze Festival – im Mittelpunkt standen junge Musiker, die begabtesten landesweit, das Rumänische Jugendorchester, geleitet von seinem Dirigenten und Mentor Cristian Mandeal. Nebenbei sei erwähnt: Auch was die Ausstrahlung anbelangt, war dieses ein außergewöhnliches Konzert – in der Loge Prinzessin Margareta und Prinz Radu an der Seite von Serge Ioan Celibidache, im Saal Politiker, Diplomaten, Kulturpersönlichkeiten; kein Handy-Geklingel, kein Applaus zwischen den Sätzen.
Die jungen Instrumentalisten waren bunt gekleidet – ganz im Ton mit der farbvollen Orchestersuite „Der Taschengarten” von Sergiu Celibidache, dem ersten Stück auf dem Programm. Es wurde 1978 komponiert und ein Jahr später von Celibidache und dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart eingespielt. Für das Publikum erklang es zum ersten Mal im Jahre 2006 – sowohl in München, als auch in Jassy/Iasi. Für die Platte hatte „Celi“ selbst einen Text geschrieben, der sich – wie die Musik auch – an Kinder wendet. Er beschreibt die 13 Sätze des „Taschengartens” als „wahre, amüsante, neue und winzige Geschichten” oder als „Stücke aus einer klanglichen Torte”.
Musikalisch lehnt sich das Werk an Ravel und Strawinsky an; es ist nicht nur für die Bühne geeignet, sondern auch gut choreografierbar. Die Sätze enthalten erstaunlich viel Energie und Begeisterung, Freude an der Natur, komplexe Rhythmen. Celibidache ist als Komponist genauso phantasievoll wie als Dirigent und spielt unheimlich gerne mit den Klangfarben und den Effekten des großen Sinfonieorchesters. Köstlich deklamiert ist „die Predigt des Enterichs“ (gewiss ein begabter Redner!), resigniert und traurig der Satz „Der Himmel ist zu hoch und die Tanne ist alt”. Auch „Der Karpfen singt sich nachts ein Lied” ist sehr suggestiv – eine Überraschung folgt mit Pfeifen, Sturm und Lärm, wenn „Ein Indianer fliegt auf einem Besen vorbei“. Auf das „Grüne Gebet“ mit tibetanischer Stille folgt die Freude und das „große Flüstern/Dankgeschnatter“ bei der Rückkehr eines Igels in den Taschengarten. Kurzum „alles nur Lächeln und Sonne”, wie Celibidache schreibt.
Mit der Fünften von Tschaikowsky bewies das Jugendorchester im Anschluss, dass es sich auch mit ernsterer Musik bestens auskennt – das Ensemble klang einheitlich, die Bläser besonders raffiniert, neue Tempi eröffneten zugleich neue Welten, die Dynamik umfasste von zartestem Pianissimo bis zu überwältigenden Kraftexplosionen alle Nuancen.
Etwas klassischer und gesetzter war das Konzert des Orchesters der Philharmonie „George Enescu“ vom 1. Juli – die Stabführung übernahm Enrique Garcia Asensio, den Solopart in Beethovens Violinkonzert Liviu Prunaru. Als erstes erklang die „Celibidachiana” von Anton Garcia Abril (geb. 1933) – „nicht nur eine Widmung an Sergiu Celibidache, sondern ein Versuch, seinem Musikverständnis näher zu kommen”, wie der Komponist erklärt.
Dieser „Elegie für Orchester” mit starken Bläsern und langatmigen Streicher-Unisoni folgte ein helles, klares, kantables Violinkonzert mit beinahe vokaler Violine und durchsichtiger Begleitung. Jedoch wirkte es etwas langsam – vielleicht in Anlehnung an Celibidaches Tempi der späten Jahre? Liviu Prunaru glänzte ganz besonders in der Zugabe aus der dritten Violinsonate von Bach. Die ausgeglichene, saubere Interpretation der zweiten Sinfonie von Brahms rundete den Abend ab.
Ein Höhepunkt des Festivals war zweifellos das Konzert des Ensembles „German Brass“ am Montag, dem 2. Juli. Zwanzig Minuten Jubel des vollen Saals für die elf Virtuosen dürften ein Unikum der diesjährigen Auflage und eine Seltenheit in den rumänischen Konzertsälen sein. Auf dem Programm standen klassische Bearbeitungen nach Baston, Bach, Rossini, Wagner und Verdi, nach der Pause gingen die „deutschen Blechbläser“ auf musikalische Weltreise („German Brass around the world“) und spielten von Swing und Dixieland bis Tango und Polka alles, was man außerhalb des Konzertsaals nur tanzend anhören könnte. Ein Riesenerfolg. Das Ensemble, das so jung klingt, besteht schon seit 30 Jahren und spielt nun zum ersten Mal in Rumänien. Es wurde von dem ersten Hornisten Wolfgang Gaag gegründet, der seinerzeit lange Jahre mit Sergiu Celibidache zusammenarbeitete.
Die Musikwoche zu Ehren des Maestros ging weiter mit Kammermusik – dargeboten von „Celis Freunden”, mit dem Konzert des staatsphilharmonischen Orchesters aus Jassy unter Rony Rogoff und einem Violine- und Klavierabend mit Ida Haendel und Misha Dacic. Mit Ida Haendel betrat eine außergewöhnliche Violinistin und enge Freundin Celibidaches die Bühne, das Publikum reagierte auf ihr tief empfundenes Spiel mit großer Rührung. Die 84-jährige Geigerin und der junge Pianist Misha Dacic wurden vom Publikum gefeiert.
Nun schließen die Festspiele im Kreis – heute Abend spielt noch einmal das Rumänische Jugendorchester, morgen das Orchester der Bukarester Philharmonie. Die jungen Sinfoniker konzertieren diesmal unter der Leitung von Markus Theinert und mit dem Schlagzeuger Peter Sadlo als Solist, während die Philharmoniker unter der Stabführung von Mark Mast auftreten.
Das Programm des Abschlusskonzerts am morgigen Samstag umfasst auch das Klavierkonzert in d-Moll von Mozart, gespielt von Dan Grigore. Er war es, der mit eben diesem Werk 1996 als Solist der Münchner Philharmoniker im Rahmen der letzten Konzerte von Celibidache auftrat. Eine Komposition von Celibidache erklingt anschließend zum allerersten Mal weltweit: die rumänische Orchestersuite in acht Sätzen „Haz de necaz“ (Gute Miene zum bösen Spiel).