Verzaubert

Christian Zacharias gastierte in der George-Enescu-Philharmonie

Es hätte Berlin, Paris, London, München oder New York sein können. An jenem Freitag Abend im März war es aber Bukarest: Christian Zacharias, einer der bedeutendsten Musiker unserer Zeit, trat in einem Konzert der Spielzeit 2016/2017 der Bukarester Philharmonie im Athenäum auf. An zwei darauffolgenden Abenden, am 16. und 17. März, erfreuten sich die Musikliebhaber der rumänischen Hauptstadt an dem Treffen mit einem der großen Meister seines Fachs – dem sensiblen, präzisionsverliebten und trotzdem von Natürlichkeit beseelten Maestro Christian Zacharias, der seine Zuhörer vollends in seinen Bann zog und eine magische Atmosphäre ins Rund des Musiktempels an der Calea Victoriei zauberte.
Gesagt werden sollte an dieser Stelle auch, dass das Konzert durch die testamentarische Spende von Frau Sanda Cârciog-Rizescu ermöglicht wurde.

Auf dem Programm stand die eher selten gespielte Sinfonie Nr. 91 von Joseph Haydn, eine jedoch wunderbar einfallsreiche, teils lyrische, dann wieder spritzige Musik, vom Bukarester Orchester unter Leitung eines begeisterten und begeisternden Zacharias mit viel Esprit, Charme und Nuancenreichtum gespielt. So herrlich sprudelnd hört man einen Haydn in Rumänien seltenst bis nie. Und dann Arnold Schönbergs Kammersinfonie Nr. 2. Jemals gehört? Wahrscheinlich eher nicht. In unseren Breiten können weder Publikum noch Orchester mit der Musik der Neuen Wiener Schule, obwohl vor bereits einem Jahrhundert komponiert, etwas anfangen. Oder wird nur darauf gewartet, dass diese Musik vernünftig gespielt wird, wie Alban Bergs Oper „Wozzeck“ beim Enescu-Festival 2015, die zu einem Highlight wurde? Die Lesart von Schönbergs Kammersinfonie von Christian Zacharias an einem denkwürdigen Abend im März, dessen Echo wir noch lange in unseren Herzen hören werden, war von großer Prägnanz und Horch-mal-Momenten, ohne zur Schau zu geraten. Diese Musik mit seinen Brüchen und Unsicherheiten erscheint in unserer Zeit seltsam aktuell und passend.

Beethovens 5. Klavierkonzert wurde sodann Höhepunkt und Triumph zugleich. Die gesamte Vitalität dieser Musik kam durch den dirigierenden und den Solopart spielenden Maestro in reinster Form zum Ausdruck. Beethoven ist hier ganz und gar authentisch, ohne Übertreibungen oder unnötigen Kontraste, zu erleben. Die Freiheiten, die sich der Musiker nimmt, sind allesamt mit dem Geist dieser Musik vereinbar und werden für den Hörer, der dieses Werk kennt, zum Erlebnis. Ein Triumph der Authentizität. Jubel bricht aus. Standing Ovations. Der Maestro lächelt vergnügt, gibt den Dank auch an das ihn begeistert und respektvoll applaudierende Orchester weiter. Selten habe ich im Athenäum so intensives und konzentriertes Zuhören erlebt. Oft färbt die hektische Stadt dermaßen ab, dass das Publikum auch im Künstlerischen seltsam unruhig ist. Nicht so an diesem Abend. Der Maestro hatte alle fest im Griff. Ein besonderer Zauber lag in der Luft.

Schade nur, dass in Bukarest Musikhochgenüsse dieser Art innerhalb der regulären Spielzeiten selten geboten werden. Alleine das George-Enescu-Festival, als geballte Ladung Klassik-Stars in einem einzigen Monat alle zwei Jahre (wieder im September 2017), schafft es, den Zauber der großen Bühnen der Welt und seiner herausragenden Vertreter nach Bukarest zu bringen. Einen Abend wie diesen, mit einem großen Meister seines Fachs, der uns dem Chaos eines oft belastenden und unberechenbaren Alltags entreißt und die Schönheit der Welt erneut offenbart, würde man gerne öfter erleben.